Detlev von Duhn empfiehlt:






 

 



Jesus & Mary Chain - Glasgow Eyes 
Glasgow Eyes

CD und LP

24er, erst ihre 2. Studio-LP nach der Quasi-Reunion 2007. 80s-Post Punk-Ahnungen
verbinden sich mit zeitlos-zeitgenössischem Indie Pop und ziemlich faszinierenden dunklen
atmosphärischen Klängen. 80s Electro und punktuelle sägende Gitarren (-Smashes), relativ
eingängig ummantelt. 60s-Reminiszenzen, ohne auf den damaligen Sound zurückzugreifen,
Pop-Elemente inklusive. Eher minimalistischer Post Wave, pochend und sehr geradlinig.
Partielle Rückreisen zu ihren Anfängen, zum Beispiel recht düster oder schön zähflüssig,
anderswo im Background schillernd und leicht psychedelisch, auf jeden Fall bestechend
hypnotisch. Speedy Post Punk + etwas Noise, Spuren von Suicide und Stooges, Electro +
Space. Mehr Psychedelic-Spritzer, melodisch und wirkungsvoll aufbereitet. Glitzernde Synth-
Einlagen + fette distorted/fuzzy Gitarren im Indie Rock-Kontext mit Pop-Untertönen.
Motorische Kraut-Anleihen im Pop-artigen Gewand. Kinks-Einfluss (?) trifft Indie Pop und
Groove. Und zwischendurch Velvet Underground. Der Synth-Einsatz ist übrigens
einigermaßen obligatorisch.

 

 

 




  Bevis Frond - Focus On Nature 
Focus on Nature

CD und LP

24er. Wie schon beim tollen Vorgänger (Little Eden) wieder sehr viele Stücke (diesmal 19, in
75 Minuten), und wieder bringen es davon nur 3 auf mehr als 5 Minuten (maximal 8) – für
ihre Verhältnisse erneut sehr songorientiert, über weite Strecken. Mit gegenüber den alten
Platten deutlich verringertem Psyche-Faktor. Dafür eine gelungene sehr bunte Mischung:
Diverse deutlich an 70s-Rock angelehnte Stücke in recht handfest und bodenständig, je 1x
geringe Psychedelic-Spuren bzw. etwas stärkere Prog-Anleihen, in einem Fall zeitweise leicht
elegisch. Ebenfalls mehrere teil- (oder gar pur) akustische Nummern, ob ganz ruhig (eine Art
Indie-Folk-Song), im Folk-Rock-Terrain unterschiedlicher Couleur, oder eher Folk Pop
respektive Akustik-Rock. Ein treibender intensiver wie kompakter Guitar-Rocker mit
besonders tollem Riff, aber auch rasantem ausgiebigem Solo. Hoch melodiöser Pop Rock mit
60s-Elementen. Etwas Wipers-Touch in kurz und bündig und voller Drive. Die entspannten
Who in der 1. Hälfte der 70er. Dezente Tom Petty-Parallelen (2x). Purer Neo-60s-Garage
Punk. Ambitionierter melodischer Rock wie frisch aus dem England von 1970 importiert.
Frühe REM streifend samt sehr feinem psychedelischem Guitar-Feature, das angenehmst an
8 Miles High erinnert. Eine Tendenz zu frühem Pop Punk. Oder ein Hauch Wilco (mittlere bis
spätere Phase). Gefällt mir insgesamt wieder sehr, gerade auch die vielen
konzentrierten/kurzen verschiedenartigen Gitarren-Soli.

 

 

 




  Sam Lee - Songdreaming
 


Songdreaming

CD und LP

24er. Die regulären drei bisherigen Alben des Londoner Singer-Songwriters landeten allesamt
in meinen Jahres-Charts, und das wird bei Album Nummer 4 nicht anders sein. Seine Wurzeln
kommen aus dem britischen Folk, aber es gibt nur ganz wenige, die damit so einfallsreich, so
innovativ, so originär umgehen, mit mittlerweile sofort wiedererkennbarem und in jedem Fall
fabelhaftem Ergebnis. Die Musik atmet komplett freien Geist, insofern vielleicht mit den
ähnlich famosen The Gloaming vergleichbar, oder mit gewissen Platten von Alasdair Roberts,
was das „offene“ Harmonieverständnis betrifft, vielleicht mit Richard Thompson, aber er
klingt ganz anders, eben völlig eigen. Bill Callahan mit allerdings (auch stilistisch) total
anderen Vorzeichen fällt mir noch ein. Er besitzt eine (ebenfalls sehr eigene) ungemein
angenehme und berührende Stimme, die Instrumente (im Wesentlichen Piano, Geige bzw.
eine kleine Streichergruppe, akustische und E-Gitarre, teils Holzbläser, sporadisch Dulcimer,
Qanun, Nyckelharpa, Flöte, mehrfach ein Chor) verschwimmen phasenweise, fließen
ineinander, oft ziemlich süffig und edel arrangiert, die Rhythm Section agiert bestechend
feinfühlig und differenziert. Wobei die E-Gitarre schon mal ansatzweise einen Drone-artigen
Charakter annimmt, kurzzeitig. Zu den Folkeinflüssen kommt so etwas wie eine Prise
Songwriter-Pop, der Gestus/die Herangehensweise/der Spirit beinhalten irgendwie Spuren
(nicht mehr und auch nur manchmal) vom Jazz (aber nichts klingt auch nur ansatzweise
wirklich jazzig, mit einer Ausnahme). Bei den meisten Stücken entwickelt sich aus oft
leisen/zarten Anfängen ganz allmählich eine gewisse Steigerung, mal mehr, mal weniger
ausgeprägt, vor allem Dichte und Intensität nehmen zu, gelegentlich massiv (um gegen Ende
oder zwischendurch oftmals wieder abzuklingen). Eine weitere auffällige streckenweise fast
verblüffende und absolut reizvolle Besonderheit: Der Kontrast zwischen dem relativ ruhigen,
poetischen, teils leicht melancholischen und vor allem gedehnten bis „verlangsamten“
Gesang und der agileren Instrumentierung, gerade auch, was die Tempi betrifft (die zu allem
Überfluss selbst zwischen den einzelnen Instrumenten partiell kontrastieren) – und alles
wirkt dennoch völlig organisch! Noch ein paar Anmerkungen zu den einzelnen Stücken:
Frei(geistig) fließend mit dezent rockigem Flair. Stärker traditionell ausgerichteter ruhiger
spektakulär schöner Folk, aber auch mit effektvoll verzerrten Gitarren. Tolle Rhythmik und
enorm vielschichtig, hypnotisierend und packend. Ein bisschen elegisch. Durchweg sachte-
balladesk. Zeitlupenhaft anfangs, dann unglaublich erhaben, unglaublich faszinierend, und
tatsächlich punktuell/kurzzeitig etwas jazzig (die angesprochene Ausnahme). Ein weiterer
mehr traditionell ausgerichteter Folk-Song (mächtig langsam). Eine reduziert arrangierte
anrührende klassische Folk-Ballade… Es gibt übrigens keine richtig kurzen Tracks, die Musik
lässt sich Zeit zur Entfaltung. Und ein explizites durchgehendes Thema hat sie auch, die Natur
bzw. Naturverbundenheit. Ein ganz großartiges Werk, für mich ein absolutes Muß.

 

 

 




  Adrienne Lenker - Bright Future
 


Bright Future

CD und LP

24er. Die Sängerin (und Kopf) von Big Thief mit einer exquisiten Solo-LP (ihrer besten
bislang). Die Umstände der Aufnahmen sind offensichtlich, deutlich zu hören: Live im
analogen Studio mit geringstmöglichem Equipment und Aufwand, in einem Take eingespielt,
spontan, direkt und ehrlich, teilweise (auch mal stark) angerauht, komplett ohne Rhythm
Section. Nach „Bright Future“ hört sich das Album weniger an, eine sachte Form von
Melancholie durchzieht so einige Stücke. Meist sparsam, aber unterschiedlich instrumentiert,
Akustik-Gitarre, Geige und Piano werden eingesetzt (nur hier und da sind alle gemeinsam zu
hören), zwischendurch zudem Bass oder Banjo, 2x taucht eine geringfügig elektrifizierte
Gitarre auf. Und mehrfach sehr schöne relativ lose Harmony Vocals. Ein paar Tracks
funktionieren maximal reduziert, als Songwriter Folk einzig auf Piano-Begleitung beruhend
(tropfend, nackt und tief berührend), nur mit Gitarre in sanft und völlig schlicht oder
bedächtig und irgendwie Americana-typisch. Ansonsten: Etwas beschwingter; wobei sich
zum Folk eine dezent country-eske Note gesellt (mehrfach, in einem Fall auch in ruhiger
Gangart), oder, ohne Country-Einfluss, die oben angesprochene E-Gitarre trocken und enorm
raffiniert und agil dominiert, in einer so bislang selten gehörten fast originären Form! Noch
lebhafter/extrovertierter klingt eine alte beliebte Big Thief-Nummer (Vampire Empire), eckig,
kantig und roh gespielt, in ebensolcher Rhythmik, das Zusammenspielt von Geige, Piano und
Akustikgitarre frappierend. Zarte beinahe andächtige sowie relaxt fließende und sanfte völlig
schlichte Folk-Songs ergänzen eher konventionell, aber sehr schön, ein Stück atmet
sehnsüchtigen Geist, und den Höhepunkt (für mich jedenfalls) bildet der letzte Track:
Außerordentlich intensiv mit einfachsten Mitteln, ganz leicht effektverstärkt, mit
faszinierender Sogwirkung. Superber Gesang ohne jeden Schnörkel und eine klare
Empfehlung!

 

 

 




  Julia Holter - Something In The Room She Moves
 


Something in the Room She Moves

CD und LP (ab 22.3.24)

24er. Endlich ein neues Werk von ihr. Das letzte (Aviary) gehörte 2018 zu meinen absoluten
Lieblingsalben. Schwer begeistert bin ich auch hiervon, aber der Charakter ist ein anderer. Es
beginnt mit einer gewagten und partiell verblüffenden Kombination aus betörendem
verhalltem Gesang und atmosphärisch begeisternden Sounds jenseits aller üblichen
Zuschreibungen; kurze Groove-Ansätze treffen auf kompliziertere Rhythmik und eher
schwebende Phasen, etwas Ethno-mäßige kurzzeitig auch atonale Flöten (die in diesem
Kontext gewissermaßen eine erdende Funktion erfüllen), licht-leichte Keyboardschwaden
(Lap Steel?), zeitweise kommt die Musik fast zum Stillstand/geht in Zeitlupen-Zustände über
(ein bisschen halluzinogen gar). Passt nicht zusammen? Doch, schlussendlich schon, und wie
– packend! Viel Hall und eine tolle Atmosphäre begleiten auch viele andere Stücke. Wenn
z.B. (2x) Jazzelemente in frei gestalteten Songwriter-Rahmen übertragen werden, balladesk
bis slow motion bis behutsam vorangeschoben, zwischendurch teils absolute Ruhephasen,
alles vor allem getragen/kongenial begleitet von (manchmal sehr agil) umherstreifender
Trompete, schwerelosem E-Piano, Sax und Flöte. Und einem, auffällig hier und auch im
Folgenden, fretless Bass. Es geht ganz bezaubernd weiter, zart und langsam, sinnlich
gesungen, nur von E-Piano getupft ergänzt. Ein reines Vokalstück (mehrere Sängerinnen)
atmet sowohl reine leise Schönheit als auch experimentelle Ideen, für Momente dachte ich
an wagemutige/“progressive“ nordisch-indigene Musik (auch klasse). Es folgen u.a. zwei Art
Pop-Nummern (ein vorbeischauender Freund meinte „Kate Bush“, naja), die eine unerbittlich
vorwärtsstrebend/moderat repetitiv anmutend, mit Flöten-Akzenten und immens feinen
variabel agierenden Orgel-(artigen?) Klängen veredelt (fast hypnotisch!), die andere elastisch
und relativ dezent rhythmisiert, im Raum schwirren aparte Klänge zwischen Wohlklang und
kurz fremdartig-reizvoll anmutend herum, eingefasst in einen ziemlich konventionellen
melodiösen Songrahmen. Dazwischen steht ein rhythmusloses von Orgel grundiertes
kontemplativ-meditatives wunderschönes Klanggemälde voll herrlicher verschiedenartiger
Sounds (u.a. von Cello oder Geige, Flöte, Synthie, teils kaum identifizierbar). „Talking To The
Whisper“ schließlich gehört für mich zu den Highlights (unter ausschließlich exquisiten
Songs): Irgendwo im Spannungsfeld von Edel/Anspruchs-Pop, Jazz und kakophonischer
Avantgarde, rhythmisch attraktiv unterlegt zunächst, frei und recht wild ausfransend, eine
längere bestechende sanfte lyrische freigeistige Ruhephase folgt, ehe freies Spiel abschließt
(was mich entfernt an die Avantgarde-Phasen der frühen Van Der Graaf Generator erinnert).
Eine große Empfehlung natürlich!

 

 

 




  Idles - Tangk
 


Idles: Tangk, CD

CD und LP

24er. Jedes Mal bin ich gespannt auf ihre Alben, jedes Mal gibt´s die eine oder andere
Überraschung. Gleich 3 Songs wirken erstaunlich „sanft“ und atmosphärisch stark, leicht
unter Spannung stehend oder massiv verdunkelt und phasenweise moderat dröhnend (um in
diesem Fall irgendwie versöhnlich auszuklingen); „Indie Dark Pop“? 2x ist aggressiver relativ
düsterer treibend-pumpender Post Punk zu vernehmen, oder aber skelettierter mit starken
Bezügen zu den frühen 80ern. Bedrohlicher Post Wave, bei dem der Hörer vergeblich auf
einen Ausbruch wartet, mutet eher „heutig“ an. Ein Stück, das ansonsten radikal
abgespeckten trockenen Sound zelebriert, fasziniert in den Refrains auf beinahe (verstörend)
psychedelisch anmutende Weise, toll flirrend-verzerrt. 2 Tracks klingen für mich ein bisschen
Gothic-artig, zugleich melodiös und werden für ihre Verhältnisse (zumindest partiell)
einfühlsam gesungen; einer davon erinnert am Ende leicht an die frühen Wipers. Eine
schroffe punkige riffbetonte Nummer ist nicht so weit weg von den ganz frühen Gang Of 4.
Und irgendwo mittendrin dachte ich kurz an Radiohead.

 

 

 




  The Dead South - Chains & Stakes
 


Chains & Stakes

CD und LP (ab 9.2.24)

24er. Vierte (?) reguläre Studio-LP der Kanadier, die von Anfang an glänzten, auch mit ihren
„Zwischendurch-Projekten“. Natürlich, sie gehören zu den doch erstaunlich vielen (und
definitiv besten) Bluegrass-Bands heutzutage, die dafür sorgen, dass diese Szene momentan
stilistisch so weit aufgefächert wird wie wohl noch nie zuvor, und das auf ungemein hohem
Level. Ihre Musik macht einfach enormen Spaß, und blieb von Anfang an nicht in
ausgetretenen Pfaden stecken, erweitert das Spektrum stetig. Auch hier, beispielsweise:
Ausgesprochen variationsreicher stark (v.a. rhythmisch) modifizierter respektive massiv (und
klasse) akzentuierter Bluegrass mit wunderbarem emotionalem Gesang, leisem Southern
Gothic-Feeling, viel Drive und mehrfach die Stimmung wechselnd. Eine modernisierte
Appalachen-Ballade. Ein paar wenige großteils oder wenigstens halbwegs traditionsliebend
gespielte Songs, trotz partiell genreuntypischer/unorthodoxer Harmonien. Frischer
unkonventioneller Bluegrass mit unterschwellig aufblitzendem Balkan-Folk (?)-Einfluss,
inklusive bluesiger Einleitung und melodisch außerordentlich reizvoll. Eine Art „Indie-
Mountain Folk, ohne strikt auf alten Gepflogenheiten zu bestehen. 2-step-Bluegrass-Folk
voller instrumentaler Feinheiten und Köstlichkeiten und Überraschungen zwischen Tempo
und Poesie. 2x ein Mix aus Bluegrass- und Songwriter-Country-Elementen, einmal plus
wiederum Southern-Gothic-Tupfern, rhythmisch ganz toll, ausdrucksstark, superber 2-
stimmiger Gesang, scharf geschnitten, und fast schon eine ungewohnt rockige Ader
phasenweise; und einmal balladesk. Zwischendurch gibt´s 3 sparsam gehaltene kurze
Instrumentals, zarter filigraner Gitarren-Folk, dunkel-melancholisch mit auffälligem Feature
ihres berühmten Cello-Basses, sowie unbestimmbarer Folk. Bei alledem sorgen auch die
Arrangements für jede Menge Abwechslung, zwar geprägt von den Bluegrass-typischen
Instrumenten (Gitarre, Bass, Mandoline, Banjo, Geige, sehr wenig Fiddle, keine Drums),
jedoch immer wieder anders zusammengesetzt, selten sind alle beteiligt, mal 2 Gitarren
(oder Mandolinen), dazu kommen regelmäßig exquisite Harmony Vocals. Dicke Empfehlung!

 

 

 




  Mitch Ryder - The Roff Is On Fire
 


The Roof Is on Fire

2CD und 2LP (ab 26.1.24)

24er. Den hatte ich nun wirklich gar nicht mehr auf dem Schirm. Live 2019 und 2020 in
Dresden, Berlin und Bonn mit seiner bestens eingespielten Tourband, Engerling.
Überraschungen gibt es nicht, aber wozu auch. Die Stücke sind teils jahrzehntelang in seinem
Programm, eigene und Covers (z.B. Ain´t Nobody White, Freezin´ In Hell, Tuff Enuff von den
Fabulous Thunderbirds, Many Rivers To Cross, Subterranean Homesick Blues, Red Scar Eyes,
Tough Kid), die Musik pendelt zwischen hartem relativ kantigem/rauhem gitarrenbetontem
old-fashioned Rock mit signifikanter R´n´B/Blues-Grundierung, bodenständigem Classic Rock
(beides vor allem in den vornehmlich frühen 70ern beheimatet) und einem längerem
Balladen-Block (mal rockig und recht derb, meist eher gefühlsbetont mit manchmal kurzen
Crescendi, gern gemäßigt rootsig, bluesig respektive etwas soulig, gelegentlich übernimmt
dabei das Piano oder die Orgel die Führungsrolle – Tasten, auch E-Piano, sind zwar
omnipräsent, sonst jedoch eher im Background gehalten). Sporadisch bewegt er sich fast
schon in Hard Rock- respektive Blues-Rock-Nähe, die Gitarren bekommen genug Raum für
(eher kurze, dafür meist mehrere) Soli in den meisten Tracks, inklusive Distortion, Wah-Wah-
Parts. Überraschend taucht in 2 Stücken ein Sax auf, z.B. im 15-minütigen Roots-rockigem
Soul Kitchen (of Doors-Fame), das die Intensität rauf und runter fährt. Und seine Stimme ist
trotz des hohen Alters immer noch intakt, sehr rauh.

 

 

 




  Ja, Panik - Don't Play With The Rich Kids
 


Don't Play With The Rich Kids

CD und LP (ab 2.2.24)

24er der Österreicher. Gleich ein richtig guter Start: Hymnischer (Indie) Rock nicht ohne Pop-
Elemente, vielschichtig in mehrfacher Hinsicht (was sich im Verlauf der Platte wiederholt,
zumindest, was die instrumentale Seite betrifft, mitsamt einer beträchtlichen und effektiven
Dichte in den Arrangements), in Teilen (aber nicht komplett) 90s-angelehnt. Danach höre ich
u.a. 80s-Post Punk-Elemente unter Indie Pop-Einfluß, in einem Fall recht catchy (und klasse);
Scharfe schneidende aggressive Gitarren gekoppelt mit Vocals, die (auch im Backing) eher
Pop-affin klingen samt dezentem Bowie-Touch (der wird später noch einmal zitiert); einen
ruhigen akustisch-elektrischen Song, der instrumental partiell ganz leicht experimentell und
modern-psychedelisch ausfällt; ansatzweise elegischen später durch die Gitarre rohen bis
relativ wüsten Rock; zeitlosen geradezu euphorischen melodischen Rock; Groove Rock mit
Pop-Bezug, ein bisschen wie um 1990 herum; und schließlich einen lange Zeit ruhigen und
sehr atmosphärischen 12-Minüter, der sich nach 5 Minuten zu einem frenetischen unerhört
verdichteten intensiven Gitarren-Tour-de-force-Jam auswächst (toll!). Insgesamt wird die
Gitarrenbetonung nicht selten durchbrochen, das bandtypische Durcheinander von Englisch
und Deutsch beibehalten, zwischendurch ganz gern kurze (einmal auch durchgängig) recht
leise (teil-) akustische Momente eingebaut. Im Pressetext ist übrigens zweimal von Blur die
Rede, nicht ganz verkehrt…

 

 

 




  Ancient Infinity Orchestra - River Of Light
 


River of Light

2CD

23er. Schon wieder ein neuer Stern der in den letzten Jahren so mächtig erblühenden
englischen Jazz-Szene, diesmal aus Leeds. Innovativ wirkt bei dieser Debut-LP zwar gar nichts,
aber die Musik ist herzerwärmend und von großer Schönheit, wozu ein beeindruckend
umfangreiches Arsenal an Instrumenten beiträgt: Zwei Saxofone (gelegentlich auch Bass-
Klarinette oder Sopran-Sax), eine Oboe, eine Flöte, die Rhythm Section natürlich und ein
ordnendes Piano bilden das Grundgerüst, hinzu gesellen sich eher punktuell Cello und Geige,
eine Harfe, ein Chor, das Zusammenspielt ist sehr sehr konzentriert! Und der Geist von
Pharoah Sanders und John Coltrane unverkennbar. Allerdings nicht in allen Aspekten präsent,
denn deren ekstatische/radikale Elemente und Ausbrüche werden fast gänzlich gemieden,
die Musik klingt fast komplett eher ruhig, ohne auf freieres Spiel zu verzichten – in dann
getragener rhythmusloser oft ergötzlich anmutender und bestechend melodischer Form.
Viele tief spirituell gefärbte Stücke (10 an der Zahl, für gewöhnlich mittel-lange), im herrlich
leichtfüßigen total relaxten Fluss, in einer Art offenem und sehr dezentem (teilweise
filigranem) Groove-Format, mehrfach inklusive unaufdringlichen kongenialen Ostinati,
phasenweise völlig in sich ruhend und eminent feinfühlig bis vollkommen friedlich, ab und zu
kurzzeitig ansatzweise orchestral. Einige Tracks geraten etwas reduzierter/abgespeckter,
verzichten gar über weite Strecken auf die Bläser (oder die Drums), der Chor erinnert 2,3-mal
ein wenig an Kamasi Washington (jedoch gemäßigter eingesetzt; in einer Nummer
verwenden sie eine weibliche Solo-Stimme), die lyrische Note ist nicht selten beträchtlich.
„Arc Of The Sun“ überrascht mit dem Einsatz einer chinesischen Zither, die zunächst für
einen deutlich fernöstlichen Charakter sorgt (plus Harmonium?!), in meditativ-getragener
beinahe festlicher Atmosphäre, ehe die vielstimmige Bläser-Phalanx einsetzt mit auch
dunkleren bis ein kleines bisschen dramatischen Farben – fabelhaft! Genauso großartig: Der
Titeltrack, der zeitweise fast wie in Trance/Zeitlupe erscheint, später freigeistiger sowie leicht
melancholisch und stärker in (diesmal non-spiritueller) 60s-Jazz-Tradition verwurzelt,
melodisch absolut toll und wunderwunderschön, alles wird aufgefahren, der Chor, Tenor-
und Sopran-Sax, Bassklarinette und Flöte und Geige. Zum Schluss wird auch im Titel
(„Pharoah Sings“) direkt auf Sanders Bezug genommen, allerdings erinnert gerade dort nicht
gar so viel an Pharoah, wenn, dann höchstens an den späteren, balladesken, etwas
konventionelleren. Klasse Album jedenfalls, bei dem ich mehrfach an Nat Birchall dachte (der
momentan bei mir rauf und runter läuft).

 

 

 




  Violent Femmes - Same Title (Deluxe)
 


Violent Femmes (Deluxe Edition 2CD)

2CD

23er Reissue, neu remastered. Als diese Platte, ihr Debut, vor 40 Jahren rauskam, war fast
mein ganzer Freundeskreis (ich auch) hin und weg. Derart individuelle, originelle und dabei in
der Struktur eigentlich ganz einfache und zudem extrem spontane Musik gab´s selbst damals
nur selten, so frisch und unmittelbar packend klang fast nichts anderes – auch, weil gleich
reihenweise tolle Songs enthalten waren, war ein unsterblicher Klassiker entstanden, der
noch heute seine Wirkung entfaltet, und stilistisch nur schwer zu greifen ist. Weil seine
Bestandteile (Akustik-Rock, Folk- und Punk-Elemente, „Roots-Wave Rock“ oder so ähnlich
und was weiß ich noch alles, eine Prise Jonathan Richman, samt ähnlich gelagertem
erheblichem Charme, und sogar Jazz-Spritzer, durch den Bass) so ungewöhnlich, aber auch
ganz natürlich und organisch wirkend zusammengesetzt wurden, ohne vor gelegentlichen
Dissonanzen und effektvoll wilden Parts/Kurz-Soli zurückzuschrecken, die einfach untrennbar
dazugehören. Musik, die ungeheuer viel Spaß macht, auch heute noch. Und das in strikt
reduzierter Form, die Gitarre vor allem akustisch (aber auch sehr dezent verstärkt, ohne alle
Effekte gespielt), akustischer wie elektrischer mehrfach auffälliger und agiler Bass, ein extrem
minimalistisches Schlagzeug reichen (sporadisch tauchen kurz Geige, Xylophon, Piano auf).
Roh wie zärtlich. Enorme Spielfreude und ebensolcher Drive, reichlich Dynamik, packende
Melodien kommen hinzu. Diese Ausgabe glänzt zudem mit einer Menge Bonusmaterial:
Gimme The Car und Ugly, die auf einigen vorherigen Ausgaben schon drauf waren. 9 Demos,
die sich in der Grundstruktur gegenüber den fertigen Stücken wenig unterscheiden, in
Feinheiten und Details allerdings schon, 3 davon sind non-Album-Tracks (2 davon mit Roots-
bzw. Rock´n´Roll-Geist der 50er gesegnet), 2 erschienen verändert auf Alben zehn Jahre
später. Und schließlich 13 Live-Tracks von 3 Konzerten (8 von 1981, also weit vor der Debut-
LP, 5 von Anfang 1983, kurz vor dieser Platte), von denen wiederum meines Wissens 4 Songs
auf keiner regulären Platte erschienen (auch nicht auf der „Add It Up“-Compilation), nämlich
Break Song, Her Television, How Do You Say Goodbye und In Style. 2 kamen erst auf ihrer 2.
LP (Hallowed Ground) raus, darunter das gloriose Country Death Song (und auch Never Tell
ist eine sehr gute Nummer), einer auf LP Nr. 3. Die Live-Versionen unterscheiden sich partiell
deutlich stärker von der LP als die Demos (man höre die Gitarren, die im späteren Verlauf
ebenfalls ein paar Mal elektrifiziert werden), kommen phasenweise eminent schroff, scharf,
oft wilder, aggressiver. Also, sollte jemand die Original-LP nicht besitzen/kennen: Ganz ganz
große Empfehlung. Für Fans dank des Bonusmaterials ebenfalls reizvoll

 

 

 




  The Kinks - The Journey Part 2
 


ΤΗΕ ЈΟՍRΝΕΥ – ΡΑRΤ 2 (2СD)

CD und LP

23er. Ja, schon klar, Compilations gibt´s von ihnen reichlich. Trotzdem: Bei diesem neuen
Sampler führte Ray Davies persönlich Regie, suchte die Songs aus, das Remastering passt
(großteils 2023 erfolgt), die Zusammenstellung ist keine weitere „Greatest Hits“. Auch wenn
einige großartige Singles dabei sind (u.a. Till The End Of The Day, Sunny Afternoon, Lola,
Dedicated Follower Of Fashion, A Well Respected Man, auch 20th Century Man). Hinzu
kommen einige weitere non-LP-A-Seiten, aus den (früheren) 70ern. Apropos: Die Aufnahmen
stammen aus der Zeit von 1965-1975, die von 1974 und ´75 wären (mit einer Ausnahme)
nicht nötig gewesen, der Löwenanteil stammt von 1966-1970 (viele von Something Else, The
Village Green Preservation Society, dem non-USA-Sampler Sunny Afternoon, 2 auch von der
Lola-Versus…-LP, neben dem Titeltrack das tolle This Time Tomorrow nicht nur neu
abgemischt, auch als Alternativ-Fassung, nach dem 1. Hören organischer und sogar noch
etwas besser). Von den erwähnten Alben sind die meisten der besten reinen LP-Tracks
enthalten, auch einige 1st class-Single-B-Seiten sind dabei, klasse finde ich das unsterbliche
David Watts, Creeping Jean, Animal Farm, Scrapheap City, Two Sisters, See My Friends,
Wicked Annabella, Where Are They Now, Alcohol von Muswell Hillbillies, Susanna´s Still Alive,
I Need You, Sitting By The Riverside und Big Sky. 3 unveröffentlichte Liveaufnahmen stammen
von 1975, 2 (?) Outtakes komplettieren, 7 neue Mixe hat Davies selbst vorgenommen.
Manche Platten aus dem vorgegebenen Zeitrahmen wurden gar nicht berücksichtigt (Arthur,
The Great Lost Kinks Album, Everybody´s In Showbiz, kein Verlust). Der Kommentar von Ray
Davies: „Ich habe viel über mich selbst gelernt, als ich das Album zusammenstellte“. Ein sehr
gelungenes!

 

 

 




  Bill Ryder-Jones - Lechyd Da
 


Iechyd Da

CD und LP

24er. Nach 5 Jahren ein neues Solo-Werk vom ehemaligen The Coral-Gitarristen. Von kleiner
akustischer transparent und luftig wirkender Band bis zu opulenten Sounds der Streicher
und/oder den Backing-Chören (sporadisch Bläsern) sowie Solo-Parts (nur Piano bzw.
Akustikgitarre) auf der anderen Seite. Von melancholisch und zärtlich bis beschwingt (schon
mal mitten im Stück wechselnd samt Rhythmik/Tempo, auch mehrfach). Akustisch wie
dezent elektrisch. Von Folk Pop zu purem Songwriter-Pop (meinetwegen Indie Pop).
Zerbrechlich wie sanft umhüllend, elegisch wie geradezu symphonisch himmelhoch
jauchzend, oder in getragenem etwas wehmütigem Ambiente. Komischerweise funktioniert
jede Gangart, jede Ausrichtung (die er in den einzelnen Tracks partiell mischt, ohne Kontraste
mit dem Brecheisen erzwingen zu wollen, manchmal fallen sie trotzdem recht massiv aus).
Die in den allermeisten Stücken (aber längst nicht ständig) präsenten Streicher gefallen mir
großteils sehr, auch wenn sie kurzzeitig überborden, effektiv wirkt auch der Einsatz eines
zusätzlich rhythmisierenden Cellos in einer Nummer. Alle Arten von Tasteninstrumenten
werden eingesetzt, die akustischen überwiegen klar die elektrischen Gitarren, die vielen
Chöre stammen oft von Kindern (was in diesem Kontext einen eindeutigen Reiz besitzt!).
Dass all dies zusammenpasst, liegt natürlich in einem starken Maße auch an dem
songwriterischen Gehalt!

 

 

 




  The Vaccines - Pick-Up Full Of Pink Carnations
 


Another Nightmare

CD und LP

24er der Engländer. Indie-Guitar Rock der melodischsten Sorte, sprich, mit hohen Pop-
Qualitäten. Oder auch: Gitarren-Power Pop, zuweilen euphorisierend, mit hart rockendem
Rückgrat. Hymnenhafte Melodien gibt´s diverse, einige süchtig machende Hooks, eine
Menge guter Laune (trotz teils gegenteiliger Themen in den Texten) und mehrfach Anleihen
in den 80ern, die zum einen durch an die Frühphase von Cure erinnernde Gitarren erzeugt
werden, zum anderen durch (beileibe nicht in jedem Song auftauchende) Tasten, für
gewöhnlich eher im Hintergrund, aber wirkungsvoll. Gelegentlich überträgt sich die
Melodiosität auf die Gitarren, die übrigens hier und da in trocken-kantig riffender Weise
einen interessanten Kontrast zur eher voluminöseren bzw. hallreichen Abmischung bilden.
Durchweg up-tempo, positive vibrations reichlich.

 

 

 




  All Diese Gewalt - Alles Ist Nur Übergang
 


ALLES IST NUR ÜBERGANG

CD und LP

23er. Max Riegers (Die Nerven-Sänger/Gitarrist) nun schon 5. Solo-Platte. Die sich auch hier von der Band deutlich unterscheidet. Wenn man so will, Songwriter-Musik, die sich des öfteren abseits gewohnter Pfade bewegt, gern ziemlich massive und wirkungsvolle Kontraste einbaut, mehrfach jedoch ausgesprochen organisch wirkt, atmosphärisch sehr stark agiert (auf unterschiedliche Weise). Und stilistisch manchmal nur schwer greifbar ist. Markant und ziemlich kongenial klingt der Gesang (ganz "selbstverständlich" und ohne jedes falsche Sentiment), recht häufig dominieren (intelligent und teils sehr reizvoll eingesetzte) Synthies, gelegentlich fehlt die Gitarre sogar gänzlich (anderswo übernimmt sie die führende Rolle), auffällig selten sind Drums zu hören, was im Allgemeinen nicht zur Vernachlässigung der Rhythmik führt - gleichwohl gibt es Songs, die rhythmus- und melodielos großteils nur an- und abschwellende Wälle erzeugen (ich hatte kurz die Assoziation "frühe Cluster von heute") oder über weite Strecken schwerelos daherkommen (mit orchestralem Aufbäumen mittendrin, eine fabelhafte Nummer), oder vor allem ein (ungemein apartes, melancholisches) Musikgemälde erzeugen. Ansonsten: Rhythmisch tanzende Musik mit zarten Zwischenspielen, zeitweise auf seltsame Art spannungsgeladen, später dezent rockig. Reduzierter relativ gewagter fast avantgardistischer "Pop" (Pop?), phasenweise geradezu spooky. Unterkühlt leise, feingeistig und mit gewissem "Einsamkeits-Flair" . Leichtfüßfig und entspannter als meist, schließlich dezent hypnotisch verdichtet und immer intensiver. Zwischen sparsam mit repetitivem Gitarrenmotiv und weich umhüllendem bis massivem bis eindringlichem Tasten(wohl)klang inklusive etwas sinistrem Ausdruck. Der längste Song hat es in sich: Für Momente eine elektronische Kraut-Tendenz/Parallelen zu tastenbetontem New Wave (-Pop)/noisige Einwürfe/aggressive Post Punk-Elemente/lyrische Zartheit/pastorale Spuren - alles in einem, ein erstaunliches und faszinierendes Stück! Schließich eine sanfte leise einfühlsame Indie Pop-Ballade mit phasenweise toller schleifender Gitarre. Zwischendurch integriert er übrigens gesamplete Parts aus Klassik-LPs, Chöre und Orchester, als solche partiell kaum wahrnehmbar. Wie seine Band: Etwas besonderes.

 


 

 




  Amos Lee - Honeysuckle Switches
 


Greenville

CD und LP

23er des Singer-Songwriters aus Philadelphia, der nach seinem Chet Baker-Tribute ein weiteres Mal auf das Attribut "Songwriter" verzichtet, indem er sich diesmal Songs aus der Karriere von Lucinda Williams (sein persönliches Vorbild) widmet, sie durchaus auch schon mal umdeutet/z.T. recht eigen interpretiert. Vor allem in Form von vielen vielen Balladen - bluesig-soulig mit Herzblut und enorm ausdrucksstark (gesanglich wie instrumental, erst sparsam, dann süffig); stark Retro-orientierter R'n'B, immens einfühlsam, aber (zumindest bei einem Track) viel sparsamer als damals; allgemeine Americana-Tendenz, sanft und ganz langsam und ans Herz gehend; eine erst zarte, dann (mit superben Gitarrenlicks versehene ) kraftvollere Mischung aus Blues, Folk und mehr; sowie ganz nackter sehr berührender Folk-Country. Die wenigen nicht balladesken Stücke kommen gern multipel rootsig (ein Hauch Gospel, Elemente aus u.a. Folk, R'n'B, Country) in toller loser fast geheimnisvoller Atmosphäre mit im späteren Verlauf kurzen wundervollen Gitarrensalven, in einem anderen Fall eher in entspannter Weise und höchst melodiös. Oder sachter fließender becircender Roots-Pop, angenehm reduziert. Insgesamt klingt er dabei weniger rauh als Lucinda. Und bei einigen Stücken verzichtet er auf die Rhythm Section (die auch sonst zurückgenommen agiert). Klasse Vocals durchweg! Eine eindeutige Empfehlung. 

 

 

 




  Christian Kjellvander - Hold Your Love Still
 


Hold Your Love Still

CD und LP

23er. Ich habe ihn seit recht vielen Jahren nicht mehr gehört (u.a., weil Kollege Christoph ihn immer besprochen hat), kenne nur ein paar ältere Platten von ihm - damals fand ich's gut, war aber nicht sonderlich begeistert. Jetzt klingt er merklich anders. Allerdings, wie ich bei einem "Vergleichshören" der letzten Platten feststellen konnte, nicht sonderlich weit weg vom Vorgänger (von 2020), vor allem nicht von "Doom Country" (mit Tonbruket) aus dem gleichen Jahr. Okay, es gibt hier etwas weniger dazwischengeschossenes Störfeuer als bei denen (doch mehr als bei den Alben davor). Und auf jeden Fall weniger Roots-Elemente (z.B. Country) als beim Frühwerk, bzw. "versteckter" . Im Grunde wirkt seine Musik nunmehr in gewissem Sinne konsequenter, und (noch) wirkungsvoller. Eine oft wehmütige/melancholische Aura ist geblieben, aber auf eine etwas ungewöhnliche/spezifische/eigene, teilweise ansatzweise irgendwie "getriebene" Art. Und die jeweiligen Stimmungen finde ich immer wieder absolut faszinierend! Was früher nicht der Fall war. Akustische Gitarren (elektrische nur zur Hälfte, evt. weitere Saiteninstrumente), Streicher (bzw. Cello), Piano (plus weitere Tasten) dominieren den Sound (ab und zu ergänzen Backing Vocals oder ein kleiner Chor), ein Teil der Begleitung ist ziemlich weit nach hinten gemischt (nicht die Gitarren), der typische Bariton-Gesang trägt alles, Stil-Zuschreibungen fallen unbestimmt/verschwommen aus, das Gesamtbild ist ein dunkles (bis gar düsteres), einige Arrangements empfinde ich als schlicht großartig. Sporadisch blitzen sehr entfernte Erinnerungen an Chris Isaak (in freilich weitaus dunkler) oder Lee Hazlewood auf, etwas deutlicher an aktuelleren Nick Cave oder Scott Walker (quasi in der Übergangsphase in den späteren 70ern zu seinem abgefahrenen späteren Werk, noch ohne die ausgeprägte experimentelle Seite), vielleicht ein Hauch Cohen. (Halb-) Balladen bilden den Großteil der Musik, mal ein bisschen schwebend, mal mehrfach an- und abschwellend, mal eine Prise Drama, ein paar Mal harmonisch recht gewagt (einmal schon dezent noisig), phasenweise zart, sehr schleppend, schwer und geradlinig, kurz beinahe bedrohlich. Rockelemente werden gelegentlich/kurzzeitig und sparsam einbezogen, in einem Fall stärker (samt angezogenem Tempo). Die meisten Tracks haben Zeit, die Atmosphäre zu entwickeln, laufen 5-9 Minuten. Sehr besonders, klare Empfehlung!

 

 

 




  Beirut- Hadsel
 


Hadsel

CD und LP

23er. Nach längerer Pause ist Zach Condon zurück, diesmal machte er alles im Alleingang, spielen, singen, aufnehmen...und schleppen, nämlich das Aufnahme-Equipment in eine ganz weit nördlich in Norwegen gelegene ländliche Kirche, deren spezielle Orgel er benutzen durfte (eigentlich war er in diesem Landstrich nur, um in Ruhe zur Besinnung zu kommen). Diese Kirchenorgel ist denn auch in vielen Stücken (mit) soundbestimmend (ein Novum für ihn soweit ich weiß), zusammen mit seiner Trompete (teils multipliziert), seiner in sich ruhenden phasenweise wunderbaren klassisch schönen Stimme (immer wieder vorzüglich mehrstimmig arrangiert, mehrfach als Backing Chor - klasse!), differenzierter gelegentlich fast filigraner Percussion (wahlweise eine simple Rhythm Box), auf die er ab und zu verzichtet, sowie partiell analogem Synthie, erstaunlich oft Ukulele, manchmal Waldhorn (statt oder zusätzlich zur Trompete). Heraus kommen ein ums andere Mal sehr spezielle und wirklich beeindruckende Klanglandschaften von hohem Reiz, die ich in dieser Form und Gesamtheit noch nie von ihm gehört habe (Teile davon schon), ich weiß auch nicht, ob ich die Musik noch als "Pop" irgendeiner Art bezeichnen soll - "Indie Pop" passt jedenfalls keinesfalls, Folk- oder eine ziemlich ungewöhnliche Art von Ethno Pop bei ein paar Stücken wenigstens ansatzweise. Die Orgel agiert variabel, von relativ rauen kraftvollen fast riffenden Akkorden bis zu vielen langanhaltenden Tönen/Klängen, wobei die häufig getragene Form (wie auch selbige vom Gesang und teils den Bläsern) mehrfach im klaren Kontrast zur Rhythmik steht. Der Charakter vieler Songs bewegt sich irgendwo zwischen erhaben, erhebend und ansatzweise feierlich, anderswo entwickeln sich ein entspannter weicher Fluß, hypnotische Rhythmisierungen (die auch mal etwas Tribal-artig ausfallen oder leicht polyrhythmisch, zweimal inklusive einem leichten Latin-Touch), gar stoische bis dezent halluzinogene Sounds, zwischendurch sporadisch tauchen agile hüpfende Passagen oder zunehmender Elektronikeinsatz auf. Mittendrin ein pures getragenes irgendwie majestätisches Orgel-Stück. Ach ja: Ab und zu erinnert mich seine Stimme (keinesfalls die Musik) an Rufus Wainwright. Absolut zu empfehlen!

 

 

 




  Black Pumas - Chronicles Of A Diamond
 


Chronicles of a Diamond

CD und LP

23er und zweite LP der musikalischen wie verkaufstechnischen Überflieger aus Austin um Singer-Songwriter extraordinär Eric Burton (schon seine Stimme ist besonders, gern kurz hochsteigend oder gleich im Falsett, und zwar für Momente teils auch irgendwie aggressiver als bei vergleichbarer Musik üblich, ansonsten zwischen rau und einfühlsam/gefülvoll pendelnd). Die Arrangement-Ideen strotzen vor ungewöhnlichen bis überraschenden Ideen (und atmen so eine Prise Freigeist, sind partiell/nur phasenweise ganz schön süffig/opulent), ihre Art von Soul (und Funk) mag gern in alten Zeiten wurzeln (vor allem den frühen 70ern), beinhaltet aber auch (gemäßigt) "modernere" Elemente bzw. gewisse Wagnisse, manchmal unter Einbeziehung von Hip Hop-Einfluss (Rhythmik) oder Psychedelia (zwei, drei Mal, teils nur kurz), sogar Jazz (unterschwellig eher, selten, und mit geringem Anteil, in Form von Piano-Tupfern z.B.) in einem Fall gesanglich (hmm, sowas wie das Soul-Äquivalent von Talking Blues?). Richtig respektive komplett retro wirkt jedenfalls kaum etwas, immer wieder werden tradierte Spielweisen/Sounds aufgebrochen/durchbrochen, mal minimal, mal stärker. Heraus kommt ein definitiv eigenes Ding, freilich fast immer von den alten Heroen inspiriert. Das atmet dann mehrfach den Geist von Curtis Mayfield (mal als eine Psychedelic Soul-Ballade, mal als tanzender 70s-Funk inklusive kurzer schroffer Querschüsse, mal vermischt mit Marvin Gaye-Anleihen in allerdings jeweils deutlich modifiziert und versehen mit Widerhaken sowie der erwähnten Hip-Hop-artigen Rhythmik), geht in Richtung leicht rockender R'n'B mit kräftigem Analog-Synthie (der Song musste freilich nicht sein) oder einem Soul-Funk-Mix mit schroffer Rock-Gitarre und modernisiertem Rhythmus und Synth-Solo (sehr agil!), klingt besonders brillant und z.T. kontrastierend arrangiert (punktierend, nackt bis voluminös, mit geilen Fuzz-Einlagen bei ansonsten akustischem Gitarreneinsatz, klasse Backing Vocals und Groove, treibend). Weitere Balladen überraschen am Ende mit Gospel-Elementen, pendeln zwischen filigran und süffig mitsamt Keyboard-Schleiern und Psyche-Gitarren, verweigern sich klarer stilistischer Zuschreibungen (in bestechender oft supersanfter Atmosphäre, dominiert von akustischer Gitarre jedoch unterbrochen von einer superben E-Guitar-Einlage, die ein wenig an die Beatles denken lässt). Erst das abschließende "Rock And Roll" ist eben das nicht und enttäuscht leicht (der zweite Ausfall, okay). Koryphäe Shawn Everett mixte (fabelhaft), verwendet werden auch Orgel, Mellotron, Streicher, E-Piano, "normale" Keyboards, ein kleiner Chor, (wenig) Bläser. Klare Empfehlung!

 

 

 




  Kraan - Zoup
 


Zoup

CD und LP (ab 19.01.2024)

23er. Die Kernbesetzung besteht wie seit über 50 Jahren aus Hattler, Fride und Wolbrandt, bei der CD (die 3 Bonustracks aufweist) kommen bei je einem Stück Johannes Papperts Saxofon dazu (der ab 1971 für einige Jahre dabei war) sowie Ingo Bischof (seit 1975 immer wieder ein- und ausgestiegen) - das Stück muss also schon einige Jahre alt sein, er ist ja 2019 verstorben. Keyboarder Martin Kasper ist ziemlich regelmäßig (wenn auch nicht immer, bzw. teils nur punktuell) dabei. Ich habe keinen Vergleichsmaßstab, wie dieses neue Werk im Vergleich zu ihren Platten seit den 80ern ausfällt, weil ich den Weg der Gruppe nach den 70s nicht mehr verfolgt habe. Also, ganz wertfrei: Eine oft ausgesprochen melodiöse Gitarre, wechselnde Kombinationen aus Rock, Funk und Fusion, Grooves mal mit Tempo, Rasanz und/oder Drive, mal relativ gebremst/mid-tempo, langsame Tempi gibt's nicht, gelegentlich recht locker/etwas tanzend, ab und zu leicht nervös wirkend, was jedoch u.a. durch den Gesang wieder ausgeglichen wird - Letzteren setzen sie zweimal ein, wobei auffällt, dass die Keyboards dort kaum eine Rolle spielen, Fusion- und Funk-Einflüsse ebenfalls nicht. Die Tasten machen sich aber auch in anderen Tracks eher rar, heißt: Sie fehlen oder werden nur für (z.B. typische 70er-Synth-) Soli auffällig. Klassische 70s-Musik, immer noch, keine Überraschungen, exzellentes Spielvermögen.

 


 

 




  Rolling Stones - Hackney Diamonds
 


Hackney Diamonds (Digipak)

CD und LP

23er. Okay, 18 Jahre ohne ein neues Album mit den eigenen Songs sind eine sehr lange Zeit, "historisch" ist hier trotzdem kaum etwas. Aber es endet ein bisschen so...Es schließt sich der Kreis gewissermaßen. Ein Riff-Rocker bekannter Machart startet das Werk, mit (gutem) Pop-artigen Refrain - Einschub: Letzteres wiederholt sich mehrfach, doch dieser Pop-Input tut der Platte manchmal/zumindest partiell ganz gut. Gleich der folgende Song steigert das noch, fast die gesamte Melodieführung enthält Pop-Elemente, über groovig-rockendem Backing. Die erste (von 4) Balladen folgt, ich kann ihr nichts abgewinnen. Das ändert sich später, wenn z.B. im teilakustischen rootsigen Dreaming Skies (mit feiner Slide und Harmonica) die frühen 70er der Band angenehm ein bisschen in Erinnerung gerufen werden, mehr noch im mit Abstand längsten und songwriterisch besten Stück, Sweet Sounds Of Heaven; das beinhaltet Gospel- Soul- und Blues-Elemente, steigert sich zu enormer Opulenz (mitsamt einer gesanglich auffälligen Lady Gaga, die hier neben Stevie Wonder an den Tasten gastiert), bevor es irgendwann stark reduziert weitergeht - exquisit! (Ballade Nr. 4 gehört für mich wieder zu den Schwachpunkten). Ein weiteres Highlight featuret Paul McCartney (der ein sehr kurzes aber schön rohes Solo bekommt), ein geradliniger schneller ziemlich vorzüglicher Rock'n'Roller; weitere straighte Rocker weisen wieder mehr Pop-Einfluss auf, diesmal teilweise nicht so gelungen. Im Gegensatz zu einem voll überzeugenden treibenden bluesigen/Roots Rock-Track mit effektiver Piano-Begleitung von Elton John und Gast Bill Wyman. Zum Ende der oben genannte sich schließende Kreis: Ein Cover des namensgebenden Muddy Waters-Songs, hier "Rolling Stone Blues" genannt. Nur Jagger und Richards, nur Gesang (übrigens durchweg ohne Makel) und E-Gitarre plus etwas Harmonica, absolut purer Blues zwischen den (elektrifizierten) 20ern und den 50s. Richtig richtig gut! Ein Fazit mag jede/r selbst ziehen.

 

 

 

Sufjan Stevens - Javelin
Javelin

CD und LP

 23er, fast komplett von ihm multi-instrumental alleine eingespielt (Akustik-Gitarre, Piano und Keyboards vornehmlich, teilweise Streichersounds, sporadisch weitere Saiteninstrumente, eine Flöte, nur 1x E-Gitarre), ein Chor begleitet zuverlässig und effektvoll. Die Songs besitzen alle mehr oder weniger den gleichen Aufbau: Ein leiser/zarter/filigraner/reduzierter bis minimalistischer Beginn, ausgesprochen farbige und mehrschichtige bis opulente und gern auch ideenreiche Phasen folgen (in einem Fall ein geradezu pompöses Soundgewitter), um meist irgendwann wieder runterzufahren (gelegentlich gibt's ein mehrfaches aber relativ dezentes Rauf und Runter, die Intensivierungen erfolgen in verschiedensten Stufen). Hier und da atmen elektronisch-akustische Beats auf eher unaufdringliche Weise etwas zeitgenössischeren Geist. All das wirkt im Vergleich der einzelnen Stücke alles andere als gleichförmig. Stilistisch bewegt er sich zwischen Songwriter-Folk, Folk Pop und Songwriter-(Edel-) Pop mit Anspruch, einmal tauchen kurz sowas wie Tribal Beats auf, oder eine Spur Ambient-Einfluss, die für gewöhnlich enorme Melodiebetonung ist ein großes Plus, die partielle Intimität ein weiteres. Der letzte Song bricht das übliche Schema auf, bleibt ruhig und reduziert, Folk-lastig - und stammt denn auch nicht von ihm, sondern von Neil Young (There's A World von Harvest). Ein über weite Strecken entzückendes Album, gehaltvoll und songwriterisch edel! CD (LP auch?) enthält ein 48-Seiten-Booklet mit künstlerischen Arbeiten und 10 kurzen Essays, ebenfalls alles von ihm selbst geschaffen.

 

 

 




  Bruce Springsteen – Only The Strong Survive
 


Only the Strong Survive - Springsteen,Bruce: Amazon.de: Musik

CD und LP

22er. Sein zweites reines Cover-Album, wenn ich mich richtig erinnere. 15 Stücke fast ausschließlich aus dem Soul/R´n´B-Umfeld, grossteils aus den 60ern bis 1970 (Ausnahmen: Nightshift von den Commodores und When She Was My Girl von den Four Tops aus den 80ern, Soul Days von Dobie Gray von 2000). Tolle Songs, viele nicht übermäßig bekannt. Über weite Strecken sehr vollmundig angerichtet, generell mit Bläsern und/oder Streichern, gern auch Chöre bzw. satte Backing Vocals, plus Piano oder Orgel, Keyboards weniger, die E-Gitarre musikdienlich im Sound eingebettet, gelegentlich aber auch kurz auffällig werdend. Manches bleibt nahe am Original, anderes unterliegt (meist eher dezenten) Veränderungen, vor allem aber singt er mit sehr viel Herzblut, man hört, daß ihm diese Musik (immer schon, wie wir wissen) eine Menge bedeutet, und auch die Songauswahl passt. Zweimal gastiert die lebende Legende Sam Moore (von Sam And Dave). Balladen sind klar unterpräsentiert, Crooner-Stoff fehlt weitgehend. Einiges erinnert an Motown oder Stax resp. typischen Southern Soul (inklusive einer Classic Soul-Ballade), sporadisch agiert er mit einem gewissen Sturm und Drang oder lässt eine leichte Tendenz zum minimal angerockten R´n´B (respektive kontrollierter R´n´B-Power) erkennen, ab und zu kommen Pop-Elemente hinzu (bei eher Motown-orientierten Sachen, oder in einer funky Groove-Pop-Soul-Melange), nicht weniges erinnert stark an die späten 60er, „Nightshift“ läßt schon, zumindest partiell, an die Zeit des Originals denken (inklusive einem schön elastischen Groove), und „7 Rooms Of Gloom“ (einer von 2 Songs der Four Tops) sticht etwas heraus, weil es ausnahmsweise ein wenig, hmm, raffinierter klingt, überraschender, so in etwas Richtung Temptations ca. 1970. Neben den schon erwähnten werden Stücke gespielt, die von u.a. Jerry Butler (2x), Frank Wilson, William Bell (2x), Tyrone Davis, Supremes, Temptations, Ben E.King bekannt gemacht wurden. Und, als einziges stilistisch differierendes, The Sun Ain´t Gonna Shine Anymore der Walker Brothers (das mir allerdings, im Gegensatz zur Meinung anderer Kritiker, relativ „halbgar“ vorkommt). Bei aller Klasse des Materials und Springsteens Stimme, mit einigen der Arrangements werde ich nicht hundertprozentig warm, ich finde sie manchmal zu erwartbar, bis schon beinahe steril, was wohl vor allem an dem für meinen Geschmack zu häufigen Einsatz der Streicher liegt. Trotzdem gibt es hier einige vorzügliche Nummern!

 


 

 




  Neil Young – World Record
 


Neil Young: World Record (2 CDs) – jpc.de

CD und LP

Seine Produktivität ist zur Zeit wirklich enorm, schon wieder ein (richtig neues) Album, produziert von keinem Geringeren als Rick Rubin. So manches dreht sich um die ihm am Herzen liegende Thematik Umweltzerstörung/Klimawandel, auch Kriege kommen vor, bei aller Besorgtheit oft aber verbunden mit Liebe, Hoffnung, positivem Denken. Hier und da ein wenig hippie-esk/naiv vielleicht, doch dafür gibt es ja durchaus einen Grund; und wie er das vorträgt, ist berührend! Musikalisch schließt er einerseits mehr oder weniger an die 70er an, wenn er sich, ziemlich old-fashioned bis zeitlos, zwischen Folk und Rock (oder Pop) bewegt, mal in dezent beschwingterem melodischem rootsigem Rock-Umfeld, mal luftig-entspannt, oder auch ein bischen wehmütig, gern in gleichberechtigte Piano-E-Gitarre-Kombinationen eingebettet (oder, und nicht zum einzigen Mal, ohne Gitarre, dafür ein Akkordeon, das überraschenderweise mehrfach auftaucht; ein paar Mal zudem eine Harmonica), zum Teil ganz schön eingängig! Anderswo verbindet er nicht dominante Folk-Einflüsse ausgesprochen effektiv und attraktiv mit einer extra-schweren bis ultra-verzerrten (fuzzenden) Gitarre - sogar als Ballade, dort partiell klasse umhertaumelnd (großartiges Stück!), bzw. als bestechend rauh-schroffer Rock. Ein Highlight des Albums kommt herrlich roh und phasenweise noisig, parallel zeitweise eine Spur bluesig; toller Krach, jedoch nicht in gewohnt ausgedehnter Form – wenn auch mit 4 Minuten der zweitlängste Song; denn eine der Stärken der Platte ist die songbetonte konzentrierte, kompakte Form der Stücke. Mit einer freilich prachtvollen Ausnahme: Das 15-minütige Chevrolet, in klassischer epischer Crazy Horse-Gitarren-Tour-de-force-Tradition, phasenweise elegisches Flair, wunderbare Gitarrenmelodien und -Effekte, wie wir sie bei ihm lieben… Fabelhaft! Ach ja, ganz vergessen: Zum Gelingen tragen überraschend häufig kleine Chöre resp. Harmony Vocals und gelegentlich reizvolles Harmonium bei. Sehr schön. Insgesamt: Viel Gefühl, viel Herzblut, in größeren Teilen ganz exquisit, und ohne Ausfälle – schon wieder muss ich meine Sammlung vergrößern. Das Vinyl kommt im Klappcover und 3-seitig bespielt (Seite 4 ziert jeweils eine Radierung), die limitierte Version als clear vinyl (das gab´s bei ihm noch nie, oder?).

 

 

 




  Björk – Fossora
 


Fossora

CD und LP

5 Jahre nach dem famosen Vorgänger „Utopia“ jetzt ein doch stark gegensätzliches (und radikales) Werk, das nicht leicht zu verdauen ist. In den Kritiken ist viel von Techno die Rede – nun, zum einen tritt der nur in der rhythmischen Gestaltung auf, zum anderen relativ selten, und dann z.T. eher im Kontext artifiziell wirkend (nur 1x, für vielleicht anderthalb Minuten, nervend – und dominant größteils), und fällt dabei meist kaum als solcher auf. Fast das ganze Album ist experimentell ausgerichtet, auf allerdings höchst variable und partiell sogar geradezu irgendwie „vergnügliche“, jedenfalls unterhaltsame Weise. Offene Ohren, einen Sinn für freigeistige bis „schwierige“ Musik braucht es auf jeden Fall, um das richtig genießen zu können, manchmal geht es auch mir etwas zu weit, deutlich häufiger aber finde ich es absolut faszinierend! Und sehr spannend. Es gibt stark bis beinahe ausschließlich vokal-bestimmte Stücke, ob Verfremdungs-Avantgarde pur oder bestechendes mehrschichtiges ungemein reizvolles Zusammenwirken mehrerer (ihrer) Stimmen; recht düstere pochende E-Avantgarde, die mit ihren gegenläufigen jedoch sich wunderbar findenden Klängen und Melodien und rhythmisch weitgehend geradlinigen Reizen schon hypnotische Strahlkraft entwickelt (was für mehrere Tracks zutrifft!), in einem Fall durch leuchtende bis beschwingte Streicher noch verstärkt; verfremdeten Folk, der nichts mit herkömmlichen Traditionen zu tun hat und auf vielfältiger Basis einen seltsam faszinierenden Sog ausübt; zwischendurch wird´s noisig-atonal, für Momente verarbeitet ein Track Gamelan/Minimal Music-Einfluss, ein anderer hält die Rhythmik ausgesprochen komplex, teils im stop-and-go-Verfahren. Eines der Highlights verbindet Streicher, Glockenklänge, ihre Stimme und einen komplizierten Rhythmus zu einem phasenweise ziemlich hinreißenden neuartigen Klangerlebnis von bizarrer Schönheit, abseits aller denkbaren Vorbilder. Und zum Schluss begeistert mich wunderschöner geradezu (wenn auch auf eher unorthodoxe Weise) lieblicher dezent „außerweltlicher“ Pop ganz eigener Art. Instrumental verwendet sie neben den erwähnten Streichern ein (Bass-) Klarinetten-Sextet, einen Chor, Keyboards, Oboe und Flöte, Orgel. Das einzige, was ich generell zu bemängeln habe, ist, daß sie nicht gerade auf Melodienpracht setzt. Die meisten Vergleiche, die zu lesen waren, lassen sich eigentlich in die Tonne treten, bis auf vielleicht (ansatzweise/in den Grundzügen und natürlich nur punktuell) der späte Scott Walker, Laurie Anderson, vielleicht noch Diamanda Galas. Spezielle Empfehlung.

 

 

 




Sun Ra Arkestra – Living Sky        
 


Sun Ra Arkestra: Living Sky Album Review | Pitchfork

CD und LP

Wenn ich richtig gezählt habe, erst das 3. Studioalbum des Arkestra unter Leitung von Marshall Allen (seit 25 Jahren), alle anderen waren live. Meine Güte, der Mann ist jetzt 98!! Und wer ihn in den letzten Jahren live gesehen hat, kann über seine Physis nur staunen. Und erst über sein Altsax-Spiel! Musikalisch hat er die Gruppe zuletzt ganz allmählich und sehr behutsam verändert (auch und gerade live), in Teilen allerdings nur, das ist auch hier zu hören, ohne die Essenz im Geringsten anzutasten. 19 Musiker machen mit, darunter diverses Stammpersonal von früher, u.a. Michael Ray, Vincent Chancey, Cecil Brooks, Farrid Barron, Knoel Scott, Elson Nascimento, Tara Middleton (die sich diesmal jedoch auf Geige und Flöte beschränkt, nicht singt). 2 Stücke nur stammen noch von Sun Ra, 3 neue von Allen, los geht´s mit „Chopin“ (das der Meister gegen Ende seines Lebens sporadisch schon coverte, allerdings nie im Studio), basierend auf dessen Präludium in A-Dur (Opus 28) - entsprechend ungeheuer (und wundervoll!) melodisch, eine Art erweiterte Ballade, warm, weich, rhythmisch erstaunlich straight, weitgehend harmonisch, jedoch nicht ohne kurze freie Ausbrüche von Allens Sax, sowie unterschwellige harmonisch „verschobene“ Delikatessen. Ein exquisiter Start. Eine weitere „richtige“ Ballade gesellt sich am Ende hinzu, ebenfalls ein gern (und öfters) von Sun Ra gespieltes Cover, nämlich das uralte melodisch gleichfalls bestechende bis unsterbliche Wish Upon A Star (von 1940), im Kern völlig „altmodisch“, wie üblich natürlich auch hier von punktuellen Free-Einschüben gekapert, die aus dem melodischen Spiel so effektvoll hervorbrechen (und/oder in selbigem münden). Sehr schön! Dazwischen liegen: Das Highlight (unter lauter Highlights) schlechthin, „Marshall´s Groove“, teilweise spirituell geprägter von den 50ern und 60ern beeinflußter Jazz (plus eine Spur R´n´B), filigran und behutsam beginnend, immer mehr intensiviert, handfest swingend-groovend einerseits, durchzogen von einem dschungelhaften kommunikativen grandiosen vielköpfigen mit allen Freiheiten ausgestatteten Bläsergeflecht andererseits, das rhythmisch teils ganz eigenen Regeln folgt (zudem toll arrangiert ist), partiell in den 50ern gebildeten Traditionen folgt. An Mingus mußte ich denken, in angenehmster begeisternder Weise, 11 geniale Minuten! Außerdem: Klassischer alter Arkestra-Sound mit einem repetitiven Bariton-Sax-Riff über die volle Distanz, einem federnd-elegant-elastischen („Ethno“-) Groove, einem an- und abschwellenden von kollektiven Soli geprägten Bläser-Körper deluxe, einem spacy Synth-Solo vom Feinsten, hinzu kommen (wie z.T. auch anderswo) kurze kongeniale Geigen-Einwürfe. Ein weiterer großartiger Track kombiniert lautmalerische Vocals (zur melodischen Unterstützung, non-stop dasselbe Motiv) und einen gleichmäßigen relativ entspannten phasenweise beinahe hypnotischen rhythmischen Fluß samt dezentem afrikanischen Einschlag mit unerhört reicher Harmonik/Melodik, nicht ohne (diesmal aber verminderte, behutsamere, subtilere) obligatorische freie Elemente (die kommen v.a. vom superben Piano); klasse Bläserarrangements, köstliche Feinheiten im Hintergrund (wozu kurz auch eine Orgel gehört). Von ganz alten Zeiten (40er etc.) grundierter swingender Jazz, der von der Bläserphalanx harmonisch geweitet wird, erinnert wieder an das typische Arkestra zum Beispiel der 80er, natürlich ebenfalls von grellen Sax-Attacken immer wieder befeuert, das Piano schießt nur sporadisch aus seinem konventionellen Korsett quer. Schlußendlich wissen sie dann doch richtig zu überraschen: Eine ganze Zeit lang diktieren eine rauhe Kora (mit leichtem irgendwie ostasiatischen Anklängen) sowie eine herrliche Flöte den betont reduzierten Sound, unterstützt von etwas afrikanisch anmutender Percussion, später erscheinen sanfte Bläser im Backing, eine Geige und eine Spur Karibik gesellen sich hinzu, ganz langsam verdichtet sich das Klangbild mit Hilfe von Bläsern, aber alles immer noch eher relaxt… Fazit: Das Arkestra in großer Form, für mich unverzichtbar!

 

 

 




Tom Petty & The Heartbreakers – Live At The Fillmore (1997)   
 


Tom Petty & The Heartbreakers: LIVE AT THE FILLMORE (1997)

CD und LP

22er Release, unveröffentlicht, live aufgenommen während einer 4-wöchigen Konzertserie im Fillmore 1997. Wobei die Set-Liste ständig verändert wurde. Mit der Besonderheit, daß hier mehr Covers gespielt wurden als eigenes Material, quasi als Tribute an seine privaten Helden, die ihn früh beeinflußt haben (darunter jeweils mehrere Stücke von den Byrds, Dylan, J.J. Cale, Stones, sowie u.a. Ray Charles, Zombies, Bo Diddley, Little Richard, Kingsmen, Mick Ronson, Booker T, Kinks, Bill Withers, Everly Brothers). Die Band und Petty sind einfach in Hochform, rocken oft mächtig, spielen auch immer wieder puren Rock´n´Roll, vieles ist kompakt gehalten, manches etwas länger, gelegentlich ziemlich ausufernd. Und ein kleiner Block verzichtet ganz auf Drums (ganz oder teilweise akustisch). Für besonders gelungen halte ich Runnin Down A Dream, Chuck Berrys Around And Around, Call Me The Beeze und I´d Like To Love You Baby (beide J.J. Cale), Grateful Deads Friend Of The Devil, Listen To The Heart, I Won´t Back Down (runtergedimmt), It´s Good To Be King (ein Gitarrenfest über fast 12 Minuten), Wild One Forever, das akustische Traditional Little Maggie (unter Bluegrass-Einfluß) und Goldfinger (der James Bond-Theme-Song). Zudem, in der limitierten Deluxe-Version (weitere knappe 2 Stunden, die normale Fassung ist noch länger): Die Byrds-Songs Drug Store Truck Drivin Man, Eight Miles High, You Ain´t Going Nowhere (okay, eigentlich ein Dylan-Song) aus einem Block (It Won´t Be Wrong gehört noch dazu), bei dem Roger McGuinn gastiert, Crazy Mama (nochmal J.J. Cale), Honey Bee, Knockin On Heaven´s Door, der uralte Boogie County Farm (angestochen, über 7 Min.), das ebenso lange Boogie Chillen (Highlight eines Blocks mit Gast John Lee Hooker), You Wreck Me, Shakin All Over von Johnny Kidd, Johnny B. Goode. Die 3 Stones-Nummern kommen nicht so gut, finde ich. Mary Jane´s Last Dance und Van Morrisons/Thems Gloria erstrecken sich über 10/9 Minuten, weitere Prominenz mischt mit. Für alle, die das Geld übrig haben, lohnt sich auf jeden Fall auch die Deluxe-Version.

 

 

 




  Bill Callahan – Ytilaer
 


Ytilaer

CD und LP (ab 2023)

Viel besser als zuletzt, oder sagen wir, so gut wie längere Zeit nicht mehr – für mich, Stand jetzt, eines der Highlights seiner Karriere. Mal sehen, wie sich das Werk mit der Zeit im Kopf entwickelt. Die Songstrukturen und/oder die Ausgestaltung der Stücke sind zunächst nie wirklich konventionell, erdenkt sich immer etwas Besonderes aus. Ein paar Stücke würde ich Americana im weitesten Sinne nennen. Ob recht ruhig und phasenweise sanft angerockt (überhaupt spielt Rock ein paar Mal eine gewisse Rolle, ohne je zu dominieren oder offensiv zu werden) mit der Akustik-Gitarre als Anker/Basis (was im Laufe des Werks häufiger vorkommt), eine gezielt eingesetzte E-Gitarre agiert ganz vorzüglich (und ausgesprochen variabel), für Momente tauchen weit im Hintergrund himmlische Chöre auf, eine Bass-Klarinette punktiert sporadisch und wirkungsvoll – ein luftiger Sound, feinst-einfallsreiches Arrangement; oder in völlig relaxtem beinahe hypnotischem Fluss, der kurzzeitig ein bisschen ausbricht, die E-Gitarre diesmal leise und feinfühlig im Backing malend. Anderswo arbeitet er einerseits rhythmisch erheblich akzentuierter, damit auch etwas rockiger, für die E-Gitarre gilt Ähnliches wie zu Beginn, nun allerdings gegen Ende mündend in einer Art Space-Sturm, klasse; dem steht kurze Zeit später ein ganz zarter, ja nackter Songwriter-Folk-Track gegenüber, die Akustikgitarre bleibt über weite Strecken einziges Instrument, manchmal sehr schön verschnörkelt, die introvertierte Gangart zieht sich (fast) durch das ganze Stück. Ziemlich überraschend kommt eine Nummer, die teilweise wieder im konstanten Fluss gehalten ist, nunmehr jedoch schneller und angespannter, suggestiv und stetig intensiviert, nicht zu klassifizieren – neuzeitlicher Songwriter-Prog-Kraut-Rock?? Jedenfalls absolut originell und enorm faszinierend, viel Orgel (der Prog-Anteil), ein Hauch Jazz-Ahnungen und irgendwie Ethno-Folk? Multipel rootig, bedächtig balladesk geht´s weiter, anfangs jedenfalls, eher intelligent-rockig und dezent abgefahren wirkt die 2. Hälfte, punktuell auch hier (geringer) Jazzeinfluss. Apropos 2. Hälfte: Dort klingt er hier und da auch mal etwas bis halbwegs orthodoxer - z.B. kann man in einem Intro gar auf die Idee kommen, einem unbekannten Joni Mitchell-Stück zu lauschen (ca. Mitte der 70er), in ungewohnt straightem, flottem und relativ robustem Rahmen, oder er widmet sich zurückhaltendem Americana-Roots Rock (so ungefähr jedenfalls), wobei sich das Piano (das nicht allzu oft mit von der Partie ist), ohne sich in den Vordergrund zu drängen, für ein paar entzückende perlende Akzente sorgt (sporadisch „verrutscht“ bewusst und attraktiv die Harmonik). Auch ein filigraner ganz ruhiger bis leiser „offen“ gehaltener Folk-Song und der vor sich hin tuckernde etwas repetitive abschließende Track unter R´n´B-Einfluss der 60er/70er (ohne wirklich so zu klingen) atmen nicht unbedingt Extravaganz (und gefallen mir am wenigsten). Zwischendurch, und das gleich zweimal, musste ich an eine Band denken, mit der ich in diesem Kontext wirklich nicht gerechnet habe: Grateful Dead. Zunächst an die leisen, diffizilen, in einem zunächst in sich versunkenen Song, später allerdings gespickt mit ein paar offensiven Breaks und toll abenteuerlich endend. Im zweiten Fall gibt es Parallelen zu den abgedrehten ruhigen teil-spacigen Dead-Sachen, nachdem anfangs regelrecht kontemplativer Folk Pop nach und nach avantgardistisch ausfranst (inklusive Jazz-Spuren). Große Klasse, dieses Album, eine dringende Empfehlung.

 

 

 




 
Tim Buckley – Bear´s Sonic Journals: Merry-Go-Round At The Carousel 


Bear's Sonic Journals: Merry-go-round At The

nur CD

Unveröffentlichte großartige Live-Aufnahmen von 1968, schon im letzten Jahr erschienen, aber weitgehend unbeachtet, wie es scheint, es gab auch kaum Besprechungen. Ich hab´s ebenfalls nicht mitbekommen. Aus den Archiven von Legende „The Bear“ Owsley Stanley, zeitweise Toningenieur von Grateful Dead, aufgenommen bei 2 aufeinanderfolgenden Konzerten im Carousel Ballroom in San Francisco, der Sound ist absolut okay. Im Quartett mit Vibrafon (David Friedman), Buckley spielt, gern rhythmisch durchgeschlagen, 12-saitige Akustische, dazu Percussion und ein außerordentlicher, markanter Bass (der gelegentlich ein starkes Eigenleben entwickelt (bis auf Lee Underwood die Besetzung von Happy Sad, von dem Album sind denn auch 4 der 6 Songs vertreten). 13 Tracks auf 79 Minuten (also viele sehr lange Stücke), darunter 3 völlig unbekannte/nirgends sonst von ihm erhältliche (die Originale Blues, Love über knapp 11 treibende Minuten und The Lonely Live sowie das Fred Neil-Cover Merry-Go-Round), zum berühmten ebenfalls 1968 aufgenommenen Dream Letter-Live-Set (mit dem dieses Werk betreffend der Qualität und Wichtigkeit bereits verglichen wurde) gibt es nur 4 Überschneidungen. Auch Green Rocky Road (ansatzweise in Trance, klasse!) und Father´s Song wurden sonst nur 1 oder 2x mal von ihm veröffentlicht. Vornehmlich Folk bzw. jazziger Folk in seiner typischen unnachahmlichen ureigenen freigeistigen Art, ohne Grenzen (u.a. tauchen auch mal Blueselemente auf). Knapp die Hälfte der Stücke (in Anbetracht der Länge von gerade denen ein großer Teil des Albums) wird in hoher Intensität durchzogen von einer beträchtlichen rhythmischen Stringenz, einem feinen immanenten (non-plakativen) bis enormen Drive (was sich durchaus, in einem Fall, in eher reduziertem Tempo abspielen kann), unterbrochen von 4 leisen/langsamen/balladesken Songs von großer Ausdrucksstärke (beinahe ein bischen entrückt, kontemplativ; und die kürzesten Nummern hier), zwischendurch agiert die Gruppe in relativ entspanntem Flow oder dezent akzentuierter als sonst. Neben den erwähnten Songs spielen sie u.a. den Klassiker Buzzin Fly (2x vertreten), I Don´t Need It To Rain (mein persönlicher Favorit), Wayfaring Stranger, Happy Time, Strange Feeling. Sehr schönes Cover, 28-Seiten-Booklet, für mich unverzichtbar, eine große Empfehlung.

 

 

 




 
Jeremiah Johnson – Hi-Fi Drive By 


Hi-Fi Drive By

CD oder LP 

2022er des Blues-Musikers aus St. Louis, der Vorgänger stand in den US-Billboard-Blues-Charts auf Platz 1. Seine vorzügliche Gitarre agiert des Öfteren durchaus Rock-bewußt, aber Blues Rock im gewöhnlichen Sinne spielt er nicht (mit ein, zwei Ausnahmen). Sondern sehr traditionsbewußten R´n´B, beseelt von eben dieser tollen Gitarre, mal schön stechend, mal immer wieder verzerrt hochgepitcht (und etwas funky), teils inklusive besonders emotionalem Sax (Bläser gehören eh durchgängig zum Inventar), und old-fashioned groovend – wobei früher Albert King zumindest Pate steht. Oder Southern R´n´B bzw. Blues, zeitlos, saftig und exzellent, mit und ohne einer gewissen Portion Rock-Feeling, Glanzpunkte setzen hier eine superbe Slide, dort das perfekte Zusammenwirken von Harmonica, Gitarre und Bläsern. Anderswo bezieht er sich recht deutlich auf die 70er Jahre, besonders der frühen, ob dezent soulig, R´n´B in Rock, oder bis auf die angestochene Gitarre relativ relaxt. Famoser Proto-Rock´n´Roll mit feinsten Features von Piano (Gast Victor Wainwright) und Gitarre (authentisch und mitreißend) kommt hinzu, sowie, ebenfalls von den 50ern inspiriert (aber auch den späten 60ern), stampfender rockender R´n´B. Ganz zum Schluß geht´s in Richtung eines Rhythmus-Festes mit Latin/Kuba-Input. Es produzierte (und spielte) übrigens Paul Niehaus, über lange Zeit bei Lambchop und Calexico (und gern gesehener Gast bei Iron & Wine). Weitgehend ausgezeichnet (auf Ruf Records).

 

 

 




 
Lambchop – The Bible


Police Dog Blues

CD oder LP 

Uff, man ist ja von Kurt Wagner gelegentliche handfeste Überraschungen gewöhnt, aber die Bandbreite, die er hier in einigen Songs präsentiert, überrascht nun wirklich. Auf der anderen Seite erklingt eine deutliche Mehrheit der Musik in relativ homogener Stimmungslage, nämlich melancholisch/traurig/wehmütig, balladesk gehalten, teils mächtig langsam. Ohne eine andere Seite von ihm zu vernachlässigen, wenn z.B. moderner Electro-Pop auf funky Disco-Derivate und aktuellere Beats trifft, spät schleicht sich eine bluesig-rockige Gitarre ein. Oder wenn sich zappelig-nervös-agile Beats mit angejazzten auch hier ein bisschen balladesken Piano-Tropfen/Akkorden vermählen sowie souligem weiblichem Gesang, und extrovertierten Bläsern – alles freilich nur zeitweilig, jedenfalls ein unorthodoxe Mischung. Woanders gesellt sich ein Funk-Bass zu wiederum weiblichem Soul-geprägtem Gesang (ein bisschen Gospel auch), seiner eigenen gewohnten Stimme, beweglichen Bläsern, kurz einer heavy verzerrten Rock-Gitarre und zeitgemäßer Rhythmik, mittels derer das zwischenzeitlich schleppende Tempo angezogen wird (auch das ist natürlich ein ziemlich wilder Mix). Der Rest ist, wie gesagt, Balladen-geprägt und gerne zudem melancholisch, ob eine zeitlos-alte Songwriter-Piano-Ballade ein wenig an Randy Newman erinnert, ein anderes Stück irgendwie an gewisse ruhige Laurie Anderson-Sachen; ob uralte Pop-Einflüsse sich mit punktuellen Klassik-Spritzern paaren UND zeitgenössischem Songwriter-Pop, ein weiteres tropfendes Piano neben schwelgenden Keyboards und Streichern steht; oder Country-Bestandteile auftauchen, die nicht so richtig Country sind (in sehr zurückhaltender Form), kurz darauf gefolgt von einem Track, der nicht nach Country klingt, aber im Kern recht viel Country enthält (dieses Mal vielschichtig volltönend). Verbleiben noch 2 Songs, die tief in sich versunken wirken, beinahe in Zeitlupe vorgetragen, ganz sparsam arrangiert. Mehrfach benutzt Wagner für seine Stimme Vocoder/Autotune, mehrfach gehört eine Art Electronica zum stilistischen Instrumentarium, die Vergangenheit trifft auf die Gegenwart. Der Gehalt der Musik ist nicht selten ausgesprochen hoch, nicht neu natürlich, die Grundstimmungen und Stil-Konglomerate muss man allerdings mögen.

 

 

 




 
The Comet Is Coming – Hyper-Dimensional Expansion Beam


Hyper-Dimensional Expansion Beam [Vinyl LP]

CD oder LP 

Das neue Werk der Londoner Jazz-Innovatoren um Koryphäe Shabaka Hutchings (siehe auch Shabaka & The Ancestors und Sons Of Kemet). Electro-Groove/Beat/Funk-Jazz in höchst modern, fast ohne jedes 70er-Flair, sonst gerne genommen bei Stilmixen dieser Art. Wobei die Rhythmik zeitgenössisch ausfällt (und über weiteste Strecken präsent), bevorzugt etwas komplexere Beats generiert (ohne auf straighte Formen zu verzichten), teils „progressivem“ Dancefloor zugetan. Das Trio besteht aus Drums, Synthies (in allen erdenklichen Klangfarben) und einem Sax, das oft repetitive Motive verwendet (gern auch längere), ihre Stücke sind jazz-untypisch relativ kurz gehalten (nur eines überschreitet die 5 Minuten) und ziemlich konzentriert/komprimiert gestaltet – aber das, was sie spielen, hat mit herkömmlichem Jazz ja auch nicht mehr viel zu tun. Spezifika der einzelnen Tracks sind zum Beispiel: Stakkato-Sax und eine leise Ahnung von Space und Orient; starke Elektronik-Betonung einerseits, ein für kurze Phasen sehr emotionales (bis annähernd spirituelles) Sax andererseits, und ein angenehm abenteuerlicher Geist samt vertrackterer Beats; noch massiverer Elektronikeinsatz, ein wenig Space, in einem Fall die Rhythmik im variierten Fluß (Club-Beats), in einem anderen recht klar technoid, der Jazzanteil zurückgefahren und leichtes 90er-Feeling; auf der einen Seite sehr schön atmosphärisch (Synth wie Sax), allerdings unterlegt von nervösen/agilen zeitgemäßen Breakbeats bei einem anderen Track eher apart federnd-groovend und melodisch ungewohnt reizvoll (und hier mal doch 70er-Einfluß); ein extrem intensives Sax wird begleitet von einer gewissen Drum´n´Bass-Tendenz, in recht starkem Kontrast zur schleppend-spacigen Gangart im Stück davor. Und 2 Nummern fallen enorm aus dem Rahmen: Der besagte einzige etwas längere Track, faszinierend flächig-frei-spirituell auf neuartige Weise zunächst, irgendwann repetitiv in outer space, doch rhythmisch geerdet, später dominiert dann wieder ein tolles emotionales deepes phasenweise fei ausfransendes Sax. Klasse! Noch überraschender erinnern sie direkt im Anschluss tatsächlich dezent an die Tangerine Dream der 2. Hälfte der 70er, inklusive Sequencern (und eine feine Flöte!). Ich bin sehr gespannt, wie sich dieses Trio weiterentwickelt…

 

 

 




 
Buddy Guy – The Blues Don´t Lie


Gesponserte Anzeige – The Blues Don't Lie

CD oder LP 

Der Mann ist 86, seine Stimme funktioniert immer noch, und die Gitarre erst recht, fabelhaft phasenweise! I let my guitar do the talking heißt denn auch treffend der Opener. Um das Spektrum grob zu umreißen, einige Beispiele: Relaxter R´n´B zwischen den Zeiten, einmal mit tendenziell gefühl- und effektvollen Statements der Gitarre, einmal relativ filigran inklusive Rückgriffen auf circa 1960. Klassischer Slow Blues, die Gitarre verzögert manchmal wunderbar und besticht schon durch ihren Sound, Gefühl und Schärfe vereinend (was auch auf andere Tracks zutrifft). Saftiger kraftvoller intensiver wie fast immer hier traditionsbewußter Blues, aber nicht wirklich rückwärtsgewandt, die superbe Gitarre feinstens mit ziemlich scharfen Bläsern (die zweimal eingesetzt werden) korrelierend, sich umrankend/umschlingend/verstärkend. Mehrfach rockender Blues, in einem Fall bestimmten Hendrix-Stücken nicht so unähnlich, 2 brillante dezent schneidend-wilde Guitar-Features. Fetter wie schlankerer funky Blues, marschierend und packend wie vor 50 Jahren oder akzentuierter. Einige 50s/Chicago Blues-inspirierte Nummern, teilweise typisch schleppend. Und zum Abschluß purer akustischer Delta/Folk Blues mit Seele (solo). Einzig 2 zeit- wie eher gesichtslose Balladen hätte es nicht gebraucht. Es gastieren als Duett-Partner Mavis Staples (stark!), Jason Isbell (dito), James Taylor, Wendy Moten, Elvis Costello (stimmliche Ergänzung), Bobby Rush. Ein richtig gutes Album.

 

 

 




 
Makaya McCraven – In These Times


In These Times

CD oder LP 

Dass er kein genuiner/reiner Jazz-Musiker (mehr) ist, ist mittlerweile eh bekannt, nicht nur wegen seiner Vorliebe für modernste Technik und den Konzepten dahinter, dem Sampling, den radikalen Remixen, dem Faible, unabhängig vom Ursprung alles Mögliche neu zusammenzusetzen/neu zu schneiden. Universal Being war fantastisch, Deciphering… ebenfalls exzellent, manches fand ich nicht so überzeugend. Hier treibt er es eigentlich noch weiter. Die zu Grunde liegenden Aufnahmen (im Studio oder live) zogen sich über viele Jahre (13 oder 14 Musiker waren beteiligt), die einzelnen völlig neu entstandenen Stücke haben im Ergebnis damit nichts mehr zu tun. Die Musik ist dermaßen vielschichtig, oft komplex (was z.B. die ganz erstaunlichen teils beglückenden bis geradezu lustvoll wirkenden Arrangements betrifft, sowie die manchmal verblüffenden Stil-Kombinationen, Sounds, Rhythmen), und klingt dennoch gar nicht verkopft, läßt sich spielend leicht „konsumieren“ und macht eine Menge Spaß. Allein die häufige Verwendung von Streichern und/oder Harfen kommt überraschend, ist enorm geschickt platziert, und genauso wirkungsvoll. Das alles hört sich zum Beispiel ungefähr so an: Broken Beats und tricky Verschiebungen in intelligenten verzögerten Grooves mit ungeraden Metren treffen auf extrem repetitive kreiselnde Motive mit (u.a.!) auch Jazz-Bezug – irgendwie auf seltsame und reizvolle Art faszinierend hypnotisch und ein bischen kontemplativ, zugleich neuartig und innovativ. Zeitgemäßer/moderner fließender World-Groove-Jazz mit Hip Hop-Ahnungen außerhalb aller gewohnten/gewöhnlichen Schemata. Ein absolut friedvolles völlig ruhiges und melodisches Ambiente mit Harfen-Kaskaden im Zentrum und minimalen Folk- und Eastern-Spuren. Ansteckende satte Grooves, hell und freundlich, beinhalten wie einige Klänge Einflüsse aus aller Welt – von Brasilien und Mittelamerika bis Fernost. Kurzzeitige Minimal Music- und Ambient-Verweise vereinigen sich mit spoken-word-Einlagen, langsamen Trance-Beats im Wechsel mit nervöser Rhythmik, einem brillanten hoch emotionalen mittel-langen Sax-Feature (das bis in Free Jazz-Bereiche hineingeht), leisen Soulelementen, geringen Afrika-Hinweisen (sehr kurzzeitig) und vertrackter spannender Polyrhythmik; dazu breitet sich ein farbensprühendes zeitweise überwältigendes Klanguniversum aus (das einzige lange Stück). 70s-Jazz (z.B. ein Hauch John McLaughlin), Blues, spirituelles Flair und vieles mehr in undefinierbarer Verquickung. Ein völlig entspannter Fluß, repetitives Melodiensampling (Sax) und leichtfüßige Schönheit in inniger Umarmung… Und das ist noch nicht alles. Ein kleines Wunderwerk alles in allem, das zwar Stücke enthält, die mich nicht ganz zufriedenstellen (aber dafür woanders viel Anklang fanden), aber eben auch eine Menge schon fast einzigartige Highlights. Ach ja: Neben den schon angesprochenen Instrumenten wirken u.a. noch E-Gitarre, Trompete, Vibrafon, Kalimba und Marimba, Flöte, Keyboards/Synthie, (E-) Piano, Orgel, Sitar mit. Starker Bass in diversen Stücken!

 

 

 




 


Lee Fields – Sentimental Fool eventuell On The Decks

Sentimental Fool

CD oder LP 

Einer der seit vielen Jahren besten traditionell orientierten Soulmusiker (wobei der einige Zeit dominante Funk-Input hier nicht so auffällig vertreten ist), er ist ja bereits seit 1967 aktiv (wenngleich sein Bekanntheitsgrad, abgesehen von diversen schon seit eh und je begeisterten Insidern, ja erst im Laufe der letzten 20 Jahre beständig anstieg, bis in die 90er veröffentlichte er fast ausschließlich Singles). Vollkommen klassischer Soul, beeinflusst von z.B. Otis, Stax, allgemein Southern Soul, James Brown-Balladen der 60er, wurzelnd gerne in den späten, aber auch früheren 60ern, ganz vorzüglich gesungen voller großer Gefühle, auch instrumental im alten Stil (Bläser fast durchgehend, Gitarre, Orgel, die ab und an ein kleines bisschen Eigenleben entwickeln darf, omnipräsent, 2x zudem absolut grandios eingearbeitete Streicher, punktuell zusätzliches Piano – ansonsten: Strikt und in feinster Form musikdienlich), plus die genretypischen Backing/Harmony-Vocals, die manchmal stärker in den Vordergrund treten. Gelegentlich wird´s dann doch unaufdringlich funky, generell ist jedoch der Balladenanteil außerordentlich hoch, inklusive einer gewissen Portion Dramatik (die sich genauso in einigen Arrangements bemerkbar macht). Mehrmals integriert er ein gewisses bluesiges Feeling, oder geht in Richtung tradierten R´n´B, besonders kontrastreiche Tracks changieren zwischen extrasanft/reduziert und volltönend (superb), anderswo agiert er (mehrfach, gemäßigt uptempo) rhythmisch sehr schön aufgelockert „tanzend“-groovend bis irgendwie „twistend“, sogar Motown-Anklänge tauchen kurz auf. Ausgesprochen guter Stoff durchweg, voller Wärme und Qualität, ich kenne nicht Besseres von ihm, eine dicke fette Empfehlung

 

 

 




 

Pixies – Doggerel

Gesponserte Anzeige – Doggerel (Deluxe)

CD oder LP 

Das letzte Album kenne ich nicht, gegenüber den ersten beiden Comeback-LPs jedenfalls gibt es signifikante Unterschiede, zu ihren alten Meisterwerken ebenfalls. Klar sind ab und zu deutliche Parallelen zu letzteren hörbar (dann jedoch bevorzugen sie die poppigste Gangart von damals, und weitgehend ohne die massiven laut-leise-Kontraste), aber schon die Instrumentierung macht den Wandel deutlich: Bei über der Hälfte der Stücke werden akustische Gitarren partiell den elektrischen zur Seite gestellt, bei einem Drittel tauchen Keyboards/Synthies auf. Nicht, dass die dominant wären, trotzdem… Sie bauen plötzliche Stil- und Tempo-Brüche mitten im Song ein (in einem Fall: Aus Post Punk-Nähe wird beinahe schon Power Pop, wobei beide Teile mit feiner Melodik glänzen, einmal die Vocals, einmal die Gitarren; im anderen kombinieren sie Anklänge an die Who mit hartem dynamischem Rock, abermals Post Punk, eher Pop-bezogene Melodien und ruhigen atmosphärischen Klängen), klingen hier konventioneller als gewohnt (mehrfach, u.a. in Form von leicht gebremstem Rock bzw. old-fashioned Melodic Rock, mal handfest, mal relativ entspannt in Richtung Pop Rock), weisen dort (zwei Mal, wenn auch jeweils nur phasenweise und nicht in massiver Weise) gar eine Tendenz zum Folk Rock auf (im Kontext von 70s-Rock oder in den eingeschobenen ruhigen Parts, begleitet von Pop-Anklängen im Refrain). „Klassischer“ Indie Rock kommt hinzu (melodiereich auf 2 Ebenen, siehe oben), sowie temporäre Annäherungen an College Rock ca. 1990, zwischendurch von schön elegischen Gitarrenmomenten gewürzt. Insgesamt: Mehr Melodie als zuvor, mehr Abwechslung, einige Tracks entfernen sich doch recht weit von ihren üblichen Sounds. Was nicht zwangsläufig schlecht ist… Deluxe-CD im Hardcover-Book.

 

 

 




 

Anoushka Shankar & Metropole Orkest & Manu Delago – Between Us…

Gesponserte Anzeige – Between Us...(Feat. Delago,Manu)

CD oder LP 

2022er der Tochter von Ravi Shankar, diesmal mit einem Streichorchester unter Leitung von Jules Buckley (der neben seiner Aufgabe beim BBC Symphony Orchestra u.a. mit John Cale, Tori Amos, Laura Marling, Massive Attack arbeitete, auch mit Jazzern) sowie Manu Delago (Hang und Percussion, der war z.B. für Björk, Cinematic Orchestra aktiv). Rhythmik, Melodik, Instrumentierung sind definitiv nicht klassisch indisch ausgerichtet, Elemente davon sind aber natürlich überall zu hören. Das Ergebnis: Beispielsweise ein kontemplativer Fluss mit sanft an- und abschwellendem Orchester, das melodisch mit der Sitar korrespondiert, ehe zur Hälfte ziemlich abrupt das Tempo und v.a. die Dynamik aller Beteiligter enorm hochgefahren wird, samt intensivierender Wiederholungen, die in ihrer Art eher westlich anmuten. Oder: Sitar und Orchester durchdringen sich ganz organisch, zeitweise übernimmt das Orchester die Führung, akzentuiert zwischendurch auch rhythmisch, die teils wunderbare Melodik ist partiell deutlich westlich (und etwas repetitiv) orientiert, wechselt dann zur indischen Seite. Die Dynamik-Kontraste tauchen ebenfalls auf, allerdings nur sehr punktuell, Dichte und Lautstärke variieren massiv. Im Verlauf des Albums forcieren sie, klingen extrem agil und abwechslungsreich, rhythmisch stark/stark rhythmisch, samt einer großen Portion Power, Drive und Dramatik, die Streicher arbeiten mal kontrastierend und außerordentlich wuchtig, mal unisono, oder in Doppelfunktion. Ähnliches gilt für ein weiteres Stück, wobei sogar Geigen-Solostimmen eingesetzt werden, quasi in dynamisch improvisierendem Duett mit der Sitar, phasenweise in Call-Response-Form. Call-Response- und Unisono-Passagenwerden danach noch weiter gesteigert, heftig, rasant bis regelrecht stürmisch und (sowieso) virtuos, allerdings sind hier Streichergruppen beteiligt, keine Solo-Geige. Zum Abschluß wird´s romantisch und feinfühlig, mittendrin symphonisch anschwellend. Ich habe ein bischen gebraucht, um mich „einzugrooven“, die Form, die kulturelle Verschmelzung richtig zu erfassen, wem das gelingt, steht erfüllende Musik offen!

 

 

 




 

Loudon Wainwright III – Lifetime Achievement

Lifetime Achievement

CD oder LP 

Von den letzten 30 Alben habe ich seine neusten Werke nicht mehr regelmäßig gehört, kenne also längst nicht alles. Aber das hier hat mich zu meiner eigenen Überraschung ziemlich gepackt und mächtig angesprochen, wie schon lange kein Werk von ihm mehr. Reichlich Folk verschiedener Art, egal, ob lebhaft und beinahe angestochen im Stil alter Protestsongs verfaßt (respektive frühem Dylan verwandt, mit Gitarre und Harmonica), typisch sarkastisch (oder wenigstens ironisch) teils nur von Akustikgitarre begleitet, etwas versöhnlicher bzw. gar recht poetisch/sanft und einfühlsam (u.a. mehrere Saiten, sehr schön), sogar a capella (solo mit einem Hauch Irland oder mehrstimmig)… Daneben 3x irgendwo zwischen Folk und Country, nachdenklich (mit Banjo, Mandoline und Akustikgitarre), phasenweise fast sentimental (und immens ausdrucksvoll! Mit Pedal Steel, Piano und Streichern) oder relativ „nackt“ (mit Banjo und Fiddle, ausgesprochen berührend!). Schließlich 2 Stücke mit voller Rhythm Section, als saftiger vollmundiger multipler Southern Roots Rock (samt Bläsern, Orgel, E-Gitarre, E-Piano und mehr) sowie ein beschwingter old-timey-Country-Song (inklusive diversen Saiteninstrumenten und Fiddle). Ab und zu blitzt auch seine humorvolle Seite auf. Vor allem: Reihenweise starke Songs! Mit ebensolcher Melodik, mal regelrecht catchy! Classic Wainwright, Empfehlung.

 

 

 




 

Jack White – Entering Heaven Alive

Entering Heaven Alive

CD oder LP 

Schon sein zweites Album dieses Jahr, und für meinen Geschmack deutlich besser als das erste. Lässt sich als Tribute an alles Mögliche verstehen, und generell an die 70er Jahre (hier und da tauchen aber auch Erinnerungen an die 50er/60er auf), wobei… unverkennbar arbeitet er diesmal für seine Verhältnisse ausgesprochen songorientiert! Es geht los mit sehr gutem akustischem 70s-Pop/Rock mit Harmony Vocals und punktuellen Parallelen zu Stairway To Heaven und changiert anschließend zwischen akustischem einnehmendem Folk und wertigem elektrischem Rock (der 70er, versteht sich). Später agiert er teilweise enorm stoisch, ergänzt Folk Rock mit kleineren Art Rock-Spritzern (apart!), zelebriert Classic 70s-Songwriter-Pop der intelligenten Sorte, ähnelt den wenigen gänzlich akustischen Folk-Stücken von Led Zeppelin (man wartet vergeblich auf einen/den Rock-Ausbruch). Eine lose rootsige Ballade mit eher Pop-Tendenz lässt zwar nicht sehr deutlich und nur kurzzeitig noch einmal an Robert Plant denken (diesmal solo), verbunden mit Einflüssen der späten Beatles. Zum Schluss tauchen diverse erheblich ältere Rootslemente auf, einem weiteren Großteiles akustischen Track (melodisch sehr attraktiv!) ermangelt es an 70er-Flair, dafür klingt er definitiv eigen (und reizvoll). Letzteres gilt in noch höherem Maße für den wohl erstaunlichsten Song hier, eine kleine durchaus originäre Perle: Sowas wie geheimnis/spannungvoller Tribal/Groove-Rock (okay, ansatzweise) mit Jazz-Akkorden des Pianos und kurzen Unisono-Passagen von verzerrter E-Gitarre und den Vocals – auch melodisch fein! Insgesamt: Ein überraschend (sehr) hoher Akustikanteil.

 

 

 




 
Valerie June – Under Cover

Under Cover

Mini CD oder LP 

Quasi ein 2022er Zwischendurch-Projekt, 8 Tracks auf einer knappen halben Stunde, aber was für eins! Nur Coverversionen, Songs vom Edelsten und aus verschiedensten Ecken, doch wie sie die interpretiert, besitzt fast durchweg große Klasse! Sie haucht den meisten Tracks ein völlig neues Leben ein, stimmlich z.T. faszinierend, stilistisch oft stark verändert, und wirkt dabei, mit ein paar Ausnahmen, erstaunlich homogen. Großteils mischt sie auf ihre eigene Art Songwriter-Pop mit Roots-Einflüssen (jeweils mehrere, in wechselnden Schwerpunktsetzungen), manchmal kommt eine kleine Prise Dream Pop hinzu, die Gangart ist in der Regel balladesk (oder wenigstens, sagen wird, halb-balladesk). Die Stücke stammen von Nick Drake (wunderbar!), Mazzy Star, Gillian Welch, John Lennon (ausgerechnet Imagine, klingt recht gut, ist aber eigentlich der einzige Track, bei dem das Konzept nicht so richtig funktioniert, die Eigenständigkeit fehlt), Bob Dylan (super, stilistisch ein Ausreißer, in Richtung Country-Soul), Joe South (ebenfalls etwas anders, weil ziemlich pur im Southern-R´n´B-Terrain verhaftet, zudem erheblich süffiger als sonst), und 2 weitere Songs, die aus dem Rahmen fallen: Von Frank Ocean und Nick Cave, beide als introspektive Piano-Balladen gestaltet, in einem Fall richtig originär, ganz langsam tropfend (Ocean, großartig). Die Drake- und Lennon-Songs befanden sich übrigens bereits auf der Deluxe-Fassung des vorigen Albums. Klare Empfehlung, reif, gehaltvoll, mit Langzeitwirkung.

 

 

 




 
Stereolab – Pulse Of The Early Brain (Switched On Vol. 5)

Pulse of the Early Brain [Switched on 5/Remaster]

2CD oder 3LP 

Eine neue Folge der Serie mit wirklichen Raritäten und Unveröffentlichtem; EPs, 7´´s, Flexis, Tribute-Alben-Tracks, 10“, Split-7“, limitierte CD-Bonustracks, ein Remix, ein Live-Stück, ein Demo, z.T. nur in 500er Auflagen erschienen (oder eben gar nicht). Eine Reihe tolle Perlen sind darunter. Es beginnt mit 2 dicken Brocken (11 und 21 Minuten), Gemeinschafts-Produktionen mit Nurse With Wound, Mixturen aus Kraut-Motorik, abgedrehten Space- und Elektronik-Bestandteilen und klarem psychedelischem Flair – hypnotisch! In einem Fall noch trippiger (und mehr Vocals), später experimenteller, zwischendurch richtig avantgardistisch, und immer wieder startet der Groove. Neben einigen Miniaturen gibt es einige weitere ziemlich lange Tracks (8/9 Min.), von „Progressive Techno“ (?) über „Shoegazer in Pop“ unter Kraut-Einfluss, aus dem radikaler Avant-Post Punk wird, bis zu Electro-Punk vereint mit Space-Avantgarde und Suicide. Der große Rest (21 Stücke!) pendelt zwischen akustischem Folk-Psyche, einem anfangs fast wie „Heroes“ klingendem Track, Neu! mit Pop-Gesang, Indie Pop mit Charme und Groove und z.T. Psyche-Zuflüssen (u.a. in mild melancholischer Form), verspielt-repetitiver Indie Pop mit Acid-Einlage (repetitiv ist sowieso einiges! Z.B. Indie-Groove-Pop auf typische Stereolab-Art, der anderswo aber auch in vielschichtiger farbenfroher Pracht daherkommt, klasse!), Drone Pop, kurze Minimal Music-Momente, von den späten 60ern inspirierter Strange-Psyche/Space. Manche Songs ändern mittendrin und teils sogar mehrfach radikal Stil und Sound. Die Aufnahmen stammen weit überwiegend aus den 90ern (ab 1992), selten aus den 00ern.

 

 

 




 
Neil Young & Promise Of The Real – Noise And Flowers

Noise and Flowers

CD oder LP 

Von der Europa-Tournee 2019, praktiziert als Hommage an seinen langjährigen Freund und Manager, Elliot Roberts, der 2 Wochen zuvor gestorben war. Ich kann mir nicht helfen, er packt mich mit einigen seiner unveröffentlichten Live- (oder auch mal Studio-) Alben immer wieder. Dabei hatte ich es hier wirklich nicht erwartet. Die Setlist besteht aus sehr viel Material aus der ersten Dekade seines Solo-Schaffens (plus Mr. Soul von Buffalo Springfield, als harter treibender purer Rock im Geiste der späten 60er, „Satisfaction“ noch ähnlicher als die Studiofassung, weil nicht nur das Riff daran erinnert), beginnend mit der Debut-LP (I´ve Been Waiting For You), endend mit 2 Songs von Comes A Time (inkl. dem Titeltrack), dazwischen Everybody Knows This Is Nowhere, Helpless, 2 Stücke von Harvest (Are You Ready For The Country, Alabama), On The Beach, Winterlong. Die 80er fehlen fast (nur Rockin´ In The Free World), dazu ein paar 90er Tracks (Fuckin´ Up, From Hank To Hendrix, Throw Your Hatred Down). Man sieht, nicht gerade eine „Greatest Hits“. Stattdessen, musikalisch/stilistisch: Irgendwie, zumindest teilweise, eine „Best of 4 Worlds“ (mindestens). Relaxt-harmonischer Folk (Rock), kompakter elektrischer oder loser halb-akustischer Country Rock, reiner hochenergetischer teils schwerer wie melodischer Rock, großartiger Stoff im Geiste von Crazy Horse (entweder etwas elegisch im Stil der späteren 70er oder krachend, superdreckig, wild, roh bis kakophonisch und enthusiastisch a la Ragged Glory bzw. (Arc) Weld, wobei 3 Stücke, darunter eine gloriose Version von Rockin´ In The Free World, zum Schluss hin völlig wüst werden, sich buchstäblich in Feedback- und Noise-Kaskaden auflösen – z.T. minutenlang). On The Beach bildet eine eigene Kategorie, prickelnd elektrisch elegisch schleppender Rock in atmosphärisch wundervoll (Winterlong ist nicht so weit weg davon). Das alles erinnert auch soundmäßig/aufnahmetechnisch an die alten Zeiten, heißt: Schön rau, nicht perfekt, wenig differenziert, was zu einem schlüssigen Klang in bester Live-Atmosphäre führt. Ich bin von den 75 Minuten sehr sehr angetan!

 

 

 




 
Fela Kuti – Roforofo Fight

Roforofo Fight/Fela Singles (Remastered)

nur 2LP 

Limitierte 50th Anniversary-Doppel-LP in grünem/gelbem Vinyl, 4 lange Stücke (wie üblich zwischen 12 und 17 Min.) plus 2 Bonustracks (2 Singles mit je einem Track über A- und B-Seite, wie das Album von 1972, 9 und 10 Min. lang). Große Überraschungen werden nicht geboten, aber die Qualität ist, wie oft zu dieser Zeit, herausragend. Eine unwiderstehliche Rhythmik, mal etwas weniger, mal stark funky (bis hin zu einer Spur James Brown-Feeling), die Vocals (von halsbrecherisch bis melodiebetont) setzen meist erst ungefähr zur Mitte der Stücke ein (und beinhalten bei vielen Tracks call-response-Gesang), (funkige) Gitarren fordern teils eine größere Rolle ein, sind anderswo kaum wahrnehmbar, E-Piano ersetzt in den meisten Stücken die auf anderen Alben dominante Orgel (die allerdings beim Bonustrack Shenshema gleich mehrere Features erhält). Partiell enorm reizvoll (und relativ variabel) sind die 3 Bläser (Bariton/Tenor/Alt-Saxes und Trompete), die phasenweise für einigen Jazz-Input sorgen, mal mit repetitiven Kürzeln die Richtung vorgeben, mal flüssige schnelle Soli beisteuern (v.a. das Tenorsax), mal sowohl solistisch als auch in den allgegenwärtigen Bläsersätzen (die gern für die Leitmotive verantwortlich zeichnen) ziemlich rhythmisch akzentuierend agieren (partiell toll vernetzt), mal ein sehr melodisches ausdrucksstarkes Spiel bevorzugen – und besonders bei beiden Bonus-Singles glänzen, solistisch (brillantes Tenorsax, fast originär wirkend!) oder in einer höchst attraktiven call-response-Phase. Wie auch eine ganze Reihe seiner anderen Alben aus den 70ern: Exquisit, absolut lohnend!

 

 

 




Black Midi – Hellfire          

Hellfire [Explicit]

CD oder LP 

Die 3. LP der immer noch sehr jungen britischen Band, die für so viel Furore gesorgt hat – und es immer noch tut, sich hier zudem weiterentwickelt (was, trotz der nach wie vor unglaublichen kontrollierten ungestümen wie enorm präzisen extrem aufregenden und virtuosen Spielweise insgesamt zu mehr ruhigen, harmonischeren Phasen führte). Ultra-agil, ultra-variationsreich, Musik voller schroffer Kontraste, viel Härte, wahnwitzige Power und Energie. Und ihr stilistisches Trommelfeuer sucht seinesgleichen. Das alles führt zu folgenden Ergebnissen: Rasende Läufe, supra-intensive Phasen, plötzliche Breaks, halsbrecherische Rhythmik, ein ständiges Highspeed-Rotieren, zappa-eske komplexeste Arrangements, überkandidelter Prog, (Lounge/Fusion-) Jazz-Spritzer. Kantiger Math Rock, Mars Volta-Anleihen, berstende Kraft in messerscharfe Sounds übersetzt, Prog-Thrash-Metal, kurze Bombast-Einlagen. Eine Prise Sinatra/Scott Walker (Brothers), ziemlich orchestral. Einfallsreiches vielschichtiges höchst multipel rootsiges Songwriting, hoher akustischer Anteil, eine längere friedliche ruhige Passage von becircender Schönheit, atmosphärisch stark! Jazz, Post-Prog, Zappa, teils pathetischer Gesang, Drama. Wirbelnde Streicher, ein hartes bis atonal punktierendes Piano (inklusive jazziger Note), atemlose (spoken) Vocals, Kurt Weill, scharf geschnitten akzentuierende Rhythmen. Aus fantasievollem Singer-Songwriter-Terrain entwickeln sich unberechenbarer Prog Rock, (diesmal geringe) Zappa-Spuren und Brachial-Noise. Als ob King Crimson ihre gewagtesten Sachen ins Heute übertragen würden (Free Jazz-Piano als Zugabe) plus experimenteller 50s-Vaudeville (oder so). So etwas wie hyperventilierender Post-No Wave trifft Math Rock und Post Punk in abgedreht, mitsamt schon angesprochener atemloser Vocals sowie „Crooner-Folk-Roots“. Für all das fahren sie akustische wie elektrische Gitarren, Bläser und Streicher, Synthie und Piano, Pedal Steel und Flöte, Melodica und Akkordeon (?) auf. Erschlagend. In vollster Konsequenz. Es gibt dermaßen viel zu entdecken, da braucht es mindestens 7,8 Durchgänge.

 

 

 




 
Regina Spektor – Home, Before And After

Home,Before and After

nur CD

6 Jahre hat uns die New Yorkerin warten lassen, und kehrt umso großartiger zurück. Die Stimme exzellent, zwischen lieblich, souverän phrasierend, spielerisch mit den Rhythmen umgehend/dynamisiert, fordernd oder flüsternd; die Arrangements ungemein reicht und vielschichtig; noch besser das Songwriting, mit Anspruch (gern etwas komplexer, vor allem im Aufbau, auch längere Melodiebögen von teils erheblicher Finesse) und von bleibendem Wert. Oft leise, oft süffig bis bombastisch, massive Kontraste ohne Ende (und zwar in jeder Beziehung). Pop-Traditionen verschiedener Epochen (bis hin zum Broadway alter Zeiten resp. Musical-Anleihen, inklusive Singer-Songwriter-Flair aus den 70ern, freilich modifiziert, modernisiert), allerdings zur Hälfte mit zeitgenössischen Beats versetzt, was mir normalerweise nicht gerade zusagt, hier passt es aber.  Und sogar geschickt integrierte Klassik-Elemente. Instrumental stehen beständig Piano (die tragende Säule) und Streicher im Zentrum, von Bläsern, Keyboards und (eher selten) Gitarre effektvoll unterstützt, zwischendurch sind kurz Marimba, Vibrafon zu vernehmen. Enormer Abwechslungsreichtum, die Dichte in stetiger Veränderung, viel Drama, schwelgerisch, leise Zwischenspiele (zum Beispiel nur Piano), eine etwas dräuende Ballade, ein besonders dramatischer Track weist erstaunlicherweise von der Struktur her (nicht musikalisch) Parallelen zum Post Rock auf (wozu, auch sonst gern verwendet, stetige laut/leise-Wechsel gehören), eins der wenigen eher sparsamen Stücke greift gar irgendwie (auch wenn´s sich anders anhört) auf Americana-Pop zurück, ein anderes recht schlank gehaltenes agiert sehr rhythmusbetont (in eminent songdienlicher Weise). Bei all dem und aller allgemeiner Klasse ragen 2 Songs noch einmal heraus (obwohl sie nicht zu den eingängigsten gehören), beide ebenfalls ausgesprochen dramareich: „Up The Mountain“ mit seinen an Hip Hop erinnernden Beats ist sowohl instrumental als auch gesanglich wundervoll dynamisiert, rhythmisch extrem variabel, die Arrangements in ständiger Bewegung, Bläser und Streicher werden fantastisch punktierend eingesetzt, bis hin zu kurzen Avant-Klassik-Momenten. Und das 9-minütige (!) „Spacetime Fairytale“ lässt sich getrost als Mini-Symphonie klassifizieren, inklusive Klassik-Einfluss, immer wieder anschwellend aus ganz leisen Phasen, partiell etwas dunkel bis leicht bedrohlich wirkend, gewaltige farbenprächtige Klangwälle, ein verspielter tänzelnder Rückgriff auf die 30er/40er Jahre. Große Kunst, große Songs, große Musikerin, große Empfehlung.

 

 

 




 
Tedeschi Trucks Band – I Am The Moon: III. The Fall

I am the Moon: III.the Fall

CD oder LP 

Halbstündiger Teil 3 des vierteiligen Konzeptwerks, der 4. Teil und eine Box erscheinen dann Ende August. Auffällig diesmal ist, dass die Bläser mit einer Ausnahme eine nur geringe Rolle spielen (teils ganz fehlen) bzw. eher unauffällig und ganz natürlich im Mix aufgehen. Die wie gewohnt vorzüglichen Gitarren-Features werden gern wieder an den Schluß der Stücke gerückt, die beiden Balladen ans Ende des Albums (multipel rootsig und melodisch einfach gestrickt aber ganz stark die eine, inklusive Pop-Input die andere, nur hier wird männlicher Lead-Gesang eingesetzt, z.T. im Duett). Ansonsten pendeln sie zwischen völlig zeitlosem fettem flüssig rollendem und rockendem Southern R´n´B, rundem sehr organischem und kompaktem Edel-Roots-Pop (ein bisschen auf den Spuren von Derek & The Dominoes), Soul-angereichertem Shouter-R´n´B wie vor 50 (plus) Jahren mit Anleihen bei Albert King versetzt (hochemotionaler klasse Gesang), sowie purem saftigem vollmundigem Southern Roots-Stoff mit einer kleine Prise New Orleans bzw. Little Feat der mittleren Phase (längster und superber Song, feiner tanzender Groove, grandioses ziemlich ausgedehntes Gitarren-Solo, und besagter Track mit auffälligen bratzenden Bläsern; gar irgendwie ein Hauch Randy Newman mittendrin).

 

 

 




 Rolling Stones – Live At The El Mocambo 1977

Live At The El Mocambo (2CD)

2CD oder 4LP 

22er Release. Ziemlich legendäres Konzert 1977 in einem 300-Leute-Club in Toronto, selbst als Bootleg kannte ich es nur partiell. 4 der 23 Stücke wurden auf der Love You Life-Doppel-LP veröffentlicht (die ansonsten Aufnahmen von 1975 und 1976 enthält), der Rest gar nicht, und die Tracklist unterscheidet sich beträchtlich. Insgesamt kehren sie in größerem Ausmaß als sonst zu ihren eigenen Wurzeln zurück (nicht nur musikalisch), so sind z.B. gleich 6 Songs uralte Covers (die es ansonsten selten oder bis zu dem Zeitpunkt sogar gar nicht von ihnen zu hören gab), von Muddy Waters, Howlin Wolf/Willie Dixon, Chuck Berry sowieso, Bo Diddley, 2 Blues-Songs aus den 40ern, diverse stammen von Black And Blue, einer wurde erst auf Tattoo You Jahre später veröffentlicht. Auch deshalb: Ein exzellentes Konzert, für meinen Geschmack klar besser als Love You Life, weitgehend Rock´n´Roll und Blues, abgerundet vom vorzüglichen Piano von Billy Preston (das teilweise überraschend deutlich hervorsticht). Reichlich Highlights, z.B. Honky Tonk Women (kompakt, präzise und schlüssig), All Down The Line (ziemlich stürmisch), Route 66 (geht nicht viel besser), Mannish Boy (dito), Crazy Mama (superbe Gitarre!), Worried Life Blues und Little Red Rooster (großartiger Blues pur), Around And Around, Rip This Joint, auch Brown Sugar (extrem kompakt) und Jumpin Jack Flash. Von daher: Absolut empfehlenswert (und der Sound ist richtig gut). 

 

 

 



Arthur Brown – Long Long Road


Long Long Road

CD oder LP 

Noch einer, der einfach immer weiter macht und dessen Stimme immer noch funktioniert, exaltiert und beeindruckend. Ein ungemein abwechslungsreiches Album legt er vor, inklusive überraschend vieler akustischer Elemente (akustische Gitarre wird genauso oft eingesetzte wie elektrische, zur Hälfte zudem Piano – Orgel freilich fast immer). Das Spektrum reicht von spooky Space-Sounds; Früh-70er Prog in getragen (durch ein Sax ein bischen Jazzeinfluß, entfernte Ähnlichkeiten zu Colosseum, kurz auch Quatermass); einem Power-Prog-Psyche-Mix mit diesmal mehreren Quatermass-Spritzern, plus einer Spur ELP; einem insgesamt 12-minütigem Stück in 2 (getrennten und etwas unterschiedlichen) Teilen, (im gleichmäßigen Fluß/Groove der eine, relativ relaxt aber zugleich unter Spannung, repetitiv, ein minimales Jazz-Feeling temporär, die Gitarre mehr effektverstärkt als sonst; schön federnd der andere, mit diesmal zentraler Rolle der (z.T. dezent bluesigen) Gitarre, bei der ich punktuell an die späten Pink Floyd dachte, verpackt im 70er-Rock-Kleid). Es folgt atmosphärischer teilakustischer Blues (die E-Gitarre diesmal, wenn sie erklingt, ganz stark! Sogar eine Harmonica taucht auf), federleichte gering angejazzte bis rockige Psychedelia, ein erstaunlich traditionsbewußt gespielter Slow Blues, sowie eine gefühlvolle/ausdrucksstarke klassische 70s-Ballade. Nicht alles glänzt hier, aber ein paar Songs besitzen durchaus eine hohe Qualität.

 

 

 




Neil Young – Toast

Toast

CD oder LP 

Das damals wegen „zu großer Traurigkeit“ verworfene also unveröffentlichte Album von 2000 (das einen gewissen Legendenstatus besitzt), mit Crazy Horse. Stattdessen kam 2002 „Are You Passionate“ mit Booker T & The MGs, das allerdings 4 Songs von den sieben hier enthielt (teils unter anderen Titeln) – mal deutlich, mal relativ wenig, 1x kaum verändert. Traurig klingt das Werk nicht so sehr – wenn man nicht auf die Texte achtet. Viele lange Stücke über 7 Minuten, je einer gar 10 bzw. 13 Minuten. Riffgesteuerter handfest-elegischer Crazy Horse-Sound (mit differenzierten ökonomischen exzellenten Soli) oder ein von einem Früh-70er-Hard Rock-Riff getragener geradliniger kompakter Rocker bilden eher die (absolut guten) Ausnahmen, ein weiterer Track schließt an Letzteres an, fügt jedoch noch eine homöopathische Dosis Psychedelia hinzu, ansonsten bin ich doch ein bischen überrascht: Wenig Dreck/typische Crazy Horse-Rawness, sie klingen mehrfach ausgefeilter als sonst, gerade auch die vielen zwar gern im Hintergrund gehaltenen aber effektiven und sehr schönen Backing Vocals. Ungewohnt abgedämpfte (teils wunderbare) Gitarren gehören dazu, in ruhigem entspanntem Ambiente mit dezenten Pop-Anleihen; oder eine überraschend federnde leicht groovende völlig straight durchgezogene Rhythmik (Top-Soli) vor allem aber eine textlich schmerzhafte doch geradezu bestürzend schöne ausgedehnte dunkel gestimmte sanfte melancholische Ballade – verzaubernd! Zum Schluß, in dem 13-Minüter, greift noch einmal tiefe Melancholie um sich, recht stoisch und auf Sparflamme köchelnd, die Gitarre agiert teils filigran, ziemlich sparsam gesetzte Töne, Blueseinfluß, eine hypnotische Ausstrahlung, zeitweise gar Jazzelemente eingestreut (Piano, eine Trompete), nur 2,3 Mal kommt der Song aus der Reserve. Insgesamt ein wirklich vorzügliches Album (Young selbst spricht von einem Highlight), auf das ich auf keinen Fall verzichten möchte.

 

 

 




 The Smile – A Light For Attracting Attention

A Light for Attracting Attention

CD oder LP 

Die neue „Nebenband“ von Thom Yorke, Jonny Greenwood (beide Radiohead) und Tom Skinner (u.a. bei den New Jazz-„Stars“ Sons Of Kemet). Nigel Goodrich produzierte. Gleich vorweg: Nicht wenige Stücke könnten auch von Radiohead stammen. Die instrumentale Dominanz befindet sich in stetem Wechsel, von Synthie zur E-Gitarre zum Piano zu Streichern und sogar Bass, hier und da agieren sie polyrhythmisch (auf verschiedene Art), recht oft repetitiv (wobei dafür bis auf die Streicher ebenfalls wechselnd obige Instrumente eingesetzt werden). So trifft denn schon mal Minimal Music auf attraktiven intelligenten „Strange Pop“; anderswo relativ sachter streckenweise minimalistischer Indie Pop auf eine kleine Prise Afro Beat, oder Math Rock-Elemente auf Psychedelia in zeitgenössisch spannend. Völlig aus dem gewohnten Rahmen fällt relativ ursprünglicher wütender Punk (in richtig gut inklusive einer seltsamen Flöte), 2x fällt mir kein besserer Begriff ein als „Modern Prog-Psychedelia“ (mit einer kleinen Prise Abenteuer und ziemlich originär, in rotierenden Schlaufen, bzw. mit etwas Synth Wave vermischt), richtig toll sind die faszinierenden Sounds in einem hypnotischen „New Pop“-Track, den ich ohne das Wissen um die Herkunft der Band sofort Radiohead zugeordnet hätte. Gleichfalls 2 Stücke könnte man als halbwegs „normalen“ Indie Pop bezeichnen (einer davon wurde früher von Radiohead schon mal live gespielt), eine melancholische ungewohnt reduzierte Ballade erinnert mich kurzzeitig an die frühen Genesis (!), eine weitere besitzt einiges an Massen-Appeal, und ein wundervoll arrangierter zeitloser Pop-Song begeistert mit seinen punktuellen Streicherparts. Hin und wieder tauchen übrigens auch Bläser auf.

 

 

 




Tedeschi Trucks Band – I Am The Moon-II: Ascension

I am the Moon: II. Ascension

CD oder LP 

2. Teil des Großprojekts/Konzept-Werks in 4 Teilen (im Monatsabstand jeweils ein Album), das in über 2 Stunden 24 Stücke umfasst. Wie schon bei Teil 1 erblüht die superbe Slide oft gegen Ende der Stücke in voller Pracht (1x ganz schön wild), eingebettet in ein wiederum enorm organisches doch diesmal insgesamt etwas heterogeneres Klangbild (mit einer Ausnahme inklusive den großteils ausgesprochen musikdienlich wirkenden Bläsern). Mehrfach kombinieren sie R´n´B/Soul, Rock und auch Pop der 70er, mal ein kleines bischen funky angelegt, mal relativ relaxt und wunderbar warm in toller Atmosphäre mit viel Gefühl (und kurzzeitig beinahe feierlich anmutend, sogar irgendwie spirituell) samt ein wenig New Orleans-Feeling, mal unter Einschluß (eher geringer) Folk-Elemente und vor allem mehrerer bestechend feinfühliger (Slide-) Gitarreneinlagen (mit gelegentlich ansatzweise modalem Flair). Daneben gibt es ein stark traditionsbewußtes mitreißendes Konglomerat aus Gospel, Blues und Rock inklusive packender Gitarrenarbeit, groovenden straighten scheinbar 50 Jahre alten Soul/R´n´B mit (natürlich) bluesig-rockenden vorzüglichen Gitarren, einen an viele Titel des ersten Teils erinnernden kongenialen Southern-Fluß zwischen feinziseliert und vollmundig verdichtet. Über allem jedoch thront der mit 9 Minuten längste und stilistisch deutlich anders gelagerte Track, zeitlos, variabel: Nach intelligent Pop-beeinflußtem songbetontem Beginn spielen sie für den Rest (fast 2 Drittel) sehr einfühlsam, herrlich (mit Brüchen) fließend, streuen allerfeinste lange z.T. modale und filigrane Gitarrenausflüge ein (die mich in ein paar Momenten gar etwas an den „sanften“ Jerry Garcia erinnern), agieren multipel rootsig und sehr eigen, wozu Jazz-Elemente und zwischendurch (glänzend funktionierende) dezent experimentelle Klänge gehören. Großartig! Schon durch diesen einen Song lohnt das alles!

 

 

 




David Murray, Brad Jones & Hamid Drake – Seriana Promothea 

Seriana Promethea

nur CD 

22er mit seinem neuen („Brave New World“-) Trio. Die Zeiten, in denen Murray fast wie am Fließband veröffentlichte und immer wieder für ein oder sogar zwei der besten Jazz-Alben des jeweiligen Jahres sorgte, sind lange vorbei, sein Output ist gewaltig gesunken (4 Jahre Pause sind normal), und etwas schwächere LPs sind auch mal dabei (Be My Monster Love z.B.). Aber für absolut exquisite Werke ist er immer noch gut, und dies ist eines! Melodisch oft ausgesprochen gehaltvoll, rhythmisch gern tanzend-swingend-groovend (bis ansteckend) und damit ein bischen an aktuelleren Jazzentwicklungen orientiert, seine Soli besitzen nach wie vor eine enorme Qualität und Virtuosität (ohne auszuufern, teilweise starten sie mehrfach neu, immer von der Grundsubstanz ausgehend, manchmal quasi „rotierend“, aber natürlich auch in Free-Terrain hinein, innerhalb rhythmisch straighter Grundstrukturen). Drums und besonders Bass (der zwischendurch sogar in der reinen Begleitung stark auffällt, sehr agil wirkt) erhalten ebenfalls einigen Freiraum (wenn auch nicht in allen Tracks). Die Stücke sind, wenn ich es richtig überblicke, alles neue Originale, mit Ausnahme von Sly & The Family Stones If You Want Me To Stay (!), das hier aus dem Rahmen fällt (sehr geradlinig, R´n´B-angelehnt, sogar ein gewisser Rock-Touch, für meinen Geschmack allerdings eher überflüssig). Ansonsten mal ziemlich unbeschwert auf angenehme Art, mal viel Speed und Druck, Feuer und Rasanz (Groove-nah in komplex und recht „zeitgenössisch“), mal kurzzeitig kantig und beinahe rockig (diesmal in gut und reizvoll – und in ansatzweise eingängigem Umfeld!), zwischendurch ein Hauch Latin-Einfluß (während die memorable Melodik z.T. uralte Zeiten aufgreift). Eine bewegliche lebendige Ballade besticht durch ein langes gestrichenes substanzielles Bass-Solo und einigen eminent schönen Melodieentwicklungen, steht zudem, dezent unkonventionell, unter gewisser Spannung, bei gleichzeitiger einfühlsamer lyrischer Entfaltung. Zum Schluß kehrt er überraschend zum Hard Bop alter Schule zurück, swingend „klassisch“ (fliegende Hard Bop-Einschübe tauchen schon vorher in einem Track kurz, aber mehrfach auf). Eine knappe Stunde fast durchweg erstklassige Musik, Empfehlung!

 

 

 




Florence & The Machine – Dance Fever

Dance Fever (Ltd. Mintpack)

CD oder LP

Sie gehört nicht wirklich zu meinen Favoriten, aber was sie hier abliefert, gefällt mir überraschend gut. Was vor allem an der Stimme (sie tönt abwechselnd u.a. kraftvoll dunkel strahlend, barmend bis fast gebrochen, sinnlich, kurzzeitig feenhaft, ziemlich intim) und den Songs als solchen liegt. Die musikalische Umsetzung umfasst eine kleine Prise Kate Bush in gebremst mutierend zu New Wave Pop der 80er; faszinierend mysteriös und unwirklich wirkende Klänge (toll); dezent artifiziellen Folk ohne eine Spur Traditionalismen; Classic Pop in zeitlosem Gewand (Fleetwood Mac-Parallelen a la Rumours); kurzzeitig sinistren Gothic-Sound; dunkle folkige Geheimnisse; stoisch rollende Rhythmik, die Spannung aufbaut und Erlösung findet in Arcade Fire-Verwandtschaft als großformatiger Indie Pop (Rock); ähem, „La Düsseldorf goes Indie Pop“ in temporeich (auch wenn die Musik ganz woanders herkommt); eher konventionelle Dancefloor-Richtung (musste nicht sein) einigermaßen aktuell klingender Folk Pop; suggestiver leicht hypnotischer (exquisiter!) Indie Pop; und American Gothic, wenn auch nur in Ansätzen (atmosphärisch super), poppig feinst aufgelöst, sowie radikal reduzierter stilistisch mächtig manipulierter Gospel. Wie gesagt, überraschend gelungen!

 

 

 




Tedeschi Trucks Band - I Am The Moon-1.: Crescent

I Am The Moon: I.Crescent

CD oder LP (ab 09.09.22)

Teil eines Konzeptwerks, dessen Veröffentlichung sich in 4 Teilen über mehrere Monate erstreckt, inspiriert von einem uraltem Mammut-Sufi-Gedicht. Part 1 enthält 5 Stücke, alle über 5 Minuten lang, eines bringt es auf 12. Häufig agieren sie eminent vollmundig, nicht unbedingt von Beginn an, aber im Laufe der Songs, die Bläser z.T. samtig bis kuschelweich, z.T. recht fetzig (und immer bestechend nahtlos im Gesamtklang aufgehend, sporadisch kurzzeitig jazzig getönt und mehr herausstechend), Piano und Orgel, ausgesprochen effektvolle Backing Vocals, die berühmte Slide besticht zwar wie gewohnt und erwartet, aber anders als bei vielen ihrer Songs bisher fast immer musikdienlich tief im Sound eingebettet, meist mehr oder weniger punktuell, selbst bei Soli in drei Tracks ausgesprochen knapp gehalten, v.a. am Ende auftauchend. Das Klangbild wirkt unerhört organisch, teils weich und geschmeidig, bisweilen fast elegant, gern in einem wunderbaren dezent rollenden Fluß, mal relativ relaxt, mal ansteckend groovend, mal balladesk, mehrfach im Verlauf (nach zum Bespiel ziemlich reduziertem Start) immer weiter verdichtet, langsam intensiviert. Das klingt immer wieder großartig, voller Wärme! Stilistisch irgendwo zwischen Roots Rock, R´n´B/Soul, hier eine Prise New Orleans Jazz, dort Gospel-Spuren, natürlich auch nicht ohne Blues-Einfluß. Ganz anders beschaffen ist allerdings der 12-Minüter, in Richtung langer Allman Brothers-Jams (z.B. In Memory Of Elizabeth Reed), auch wenn es gitarrienstilistisch teilweise signifikant anders wirkt, phasenweise gar ein wenig spirituell und etwas modal anmutend, inkl. Orgel- und zurückhaltendem im Groove bleibendem Drum-Feature, rein instrumental, mehrere ruhige Phasen, insgesamt äußerst flüssig. Deep Southern das alles, eh klar.

 

 

 




Bruce Hornsby – Flicted     

'Flicted

CD oder LP

Wieder ein neues Album voller Überraschungen, ein unglaublich vielfältiges. Dass er stilistisch zu ungefähr allem bereit und fähig ist, wissen wir, hier aber sind Ausflüge dabei, die ich zumindest so nach meiner Erinnerung noch nie von ihm gehört habe und auch nicht erwartete, und reichlich originelle Ideen sowieso. Eine Auswahl an Merkmalen: Wunderbare 2-3-stimmige Vokal-Arrangements. Hier und da an ziemlich aktuellen Vorlagen orientierte Rhythmik. Diverse hoch intelligente mehrschichtige Songs, die ich z.T. als Future Pop bezeichnen würde. Prince auf (partiell) Modern Beats-Basis. Gewisse Peter Gabriel-Parallelen bei einigen Stücken (ohne sich direkt bei dem zu bedienen). Viele sehr schöne Klangfarben von Gitarren und Tasten, häufig dominante z.B. superb rollende bis hart akzentuierende Piano-Phasen (inklusive packender Rhythmen), ansonsten u.a. Geige (oder mehrere effektvoll punktuell eingesetzte Streicher), Vibrafon, Dulcimer, Flöte, Bass-Klarinette, Orgel, Mellotron. Fantasievolle und variable mal pointierte und spärliche mal vollmundige Arrangements. Alte Folkelemente in melodisch feinstem Pop-Gewand. Diverse lange Melodiebögen. Kurz mal Paul Simon-Anleihen, oder kleine Modern Prog-Tendenzen im Edel-Pop-Kontext. Technoider Sequencer-Pop mit heutigem R´n´B und genrefremdem genialem Piano kombiniert. Verquerer leicht angejazzter Hip Hop. Relativ unberechenbare Musik von zum Teil enorm hoher Güte. Beteiligt waren u.a. Ezra Koenigs (Vampire Weekend), Blake Mills, Rob Moose, Danielle Haim.

 

 

 




Fontaines D.C. – Skinty Fia

Skinty Fia

CD oder LP

Neues aus 2022 von den  Iren, gemeinhin dem Post Punk zugeschrieben. Die reine Lehre bedienten sie schon auf ihren ersten beiden Platten nicht, das setzt sich hier auf andere Weise fort, aber ihre klar größte Inspirationsquelle ist dann doch definitiv Post Punk. Ob ziemlich stoisch und ein klein wenig runtergedimmt dahinfließend, mal von repetitiven Gitarrenmotiven, mal vom Gesang gesteuert, mit etwas mehr Druck und Drive und zwischendurch akustischem Gitarrenteppich, schleppend und ein bisschen an frühere Cure angelehnt, mit Spuren von The Fall wie Public Image versetzt (samt unterschwelligen Pop-Spritzern), oder in Richtung schleifend verschärften zugleich rhythmisch beweglicheren Joy Division. Aber es gibt eben auch anderes, z.B. ein faszinierendes völlig reduziertes Intro, das enorm Spannung aufbaut, die zunächst auch nicht ganz verschwindet, wenn die Band loslegt/Tempo aufnimmt (in einer Art originellen Indie Rock/Post Punk-Melange mitsamt melodischer Klasse). Oder sehr feine fast hypnotisch umgesetzte Shoegaze- und Psychedelic-Bestandteile in inniger Umarmung. Anderswo paaren sich mehr oder weniger gleichberechtigt Brit-Pop-, Smiths-, Post Punk- und Sleaford Mods-Einflüsse (letztere freilich in einem deutlich niedrigerem Aggressivitätsgrad). Einmal bewegen se sich gar, völlig abgespeckt, melancholisch in Folk-Nähe (mit Akkordeon!). Auf jeden Fall gibt es zur Zeit kaum Besseres in ihrem Genre!

 

 

 




Taj Mahal & Ry Cooder – Get On Board

Get on Board

CD oder LP

Wow, 57 Jahre, nachdem sie das erste Mal, blutjung und am Anfang ihren Karrieren, zusammenarbeiteten, in ihrer Band Rising Sons (die resultierenden von Terry Melcher produzierten Aufnahmen erschienen erst mit Ausnahme einer Single in den 90ern, und enthalten einige echte Perlen), nun also ein gemeinsames Tribute-Werk für die Piedmont-Blues-Größen Sonny Terry & Brownie McGhee. Begleitet nur von Joachim Cooders Bass und Percussion/Drums spielen sie akustische Gitarre, akustische Slide, seltener E-Gitarre (teils auch die „klassische“ immer noch so tolle elektrische Slide von Cooder), viel Harmonika, sporadisch Mandoline, Piano, Banjo – variationsreich/immer wieder anders kombiniert. Beide singen ausgezeichnet Lead und steuern Backing/Harmony-Vocals bei, für Letzteres sorgt in einem Track zudem das Soul-Trio Ton 3s. Naturgemäß wird hier nichts neu erfunden, ihr Blues ist ziemlich pur (mit gelegentlichen Elementen/Spritzern von Gospel, Folk, je 1x auch Rock und Ragtime), aber WIE sie agieren, machte ihnen (und jetzt u.a. mir) ungeheuren Spaß, ihr Spiel ist so lustvoll, wie man es selten hört, rau, spontan und herrlich lose (was eigentlich auch auf den Gesang zutrifft), irgendwo zwischen den Polen roh, unbehauen und ungeheuer kraftvoll (fast heavy) sowie vollkommen relaxt/in aller Ruhe, langsam und immens gefühlvoll (was jeweils die seltenen Extreme darstellt). Zwischendurch ein bisschen swingend oder stoisch rollend, etwas stampfend, oft jedoch effektvoll und ganz natürlich groovend – wobei das Schlagwerk geradezu kongenial arbeitet, mal sehr, mal weniger minimalistisch, einfach und dennoch variabel, enorm wirkungsvoll, sporadisch Klatschen. Manchmal loten sie die Grenzen des (vielfach in den 20ern/30ern wurzelnden) Blues aus, und zwar in Richtung noch älterer Vergangenheit, einer Art „Proto Blues“. Die (erstklassigen) Songs stammen alle aus dem Repertoire von Terry/McGhee, viele wurden von ihnen geschrieben, und ehrlich gesagt finde ich einige davon hier sogar noch besser als die Originale! Die im Übrigen in aller Freiheit interpretiert werden, sich von denen teils stark unterscheiden. Eine dicke Empfehlung!

 

 

 




Father John Misty – Chloe And The Next 20th Century

Chloë and the Next 20th Century

CD oder LP

22er des US-Singer-Songwriters, der sich hierfür 4 Jahre Zeit ließ. Einzige Konstante in der ausgesucht geschmackvollen und immens hochwertig arrangierten, manchmal auch überraschend kombinierten Instrumentierung sind die Streicher, zu denen sich abwechselnd Piano (gerne), Orgel, E- und Akustik-Gitarre, Vibrafon, Bläser (recht oft), Flöten, sogar Pedal Steel, Harfe und Cembalo (?) gesellen. Sein Faible für orchestrierten Pop der 2. Hälfte der 60er (oder frühen 70er) kennt man ja schon, so tauchen auch hier wieder Assoziationen zu Leuten wie Harry Nilsson, üppigem Randy Newman, Jimmy Webb (in Grenzen auch frühem Scott Walker) auf, mit einigem Anspruch; im gleichen Ausmaß aber eine massive Zuwendung zu den späten 30er/40ern und 50ern, mit Annäherungen an z.B. Musicals und Vokal-Jazz Pop von damals/Uralt-Pop, Film-Songs/Hollywood, frühen Sinatra, Cole Porter, Nat King Cole, sogar mal ein wenig Chet Baker, Night Club Jazz. Ein Song bricht aus diesem Schema aus, verarbeitet Bossa Nova (ein bischen Getz/Gilberto-style), jedoch spanisch, nicht portugiesisch gesungen. Allerdings: So old-fashioned das alles auch erscheint, so ist an kleinen Feinheiten (u.a. der Arrangements, aber nicht nur) doch oft erkennbar (wenn man sehr genau hinhört), daß diese Musik von heute (oder zumindest später) stammt (ganz besonders, wenn sie in einem Fall, äußerst apart in sachtem zurückhaltendem spiegelglattem Klangmeer badend, irgendwie unwirklich bis ganz versteckt unheimlich wirkt). Was natürlich nichts am großen Reiz dieser edlen zuweilen schillernd-süffigen breit angelegten doch differenzierten Arrangements ändert. Die eigentliche Überraschung kommt im letzten und mit 7 Minuten längsten Track: Sachte pochend, dunkel, mysteriös, enorm suggestiv, total faszinierend, entfernt sowas wie leicht psychedelisierter bzw. halluzinogener Leonard Cohen mit minimalen Prisen vom frühen soften Chris Isaak im ganz anderen instrumentalen Setting und (diesmal späterem) Scott Walker, v.a. wegen einem aus dem Nichts kommenden brutalen/nervenzerfetzenden noisig-verzerrtem Gitarrensolo in der Mitte. Welch ein Song, großartig! Jonathan Wilson produzierte übrigens (und spielt mit).

 



 

 



Emily Jane White – Alluvian

Alluvion

CD oder LP

Neues Album der Kalifornierin, die die Ausrichtung ihrer Musik nicht radikal, aber nach und nach verändert. Die teils dominierenden Folkeinflüsse von früher sind nunmehr großteils verschwunden, zugunsten eines Konglomerats aus (Proto-) Dream Pop a la Cocteau Twins (an die gleich mehrere Stücke dezent erinnern), Shoegaze-Resten, „Post Gothic“-Elementen, Dark Wave-Tendenzen, dezidiert dunkel gefärbtem Indie Pop, bis hin zu einer Art Synth Pop-Ballade. Und mittendrin blitzen plötzlich verwehte Country-Dessert-Anleihen auf. Faszinierend die (teils ziemlich düstere) alles bestimmende Atmosphäre mancher Songs. Fast stoisch bis relativ relaxt dahinfließende Tracks, eine schleppende gewisse Schwermut, aber auch Schönheit in beträchtlicher Dunkelheit, Melancholie trifft auf moderate Elegie, ein kleines bisschen Drama, Depri-Ballade(n), ab und zu ein paar mehr Kontraste als üblich, was Tempo, Instrumentierung betrifft, oder die Dichte (wenn Piano-gesteuerte Ruhephasen eingestreut werden). Die früher gern verwendeten Marissa Nadler-Vergliche ziehen einerseits nicht mehr – andererseits aber doch, wenn man sich bestimmte Stücke aus deren letztem Werk anhört, die eine nicht ganz unähnliche Wendung vollziehen. Auf jeden Fall insgesamt ein sehr schönes Album, zumal immer wieder melodisch reizvoll gestaltet, mit zauberhaften Phasen (schon wegen ihrer Stimme).

 


 

 



Samantha Fish – Black Wind Howlin´

Black Wind Howlin'

Reissue auf LP

Neuauflage der 2. LP (von 2013) der US-Singer-Songwriterin und Gitarristin erstmals auf Vinyl, auf Ruf Records. Mit drei Fünftel der famosen Royal Southern Brotherhood eingespielt, inklusive Mike Zito, der auch produzierte (und einmal Duett-Vocals beisteuerte). Fast alles Originale, stimmlich wie gitarristisch on top, noch nicht ganz so variabel wie später, aber beileibe nicht ohne gehörige Abwechslung: Traditionsbewußte tolle Blues-Rocker, mal stürmisch und Slide-veredelt, mal deep und gemäßigter mit einem zeitweisen kleinen Verweis auf die Stones zu Mick Taylor-Zeiten. Eher mächtig rockender Blues als Blues Rock, noch deeper, extrem kraftvoll und saftig, in einem Fall leicht abgedunkelt und grandios tief im Inneren brennend, in beiden Fällen einfach superb. Eine ausgesprochen gefühlvolle schöne soulig-bluesige Ballade. Instrumental zurückhaltender eigentlich schon spartanischer akustischer Folk Blues (gesanglich klasse!). Ein schleppendem bluesbetontem Hendrix artverwandter Track. „Tanzender“ beweglicher Blues mit New Orleans-Untertönen. Blues von noch purerer Machart, ob mit dezentem Heavy-Touch (auch hier: gesanglich großartig) oder deutlich an den 50ern geschult, nur aufgebrochen durch ein fantastisches Wah-Wah-Solo (wild!). Schließlich als überraschender doch ebenfalls gelungener Abschluß ziemlich traditionell gehaltener Country. Viel Schärfe insgesamt, teils tief im Süden angesiedelt, exzellent auch die Gast-Harmonica von Johnny Sansone. Rückblickend inzwischen für mich ihr bestes Album, eine klare Empfehlung.

 


 

 


Dana Fuchs – Borrowed Time


Not Another Second on You

CD oder LP

Neues Album der US-Sängerin/Songwriterin, jetzt wieder auf Ruf Records. Sie erlangte vor 20 Jahren mit ihrer Rolle im „Love, Janis“-Musical am Broadway größere Bekanntheit, und ihre exzellente rauh-herbe optimal zum musikalischen Genre passende Stimme läßt Janis Joplin tatsächlich als eine ihrer wesentlichen Inspirationsquellen mehrfach erahnen (mit der sie eh hier und da verglichen wurde). Hier bewegt sie sich teilweise deutlich im Fahrwasser der frühen 70er (z.B. in Form von intensiv-eindringlichem Southern Roots Rock, ziemlich knallhartem bluesigem oder fast purem riffbetontem auf jeden Fall ebenso Southern-basiertem Rock, oder schnörkellosem Slide-verfeinertem Blues Rock mit einer kleinen Prise Stones der Mick Taylor-Phase). Genauso 70s- und Southern-lastig kommt ein Mix aus Rock und Americana, Letztere begeistert anderswo in einem rudimentären akustischen folkig-bluesigem Setting (inklusive Harmonica), und die (bluesigeren) Stones werden in einem weiteren Stück noch etwas stärker belehnt, diesmal allerdings eher in den späteren 70ern beheimatet, hinzu gesellt sich leidenschaftlicher schleppend-rockiger R´n´B der klassisch-zeitlosen Sorte. 3 Balladen runden vorzüglich ab: Eine Blues wie Soul einbeziehende wie aus einem Guß, eine bluesbetonte im Wechsel stark reduzierte und volltönende (von außergewöhnlicher Qualität!) und eine angenehmst an den sanften Hendrix erinnernde, teilakustisch und sehr schön einfühlsam, freilich ohne jede Gitarren-Extravaganz. Die allgegenwärtigen effektiven feinen Gitarren werden häufiger von Orgel, manchmal zusätzlich (E-) Piano unterstützt. Absolut gelungen!

 


 

 


Oumou Sangare – Timbuktu


Timbuktu

CD oder LP

2022er der Musik-Queen aus Mali. Der Kontrast der sozialen/politischen Realität in diesem gebeutelten Land und dem jahrzehntelangen unendlichen Strom fabelhafter Musik von dort könnte nicht größer sein. Wozu Sangare mit ihrer exzellenten Stimme und vielen ebensolchen Alben ein gutes Stück beigetragen hat – und auch hier weiter beiträgt! Gleich der Opener ist sowas von packend, zwingend, mitreißend… gewissermaßen „Mali in Rock“ , kraftvoll, ein fantastischer Groove und eine klasse den Sound stark mitbestimmende offensive E-Gitarre. Wobei elektrische Gitarre und akustische Saiten (wozu Dobro, Ngoni und Gitarre gehören sowie Slide, die aber partiell zudem elektrisch agiert) sich in fast jedem Stück begegnen, unterschiedlich gewichtet (wohingegen Tasten meist keine so große Rolle spielen, ab und zu ergänzen außerdem Flöte, Balafon, Geige). 2 Tracks vereinen Pop und Rock zu gleichen Teilen mit traditionsbewusstem West-Afrika, in relativ entspanntem Fluss , 2 weitere zelebrieren „klassischen“ verzahnten teil-elektrifizierten feinsten Mali-Sound in schnellen Grooves, der leicht überwiegende Teil des Albums jedoch konzentriert sich auf poetische, ruhige, sachte Klänge von oft erhebender Schönheit, instrumental phasenweise bestechend (all die wunderbaren Saiteninstrumente, mit Übergewicht der akustischen, oder auch die Flöte), manchmal federleicht fließend oder beinahe schwerelos verweht, zum Schluss ganz reduziert, mal irgendwie folkig. Ach ja, perfekt eingesetzte weibliche Backing Vocals agieren ebenfalls sehr effektiv (und attraktiv). Vieles war in dieser Form (und Klasse) schon früher von ihr zu hören, aber davon kann ich nicht genug kriegen, ihre Musik ist immer wieder ein Genuss. Klare Empfehlung!

 

 

 



Anna Von Hausswolff – Live At Montreux Jazz Festival

Live at Montreux Jazz Festival

nur CD

Live 2018, 6 Stücke von den Alben Miraculous und (vor allem) Dead Magic, mit einer Ausnahme alle lang und länger (eins bringt es auf 19 Min.). 2 Gitarristen agieren hier in ihrer Band, außerdem zusätzlich zu ihrer (Pipe) Orgel ein Synthie. Ich finde, live ist sie noch schwerer zu beschreiben als im Studio, sie entwickelt zudem eine noch einmal höhere (ganz enorme!) Intensität, treibt alles völlig schamlos auf de Spitze (gerade auch die Theatralik) – das Ergebnis freilich ist für mich der bisherige Höhepunkt ihres Tonträger-Schaffens! „Subtil“ allerdings geht anders… Ein paar Mal höre ich gewisse Parallelen zu den Swans (deutlich mehr jedenfalls als bei den Studio-LPs; sie spielte ja auch als deren Vorprogramm und gastierte auf der letzten LP), ansonsten reihe ich einfach mal punktuelle Assoziationen aneinander, ohne auf die einzelnen Stücke näher einzugehen: Punktuelle Stimmakrobatik in höchsten Höhen (und generell eine große Vokalbandbreite). Getragene wunderbare sich überlappende Wolken voller feiner Klangfarben. Sirenen in der Dunkelheit. Pomp und Drama in symphonischer beständiger Zuspitzung mit frei ausfransenden Crescendi. Stoische Rhythmik in Gothic Post Punk gebettet. Dark/Doom Metal meets hinreißende mystische Erhabenheit. Düstere Zeitlupen-Schönheit mit gedehnten repetitiven Melodien. Fast „normaler“ stimmgewaltiger Drama-Pop. Ganz entfernte Magma-Anmutungen. Modifizierte Sunn O-Ideen in beinahe sakraler Form. Verzerrte Tribal-Post Punk-Avantgarde unter Hypnose. Feierlichkeiten in stark verhallten Räumen konterkarieren Post Rock-Heaviness. Finsternis + brachialer Free Form-Freakout als suggestiver Malstrom. Doom-geladene Kathedralenwucht. Ostinati paaren sich mit Kakophonie… Ihre Schwester fungiert übrigens manchmal als Gesangspartnerin. Sehr speziell, sehr zu empfehlen!

 

 

 



Madrugada – Chimes At Midnight

Chimes at Midnight

CD oder 2LP

Nach ewig langer Funkstille doch noch das Comeback von Sivert Hoyem & Co. Einerseits hat sich nicht gar so viel geändert gegenüber den letzten LPs, sie setzen ohne jede Hemmung auf eine ordentliche Portion Pathos, daneben durchziehen Drama, Tragik, Elegie und zuweilen wohl kalkulierte Melancholie diverse Stücke, kurz: Hoch emotionale Musik, um in ihr gleichsam zu baden, getragen von dieser so außergewöhnlichen Stimme; andererseits fallen einige Veränderungen auf: Die wirklich handfesten dezidiert rockenden Sachen fehlen, die durchweg abgespeckten bis weitgehend akustischen ebenfalls, gelegentliche Folkelemente wurden weiter reduziert (die rohe/harte Indie-Attitüde noch älterer Platten sowieso), und REM-Parallelen, die früher ab und zu aufblitzten, höre ich ebenfalls kaum noch. Der Opener klingt großartig, punktuell inklusive Streicher, effektivst an- und abschwellende Intensität, rhythmisch sehr schön elastisch und fließend (was jeweils auch anderswo vorkommt). Ansonsten: Ein über weite Strecken vollmundiges Klangbild, einige sehr schöne Melodien, ein paar stark gitarrenlastige Songs (ob wunderbar klangmalend oder reizvoll verzerrt), das Piano mit Vorliebe reduziert, Tasten generell musikdienlich unterstützend. Gern balladesk, mal eine gewisse Schwere, mal leichtfüßiger, als ich sie zuletzt in Erinnerung hatte.

 

 

 



Wovenhand – Silver Sash

Silver Sash [Vinyl LP]

CD oder LP

Neues aus diesem Jahr, diesmal in Kooperation mit Chuck French (Planes Mistaken For Stars) geschrieben. Recht variabel und ein paar Mal für mich etwas überraschend. Im Einzelnen: Gothic Americana in finsterer suggestiver und erschöpfender Leidenschaft. Mystisch-schleifend-fräsender fast geheimnisvoller Stoff mit Sogwirkung. Pochender Electro-Gothic-Wave in zeitgemäß und auf links gedreht. Eine stoisch hämmernde repetitive Post Punk-Modifikation. Entfernte Gun Club-Parallelen, sägend-eruptiv-glühend. Eine emotional enorm aufpeitschende Kombination aus letzterem beidem. Beinahe hypnotischer „Heavy Gothic“ mit unerhört dichtem Klangbild aus geschichteten Gitarren (bis hin zu noisigen Spuren) mit einem Schuß düsterem Pathos. Eine Prise leicht elegischer Desert-Sound voller Atmosphäre und in delikatem Fluß. Gitarrenlastiger dezenter 80s-Post-Wave-Touch, schwer, stürmisch und mächtig intensiv. Insgesamt verwenden sie deutlich mehr Elektronik als gewohnt (nicht zum Nachteil!), zweimal klingen sie gar eine Spur psychedelisch, recht häufig ganz schön hart und heavy (natürlich nicht im Sinne der 70er). Und „Gothic“ heißt hier durchaus auch schon mal, daß selbst Fans von Sisters Of Mercy Gefallen finden könnten… Okay, 16 Horsepower bevorzuge ich nach wie vor, aber das Album gefällt mir sehr.

 

 

 



Birth Control – Operation

Operation

CD oder LP (ab 25.03.22)

Reissue der 2. LP (1971) der Berliner Band, auf Ohr, soweit ich weiß, seit längerer Zeit nicht mehr erhältlich. Für viele gilt Hoodoo Man als ihr bestes Werk, für mich ist es definitiv dieses. Hab ich in meiner Jugend geliebt. Was z.B. mit der attraktiven gerade auch melodisch teilweise ungemein starken Orgel zusammenhing (eher selten ersetzt/ergänzt von Piano/E-Piano). Zum anderen mit der Qualität der Songs als solchen, von den 6 (mit einer Ausnahme längeren, 6-11 Min.) Stücken hier fällt eigentlich nur einer ab. Vor allem Stop Little Lady, Just Before The Sun Will Rise und ganz besonders das tolle The Work Is Done (catchy, rhythmisch fein) gefallen mir auch heute noch sehr. Harter Rock bis zeittypischer Hard Rock, Prog Rock-Einfluß; zwischendurch dezente punktuelle/kurze Klassik-Anleihen (durch die Orgel), viel stärker noch im längsten und einzig ruhigen variablen völlig atypischen Track mit durchgängigem Piano und viel Streichern (und Pop-Elementen), sogar Nice-Anklänge. Besonders in den treibenden Phasen mit deutlichen Parallelen zu Deep Purple, anderswo kurz ein Hauch von Quatermass oder den Doors.

 

 

 


Dream Syndicate – What Can I Say? No Regrets… Out Of The Grey + Live, Demos & Outtakes
What Can I Say? No Regrets... Out of the Grey + Live, Demos & Outtakes (Deluxe Edition)

nur 3CD Box

2022er Release. Ein dicker Brocken, dreieinhalb Stunden lang. Auf CD 1 ist die „Wiederauferstehung“ der Band nach dem Weggang von Gitarrist Karl Precoda zu hören, ihre 3. Studio-LP, Out Of The Grey, von 1986. Die besteht aus einer Reihe mächtig kraft- und druckvoller kompakter guter bis sehr guter schnörkelloser Gitarren-Rocker (ohne ausufernde Soli!), neben ein paar etwas zurückhaltenderen/athmosphärischeren Songs (in einem Fall gar inkl. dezenter Pop-Anleihen), von denen einer dann doch das von den Vorgängern bekannte feinst massiv verzerrte Guitar-Feature bereithält, freilich ökonomisch und konzentriert gespielt. Je ein weiteres Stück erinnert entfernt an die frühen REM bzw. den elegisch rockenden Neil Young. Teilweise wirkt das Album etwas aggressiver/härter als zuvor. Die originale LP hatte 9 Tracks, die CD 11, hier sind es (wie auf dem ´97er CD-Reissue) 17, die 6 Bonustracks (7“-, (z.T. Promo-) 12“- und ein Fan Club-Cassetten-Track, großteils vom 1987) enthalten mit einer Ausnahme nur Covers, von u.a. Slim Harpo, Neil Young, Eric Clapton, Alice Cooper, darunter Let It Rain und Cinnamon Girl (beide beschleunigt und mit wenigstens etwas längeren Soli bestückt). Auf CD 2 findet sich ein unveröffentlichtes 80-minütiges Konzert (noch vor den Studiosessions 1985 in New York aufgenommen), das bereits 7 Songs von Out Of The Grey vorab vorstellt, teils um einiges länger, schnellere wie langsamere Versionen, mehr Solo-Auslauf für die Gitarren, immer von größerer Schärfe! Teilweise für meinen Geschmack besser als die Originale! Plus 3 Stücke von Day Of Wine & Roses (partiell im Charakter verändert, der Titeltrack erhält einen punkigen Anstrich), 2 von Medicine Show (John Coltrane Stereo Blues bringt es auf 12 Min., voller wüster geschredderter Gitarrenorgien), sowie It Hits You Again (als Demo nachträglich auf The Lost Tapes erschienener sehr feiner Song, hier auf CD 3 vertreten). Ebendiese CD 3 stellt 21 Stücke vor: 5 Demos von Out Of The Grey-Songs (2 davon, unüblicherweise länger und irgendwie geschliffener/gemäßigter als die LP-Fassungen, ziehe ich denen vor!), 2 weitere (besagtes It Hits You Again und Here On Earth As Well, gleichfalls gut und auf Lost Tapes enthalten), 2 frühe Live-Tracks von 1984, sowie jede Menge partiell sehr überraschende Covers (Outtakes, viele kurze Spielereien darunter); z.B. von Pink Floyd (Brain Damage und Another Brick In The wall), Alice Coopers Eighteen (gelungen, schön gedehnt), Green On Reds Sixteen Ways, Santanas No One To Depend On, Badge von Cream, Papa Was A Rolling Stone (originell); und ein dezent psychedelischer etwas längerer Jam.


 

 

 


Jethro Tull – The Zealot Gene
The Zealot Gene (Ltd. Deluxe 2CD+Blu-ray Artbook)

CD oder LP+DVD oder 6LP Box oder 3CD Box

Dass sie im Studio-Comeback nach satten 18 Jahren nicht ganz die Klasse alter Großtaten der 70er erreichen können, war eh klar, aber das hier ist absolut respektabel, erheblich besser als viele ihrer Werke in den letzten 40 Jahren, ich bin positiv überrascht. Auf der einen Seite stehen gleich 4 aparte teils variable/klangfarbenreiche rein akustische Folk-Stücke, mal sachte und ganz ruhig, mal ziemlich beschwingt, oder sehr schön poetisch. Hinzu kommt ein entspannter nur wenig elektrifizierter Folk Rock-Track. Ansonsten kombinieren sie gern wie in alten Zeiten verschiedenste Zutaten: Gitarrenriffs der härteren Sorte (inklusive ein kurzes Hard Rock-artiges Solo) treffen auf ausnehmend attraktive regelmäßig verwendete Flöten-Motive, punktuelle Prog-Elemente und kurzzeitige Folk-Anleihen (und in einem Fall zu viele Keyboards), weitere ähnliche rockige bis filigrane Kontrastprogramme folgen, Streicher und melodiöse Gitarren paaren sich in sehr üppigem Ambiente, zwei partiell in stärkerem Maße Piano-getragene Songs verbinden Prog, Rock, Folk und (geringen) Klassik-Einfluss (1x balladesk, 1x gemäßigt rockig). Farbige Musik, wie man sie von ihnen kennt, und natürlich jede Menge Flöten…

 

 

 

Big Thief – Dragon New Warm Mountain I Believe In You
Dragon New Warm Mountain I Believe in You [Vinyl LP]

CD oder 2LP

Soweit ich mich jetzt erinnere, hat es eine derartige Bandbreite bei ihnen bislang noch nicht gegeben. Und wie sie manche dieser Songs interpretieren, ist schon ganz schön originär, abseits der jeweiligen Genre-Gewohnheiten, allein die Rhythmik bei ein paar der Tracks, die 2,3 mal einen gewissen irgendwie „zeitgenössischen“ Touch entwickeln in eigentlich viel „konservativerem“, traditionsbewußterem Kontext, das geht bis hin zu dezenten Trip Hop-Anleihen. Im Prinzip trifft das (wenngleich selten) auch auf gelegentliche Gitarrensounds zu (die generell in ihrer Art eine höhere Variabilität aufweisen, gar mal kurzzeitig beinahe atonal klingen). Das alles macht die Musik umso reizvoller! Ich empfand ihre bisherigen LPs (besonders die letzten 2) als (zumindest weitgehend) ausgezeichnet, ohne dass sie mich komplett vom Hocker gerissen hätten, aber das hat sich hier nun geändert. Ohne, dass ich richtig wüsste, warum. Vielleicht, weil mich ein deutlich größerer Anteil der Stücke auf Anhieb melodisch packen. Im Einzelnen: 2x Country-Indie-Pop von strahlender infektiöser Melodiösität, die ganz natürlich und „nicht gewollt“, fast nonchalant rüberkommt (was freilich auch auf einige weitere stilistisch anders beschaffene Songs zutrifft) – ziemlich wunderbar, teils von relaxter guter Laune durchzogen. Catchy genauso toller stark entschlackter Indie-(Roots-) Pop. Ein innovatives Amalgam irgendwo zwischen Pop, Post Wave, Psychedelia und Afro-Einfluß mit hypnotisch rotierender Begleitung, die sich stark vom Gesangstypus abhebt – erstaunlich und faszinierend! 2x einfach wunderschöner zartester leiser (Songwriter-) Folk. Feinst angeschrägter Guitar-Pop/Rock (eine Spur Crazy Horse). Zeittypische Americana mit Tweedy-Ähnlichkeiten. Relaxt-fatalistischer Strange Folk der anderen Art. Sehr dicht gespielter mehrschichtig gitarrenzentrierter geradezu manisch, stetig und, hmm, monochrom voranschreitender Rock, extrem eigenwillig. Feen-Folk-Pop von herrlicher Leichtfüßigkeit, verzaubernd filigran. 2x ganz sparsamer traditionell orientierter akustischer Country/Folk, der mich angenehmst an Gillian Welch erinnert. Zeitgenössischer Unterwasser-Pop mit leicht experimenteller Ader. Eine ausgesprochen nackt wirkende massiv reduzierte Folk-Ballade, die aber keineswegs einen konventionellen Eindruck macht, samt eigenartig und bestechend vibrierenden Gitarreneffekten (nebenbei ein brillanter Song!). Rhythmisch im Heute befindlicher Post-Wave-Pop mit phasenweise 80s-Referenzen (Cure-Gitarren), harmonisch teils zerschossen. Dezent repetitiver Americana-Pop, vollkommen zeitlos (wie vieles hier). Und das ist noch nicht mal alles, insgesamt breiten sich satte 20 Stücke in 80 Minuten aus. Ach ja, ganz entzückend kommen auch diverse Harmony Vocals, und Melancholie in teilweise schon unbeschwert und „leicht“ anmutender Form durchzieht einen Teil des Werkes. Große Kunst, eine ebensolche Empfehlung!

 

 

 

Bill Callahan & Bonnie Prince Billy – Blind Date Party
Blind Date Party

CD oder LP

2022er. Traumbesetzung, zu den beiden Hauptprotagonisten kommen in jedem der 19 Tracks (jedes Mal andere) Gäste hinzu, u.a. Matt Sweeney, Meg Baird, Alisdair Roberts, Mick Turner (Dirty Three), Ty Segall, Sean O´Hagan (High Llamas), Six Organs Of Admittance, David Grubbs, Cory Hanson, Bill MacKay (u.a. Ryley Walker-Begleiter), David Pajo (Will Oldham, Tortoise, Slint). Das Album entstand seit Oktober 2020, Bill und Bonnie suchten sich Lieblingsstücke heraus, luden bei jedem Track Musiker ein, die völlig freie Hand erhielten und stellten die Songs anschließend nach und nach ins Netz. Um es jetzt als 90-minütiges Album zu veröffentlichen. Gespielt werden neben je einem (alten) eigenen Song (von Smog bzw. Palace) Covers von Cat Stevens, Hank Williams Jr., Steely Dan, Billie Eilish, Jerry Jeff Walker, Iggy Pop, Johnny Frierson (Gospel-Musiker aus Memphis), Robert Wyatt, Leonard Cohen, Silver Jews, John Prine, Lowell George, Dave Rich, Lou Reed, The Other Years, Air Supply. Eine ungeheure Vielfalt also, wobei die Musik teils wenig mit dem Original/dem Komponisten zu tun hat, aber ebenso abwechslungsreich ausfällt. Und öfters massiv überrascht respektive die Erwartungen sogar regelrecht zerstört! Natürlich ist vieles vorhersehbar, wie z.B. eine ruhige entspannte Americana-Ballade (Folk, Country + Gospel, superb), sachter Folk Pop und Folk Rock, balladesker Roots-Pop in Vielfalt, 70s-Outlaw Country-Tendenzen (wunderbar!), feinster zerbrechlicher zarter Folk (oder eher Americana) in reduzierter Form, ein becircender fast ergreifender und herrlich lockerer/spontaner Folk-Gospel-Mix; auch Folk Rock mit Störfeuer-Einspeisungen in betont lose und leicht experimentell (rhythmisch fast ohne Akzente) oder ein Hauch Ethno im westlichen Songwriter-Modus überraschen angesichts der ganzen Drag City-assoziierten Mitwirkenden nicht. Akustisch-elektronischer Pop/Electronica (mit sehr schönen Synth-Klangfarben), Songwriter-Rock in immens harsch/verzerrt bis heavy mit Widerhaken und alles dominierenden E-Gitarren, immens schlieriger/dreckiger Groove Rock oder ein Roots-Electro-Reggae-Mix aber schon! Überhaupt werden wenigstens 6x Synthies (2x sogar programmiertes Schlagwerk) eingesetzt, u.a. auch in einer Art (sehr gutem!) Indie Rock oder abgespeckt-stoischem Electro-Pop mit einem Hauch Blues versetzt. Richtig toll ist das über 7-minütige Robert Wyatt-Cover (es gibt einige lange Tracks), eine originäre phasenweise geradezu erhabene Mixtur aus Psychedelic, Jazz und Avantgarde. Eine ganz große Stärke ist der Gesang: Über weite Strecken 2- bis mehrstimmig, und zwar gern gleichberechtigt und erstaunlich häufig (vor allem von Bonnie und Bill selbst) fast durchlaufend eingesetzt (nicht nur punktuell), anderswo klassische Harmony Vocals oder als Duett, mal ein kleiner Chor… Klasse! Enorm breit gefächert begleitet, u.a. kommen neben akust. und E-Gitarren sowie besagten Synthies Geige, Harmonium, Piano, Orgel, Bläser, Flöte, Harmonica, Pedal Steel zum Einsatz, immer wieder anders arrangiert und kombiniert. Am Stück gehört wirkt das Album beinahe erschlagend, voller Höhepunkte und Seltsamkeiten…

 

 

 

Keb Mo – Good To Be
Good To Be...

zur Zeit nur CD

Neues aus 2022 mit Gästen wie Vince Gill, Darius Rucker, Old Crow Medicine Show, Tom Hambridge, Marcus Miller, eine gute Bandbreite also, die resultierende musikalische Mixtur ist ziemlich typisch für ihn: Klassischer groovender erdig-süffiger R´n´B wie vor 50 Jahren (mit Bläsern); komplett zeitlos wirkender ebenfalls groove-betonter R´n´B mit einer kleinen Pop- oder sogar Folk-Zugabe; eine sehr schöne Tendenz zum Country-Soul, R´n´B-veredelt und geschmeidig und „seidig“ klingend, anderswo jedoch deutlich handfester gespielt bei gleichzeitiger Umkehr der stilistischen Anteile; eine exzellente noch einmal groovende sowie gutgelaunte Rundum-Southern-Roots-Americana-Grandezza; slickerer angefunkter R´n´B mit Parallelen zu den späteren 70ern; 2 Songwriter-Balladen mit Streichern, von denen eine, ich kann mir nicht helfen, phasenweise wie ein rootsverstärkter Randy Newman anmutet (die andere wartet mit Soul-Pop-Verweisen auf); ein Bill Withers-Cover (Lean On Me) ohne Überraschungen, aber würdig dargeboten; ein Slow Blues, wie er schon in den 60ern hätte geschrieben werden können; und schließlich melodiestarker warmer souliger R´n´B ohne zeitliche Präferenzen. Das Ganze stimmlich exquisit, natürlich.

 


 

 

 

Animal Collective – Time Skiffs
Here Comes the Indian

CD oder LP

Für ein paar Jahre waren sie quasi meine Lieblings-„Indie“-Band, nach diversen Stiländerungen irgendwann nicht mehr. Das hier, seit längerem endlich eine neue reguläre Studio-LP, ist zwar keine Rückkehr zur gloriosen Magie von Alben wie Merriweather Post Pavilion oder Strawberry Jam, klingt auch nicht genauso, aber die alte bunte schillernde Vielfalt der Sounds, die Farbenpracht ist da, teilweise auch die faszinierende Mehrstimmigkeit der Vocals (zumindest punktuell, wenn auch z.T. etwas weniger komplex, doch in fast jedem Song eingearbeitet). Mündend in vielschichtiger Popmusik (in weitem Sinne) von ganz erheblicher Klasse, nur moderat aktualisiert, kein „Future Pop“ wie damals, dafür in vielen Passagen wunderbar (zeitgemäß) psychedelisch leuchtend, fluoreszierend, mal von versteckten Spät-60er-Einflüssen durchsetzt, mal eine Art Psyche-Space, mal schon beinahe Trance-artig (die Psyche-Anleihen auf die Spitze getrieben). Für mein Gefühl haben sie zudem das ehedem recht hohe elektronische Flair deutlich vermindert (ohne daß es verschwunden wäre). Von besonderem Reiz ist die Rhythmik (neben ein paar simpel gestalteten Tracks): Mehrfach über weite Strecken fast stoisch wirkend (bei geraden Rhythmen, allerdings raffiniert bis unorthodox aufgebaut!), anderswo (wenigstens 3x) so komplex, daß es Mühe macht, sie zu „entziffern“, obwohl sie einen flüssigen Eindruck machen, und zwischendurch häufiger 1,2 geschickt platzierte Breaks im Song, die das Dechiffrieren manchmal noch schwieriger machen – all das kommt so irgendwie selbstverständlich und natürlich daher, daß es einfach Spaß macht, freudvoll auflockert, die Attraktivität weiter steigert, auch ohne eine weitergehende Analyse zu starten. Am Anfang oder (vornehmlich) Ende der Mehrheit der Stücke zerfasern die kompakten Songstrukturen bewußt, z.B. auf spacige Art, weitgehend rhythmuslos, teils leicht verweht. Ansonsten erfreuen hier federleichte, dort nahtlos im Fluß eingebettete repetitive Passagen oder Karibik-Spuren, vor allem aber die reiche Melodik! Mit 1,2 Ausnahmen gefallen mir alle Songs sehr, einer erreicht tatsächlich die alte berauschende Qualität, 2 weitere annähernd! Ich bin ausnehmend positiv überrascht!

 

 

 

Bob Marley & The Wailers – The Capitol Session ´73
The Capitol Session '73

CD oder LP oder DVD

2021er Release. Ein großartiger! Erstaunlich, daß immer noch solch tolles unveröffentlichtes Material von ihm ausgegraben werden kann. Wobei das hier fast alles schlägt! Ein Quasi-Live-Konzert vom Oktober 1973 in Hollywood, fast ohne Publikum in einer erzwungenen Arbeitspause (sie wurden mitten aus einer laufenden Tournee als Vorband von Sly & The Family Stone wieder „ausgeladen“, weil sie dem Hauptact die Show stahlen) professionell aufgenommen (der Sound ist absolut okay), noch dazu liefen 4 Kameras mit. 12 Songs in 60 Minuten, auf DVD (konnte ich noch nicht sehen) sogar 88 (plus 2 Bonustracks, diverse Stücke wurden wohl noch länger ausgespielt als eh schon auf Vinyl/CD verewigt). Classic Reggae in der relativ frühen Form, unverwässert und „trockener“ als später vielfach üblich. Das wundervolle leicht spirituelle Rastaman Chant, 7 Minuten lang, enthält gar noch Nyabinghi-Spurenelemente. Bunny Livingston/Wailer war kurz zuvor gegangen, ihn ersetzte hier sehr kompetent Sänger/Percussionist Joe Higgs, Peter Tosh war noch dabei (und glänzt auch an der Gitarre), die Stücke stammen mit einer Ausnahme (das recht seltene You Can´t Blame The Youth) aus den gerade herausgekommenen Alben Burnin´ und Catch A Fire. Darunter die Klassiker Duppy Conqueror, Burnin´ And Lootin´, No More Trouble (alle exzellent!), Kinky Reggae, Stir It Up und Get Up Stand Up (alle noch besser!!), meist in 5-7-minütigen Fassungen. Auch Slave Driver und Put It On gefallen mir sehr. Absolut bestechend ist die absolut unbeschwerte, lockere, vitale, spontane, vitale und bewegliche Spielweise hier, sowie das ebensolche streckenweise beinahe quirlig zu nennende Zusammenwirken der diversen Sänger. Orgel und E-Piano wechseln sich ab (ein paar Mal samt schöner dezent jazziger Läufe), ab und zu mal ein Gitarrensolo, Extra-Percussion spendiert weitere Attraktivität. So weit ich weiß, ist das ihr erster gefilmter Auftritt, musikalisch gehört er zu den allerbesten, die ich von ihnen kenne, übertrifft z.B. auch das einen Monat später gespielte Konzert auf der Deluxe-Edition von Burnin´ (Live At Leeds; wo zudem u.a. das gloriose Rastaman Chant fehlt) oder die inoffiziellen CDs der Zeit, „Live ´73“ (Boston) bzw. „Live At The Record Plant ´73“ (die sich nebenbei merklich bei der Playlist unterscheiden). Diese Perle erschien schon vor ein paar Monaten, Gott sei Dank bin ich noch drüber gestolpert, eine große Empfehlung!

 

 

 

Aimee Mann – Queens Of The Summer Hotel
Queens of the Summer Hotel

CD oder LP

Ich kann dieses Album nicht im Kontext ihres Gesamtwerkes beurteilen, weil ich nur einige ihrer Platten kenne, aber ich weiß, daß es mir besser gefällt als alles, was ich von ihr bislang gehört habe. Keine Ahnung, ob sie so was schon mal gemacht hat. Eine Art Konzeptwerk (über psychische Erkrankungen), thematisch wie musikalisch anspruchsvoll, wunderbar reife Musik, die tief in alten Zeiten wurzelt, von den 60ern bis in die 30er zurück (ohne dort stehen zu bleiben, kein Abkupfern, das Klangbild bietet mehr, eine größere Zeitlosigkeit, ertrinkt schon gar nicht in Sentimentalität oder Klangmeeren, zudem wirkt alles deutlich „ernster“, überlegter, nachdenklicher als vielfach gewohnt). Old-fashioned Pop, die Qualität der Songs, ihr Gehalt, die Melodik sind durchweg hoch, egal, ob in „normaler“ Songlänge (bei 4 Minuten ist Schluß) oder in kurzen Miniaturen. Die Kunst des Arrangements ist enorm ausgeprägt, Piano und kleine wie größere Streichergruppen und z.T. auch Holzbläser stehen im instrumentalen Zentrum, bilden eine einfach kongeniale Einheit, in differenzierter Form, nie überbordend, glänzend und beweglich geformt, wozu punktuell feinste mehrstimmige Vokalparts (oder auch relativ simple aber schöne Backing/Harmony Vocals) gehören. Die Musik ist in keiner Phase irgendwie „aufregend“/sonderlich offensiv, aber es passiert dauernd irgendetwas, das die Aufmerksamkeit nie erlahmen läßt, hier und da kurze Dynamikschübe, unerwartete Richtungswechsel, rhythmisch aparte Feinheiten… Und Parallelen zu bestimmten Songs von Leuten wie Randy Newman oder Carole King gibt´s auch.

 

 

 


Neil Young & Crazy Horse - Barn
Barn [Vinyl LP]

CD oder LP

Neues Werk von Neil Young mit Nils Lofgren von Ende 2021 mit  3 Song-Typen: Der folkige Neil aus alten Zeiten, fast wie vor 50 Jahren, mit kleiner großteils akustischer Band samt Backing- und Harmony-Vocals, spontan und angerauht und einfach schön wirkend, kurzzeitig gar ein kleines bischen zerbrechlich, z.T. mit Piano, gelegentlich Akkordeon- und Harmonica-Einsatz. „Klassische“ Crazy Horse, jedoch eher kompakt/knapp gehaltene nicht ausufernde Songs und ohne die allerletzte Schärfe, melodisch wie ziemlich hart bzw. schleppend-heavy, nur einmal sehr roh (abgemildert durch Backing-Vocals) mit megaschneidender/zerrender/schlingernder Gitarre samt beinahe noisiger Einlagen. Schließlich 2x rumpeliger/garagiger ebenfalls recht konzentrierter Bar-Room-(Multi-)Roots Rock mit 70s-Flair (resp. völlig zeitlos), noch spontaneres, fast „unfertiges“ Feeling mit Piano, Harmonica und punktuell/plötzlich hereinbrechenden E-Gitarren. Der Höhepunkt allerdings ist der einzige richtig lange Track (über 8 Min.), elektrisch aber ruhig und ungewohnt „nackt“, z.T. gerade in den Gitarren filigran, eine begleitend bis lyrisch, eine unberechenbar (doch nie ausflippend/ausufernd/wirklich laut oder roh) und wundervoll punktierend, schon mal harmonisch „abrutschend“. Klasse! Auffällig: In den leiseren/gemäßigten Songs treibt er seine Stimme öfters als in den letzten Jahren auch immer wieder in die Höhen. Kein neues Meisterwerk, aber ein ausgesprochen sympathisches und unerwartet vielfältiges Album.

 

 

 

Bruce Springsteen – The Legendary 1979 No Nukes Concerts
The Legendary 1979 No Nukes Concerts

CD+DVD / CD+BRay oder LP

21er Release. Gleich vorweg: Für mich unverzichtbar. Die Fakten: 1979 fand bekanntlich dieses Anti-AKW-Festival im Madison Square Garden statt, Bruce war der Hauptact, es erschien ein Dreifach-Album, aber nur mit 2 kurzen Springsteen-Stücken. Jetzt wird das komplette Material (90 Minuten) zugänglich gemacht, auch auf DVD (es gibt ja nur ganz wenig Videomaterial von ihm aus den 70ern, und meines Wissens kein Konzert in dieser guten Sound- und Bild-Qualität!). Aufgenommen in der Top-Phase der Band, und das merkt man. Erstmals überhaupt sind live Sherry Darling und The River (beide im gleichnamigen Album erst 1 Jahr später veröffentlicht) zu hören, beide zählen für mich (im Lichte der Historie der Stücke und/oder verglichen mit anderen Live-Versionen) zu den Höhepunkten (wenn man davon überhaupt sprechen kann, eigentlich fällt kaum ein Song ab, das ganze Konzert ist ein Highlight), neben Badlands und Jungleland. Ebenfalls dabei: Prove It All Night, Promised Land, Rosalita, Born To Run, Thunder Road, also eine geballte Ladung seiner besten Stücke. Der 27-minütige Zugabe-Block (inklusive selten gespielter Tracks) enthält einen weiteren speziellen Höhepunkt, nämlich Rave On, ansonsten ausschließlich weitere uralte Coverversionen: Das bekannte Detroit-Medley (Devil With The Blue Dress, Good Golly Miss Molly, CC Rider, Jenny Take A Ride), Quarter To Three und Stay (auch von Jackson Brownes Running On Empty bekannt, der hier neben Tom Petty und Rosemary Butler gastiert). Das alles strahlt eine enorme Dynamik, Power, Energie und Herzblut aus. Was fällt sonst noch auf? Vielleicht die Schärfe der Gitarren hier und da, oder seine Hommage an James Brown (showmäßig) bei den Zugaben… Ganz großartiger Stoff!

 

 

 



Vibravoid – Zeitgeist Generator

Zeitgeist Generator

CD oder LP (ab März '22)

Schon seit langem sind sie eine wahre Institution der Psychedelia, in Deutschland sowieso, und auch international eine der besten Bands des Genres. Vieles hängt bei ihren Alben von der Qualität des Songmaterials ab, der Sound/die Instrumentierung ist eh fast immer state of the art – auch auf dem neuen 75-minütigen Werk, ganz besonders sogar. Nur mittel-lange und kürzere Stücke diesmal (mit einer 16-minütigen Ausnahme), entsprechend steht weniger die ausufernde Improvisation/Jam-Feeling im Vordergrund, erfreulicherweise zeichnet viele Tracks ein gewisser Songcharakter aus, samt einer Menge feiner Gitarren-Licks/Motive. In der Mehrzahl sind ziemlich begeisternde, druckvolle und recht scharfe Mixturen aus purem Psychedelic- und Acid Rock zu hören, mal mit Spuren von Hawkwind verquickt, häufiger gleich mit einer ordentlichen Portion Space ergänzt (die teilweise den Acid-Anteil komplett ersetzen) – wunderbare kunterbunte sirrende flirrende blubbernde Klänge! Sporadisch kommt eine Art 70s-Groove hinzu. Daneben stehen diverse Tracks, die im Kern dem 60s-Garage (-Acid Punk) frönen, freilich mit ungewöhnlich starkem Psychedelic-Einschlag und melodischer Ader, hier ein Hauch 13th Floor Elevators (superb! Der elektrische Krug quasi durch Synthies ersetzt), dort massivste Säuregitarren. Gelegentlich tauchen zudem fast schon Psyche-Pop-Tendenzen auf, im Geiste der späten 60er, ob mit Druck und Power oder als grandiose konzentrierte/kontrollierte Effektgewitter in großartiger geradezu mega-psychedelischer Form – eines der beiden absoluten Highlights, neben einem ausnahmsweise etwas ruhigeren Song mit toller hypnotischer Ausstrahlung. Zwischendurch bauen sie sporadisch kurze abgedrehte bis gar ein bischen avantgardistische Phasen ein. Ausgerechnet der 16-Minüter wirkt irgendwie „zeitgenössischer“, mit starkem elektronischem Flair und „modernerer“ groovender Rhythmik plus fake-indischen Elementen. Insgesamt ein ultrapsychedelischer Trip, ein weiterer Beweis ihrer Klasse und Ausnahmestellung!

 

 

 


Neil Young – Carnegie Hall 1970
Carnegie Hall 1970

CD oder LP

21er Release. Schon wieder startet er eine neue Reihe: „The Neil Young Official Bootleg Series“. Vermutlich alles komplette Konzerte, wie dieser Teil 1, aufgenommen am 4.12.1970 (das Besondere: Die existenten Bootlegs stammen von der 2. Show, dieses Set von der laut Neil erheblich besseren 1., gänzlich unbekannt). Die originalen Mehrspurbänder wurden verwendet, der Sound ist gut, er spielt solo (6 der 23 Songs am Piano, sonst Akustikgitarre, 91 Minuten lang). Ein durchweg „schlichtes“ ganz außergewöhnlich schönes Konzert ohne Schwächen, über weite Strecken ausgesprochen zart/sanft (auch im Vergleich mit den Studiofassungen der Balladen der Zeit), es liegt eine eigentümliche und sehr reizvolle Atmosphäre über vielen Stücken – nicht Melancholie, aber auf dem Weg dorthin. Und seine Stimme klingt einfach fabelhaft, tadellos, immens gefühlvoll phrasierend, ein feines/kaum wahrnehmbares Vibrato hier und da, phasenweise regelrecht verzaubernd. Dargeboten werden große Teile der gerade erschienenen LP After The Gold Rush (inkl. einem erst kürzlich veröffentlichten Outtake), die 3 besten Songs von Everybody Knows (Cinnamon Girl, Cowgirl In The Sand, ein frappierend anrührendes Down By The River), vom Debut nur Loner (herausragend und kontrastreich, v.a. der Gegensatz zwischen weicher Stimme und stark rhythmisch und härter orientierter Gitarre – was auf mehrere Tracks zutrifft), 2 Stücke „aus der Zukunft“ (Old Man von Harvest 2 Jahre später, See The Sky About… 4 Jahre später! Beides definitive Highlights), gleich 5 noch aus Buffalo Springfield-Zeiten (u.a. I Am A Child und das ungemein ausdrucksvolle Expecting To Fly, klasse!), Dance Dance Dance stammt vom Crazy Horse-Debut (ohne Young), 3 Tracks waren erstmals von CSNY zu hören (darunter Ohio, On The Way Home), Bad Fog Of Loneliness erschien erst 2007 auf Live At Massey Hall. Außerdem großartig: Helpless, Southern Man, Ohio, After The Goldrush (unorthodoxes harmonisch z.T. gewagtes Piano, super!) und Sugar Mountain (interessant und witzig, wie er mit dem Publikum umgeht, 3x den Song neu beginnen muss, ihn im 3. Versuch ganz anders intoniert, superzart, und dann ganz langsam anzieht, 7 Min. dauert das). Bleibt die obligatorische Gretchenfrage: Brauch ich das auch noch? Mus ich, wie schon bei Way Down… und Young Shakespeare kürzlich, mit „Ja“ beantworten.

 

 

 


Eric Bibb – Dear America
Dear America

CD oder LP

Der Mann hat so viel gutes Zeug rausgebracht, aber hier hat er sich selbst übertroffen. Mit sein bestes, wenn nicht DAS beste Album. Top und vielfältig, klangfarbenreich arrangiert/instrumentiert, voller Einfühlungsvermögen und Klasse gesungen sowieso. Und hochkarätige Gäste in Reihe: Steve Jordan/Drums, ein paar Mal tatsächlich die Bass-Legende Ron Carter (Miles Davis etc. etc.), Eric Gales, Chuck Campbell, Billy Branch, als jeweils erstklassige Duett-Sängerinnen Shaneeka Simon und Lisa Mills… Auch stilistisch relativ variabel, ob traditionsbewußter Blues (veredelt durch E-Gitarre und Drums in einem Fall, durch allerfeinstes Songwriting herausragend sowie effektvollst reduziert im anderen), spannungsreicher geradezu suggestiver variabler Groove-Roots-Sound mit Blues-Schwerpunkt und großartiger Pedal (Lap?) Steel, ganz oder teilweise akustische (von u.a. Blues) erweiterte Folk-Songs (und zwar erstklassige, ruhig, sparsam und zugleich intensiv, ein bischen verzaubernd), bluesig, rootsig, ansteckend (mittels ganz natürlich wirkendem Groove) und songwriterisch 1A, dezent rockiger R´n´B mit Gospel-Elementen in gefühlvoll, ganz nackter entschlackter schöner schlichter Folk, angefunkt und ein bischen verwandt mit Curtis Mayfield ca. 1970 (mit sparsamem punktierendem Bläsereinsatz), gutgelaunt-ansteckend groovender R´n´B/Soul (aus derselben Zeit inspiriert, vielleicht Marvin Gaye und nochmal Curtis), sanft-einfühlsame und deepe akustische immens aparte multiple Roots-Musik, um spätere Jahrzehnte erweiterter teilweise ziemlich archaischer Blues in reduziertem Trance-Groove. Und eben immer wieder exzellentes Songmaterial! Klare Empfehlung!

 

 

 


Elvis Costello/Various Artists – Spanish Model
Spanish Model

CD oder LP

Ein sehr spezielles nach eigenen Ideen entwickeltes Projekt, dass den Groß-Klassiker „This Years Model“ in einen neuen Kontext stellt. Die Instrumentierung ist die originale, aber neu (und z.T. merklich anders) abgemischt (produziert von Sebastian Krys), manche Stücke fallen etwas länger aus (2 davon immerhin eine halbe Minute), weil ausgeblendete Parts ausgespielt zu hören sind (in einem Fall wird gar ein Dub-Rap-Duett-Part mittendrin eingefügt), hier und da sind Orgel oder Gitarre leiser oder prominenter gemixt, etc. Vor allem aber wird Costellos Gesang (in diversen Fällen ausgezeichnet!) ersetzt von in ihren Heimatländern bekannten bis berühmten Sängern und Sängerinnen, durchweg spanisch gesungen, wodurch einige Songs einen doch signifikant anderen Charakter erhalten – mehrfach einen etwas stärkeren Pop-Appeal. Und die Klasse der Melodik kommt so hier und da sogar noch besser zur Geltung. Andere Tracks wirken auf eine sonderbare Art ein bischen „aktueller“ (tatsächlich wurden manche Texte auch in diese Richtung modifiziert), oder deutlich emotionaler/inbrünstiger, oder die Schärfe wird verringert. Besonders auffällig (und gut!) kommt der „neue“ so noch nie gehörte Schluss von Pump it Up, mit einer harten Gitarren-Zwiesprache. Zu den 12 Originaltracks kommen 4 Outtakes/B-Seiten/Demos hinzu (u.a. Radio Radio). Das hat tatsächlich seinen Reiz!

 

 

 


The Colorist Orchestra & Howe Gelb - Not On The Map
Not On The Map

CD oder LP

Mr. Giant Sand in Begleitung einer eigenständigen 8-köpfigen Gruppe (die mit ähnlichem Konzept mehrere LPs herausbrachte, bei denen sie mit Singer-Songwritern unterschiedlichster Couleur kollaborierte). 2/3 Streicher, außer Bass wenig Saiteninstrumente, Orgel/Piano/Keyboards, differenziert, fast filigran aber markant eingesetztes Schlagwerk und bunte Schlaginstrumente wie Vibrafon, Marimba u.a. bilden das außergewöhnliche und ebenso (vielfältig) arrangierte Gerüst. Klassifizierungen fallen sehr schwer, sagen wir, eine allumfassende Americana/Folk/Pop-Melange mit ein paar Ethno- oder sogar Klassik-Spuren, farbenreich, individuell-originell, meist ein bisschen mysteriös, unglaublich atmosphärisch, öfters viel Hall. Unter den 10 Stücken befinden sich 4 Duette mit Pieta Brown, die einigen Kontrast bieten (bei zweien dominiert Brown, gern in wundervoll sanft-betörender Weise, während Gelb mal wieder die sehr sachte bis beinahe flüsternde Variante bevorzugt). Der größere Teil der Tracks setzt auf einen dezenten aber akzentuierten teils völlig zurückgenommenen Flow, wahlweise gewürzt von kurzen dramatischen Spitzen, einer Prise Latin, leicht wehmütiger Stimmung, völlig relaxt oder quasi versunken und introvertiert (herrlich schön!). Der Rest pendelt zwischen dunkel- feinsinnigem detailreichem und faszinierendem Schleicher, introspektiver massiv wehmütiger Ballade, suggestiver Anmutung in Zeitlupe samt Drone-artiger Sounds zeitweise sowie düster-melancholischer gänzlich in sich zurückgezogener Gangart (ohne Percussion). Eine Bereicherung von Gelbs Diskografie!

 

 

 


Billy Bragg – The Million Things That Never Happened
The Million Things That Never Happened

CD oder LP (ab 01.22)

Ein neues Werk vom  Singer-Songwriter von großer Reife. Er hat einfach immer weiter gemacht, hat auch die lange Zeit sein Image stark prägenden Polit-Aktivitäten und Statements nie aufgegeben, war aber in den letzten 20 Jahren nicht mehr so präsent (dies ist, nach 5 Jahren Pause, erst seine 4. LP nach 2002). Ein unaufgeregtes, edles, dezidiert werthaltiges Werk mit ein paar echten Perlen, auf angenehme Art vollkommen zeitlos (ohne jegliche Modernismen), differenziert produziert (manche Instrumente springen einem zeitweise förmlich ins Gesicht, anderes spielt sich eher im Hintergrund ab, eher sparsam und vornehmlich bis gänzlich akustisch gehaltene Stücke wie unaufdringlich vielschichtig instrumentierte, getragen von viel Piano, Orgel und/oder Mellotron, mehr elektrische als akustustische Gitarren, dazu Pedal Steel, Geige/Fiddle, mal Banjo). Geblieben ist seine Vorliebe für Balladen, vieles klingt eher amerikanisch als britisch (mit Ausnahmen), leicht rootsiger Pop steht neben Folk-Rock, Songwriter-Country (in einem Fall auch tief traditionell geprägter) oder simplen Folk-Balladen, gar mal versteckte Gospel-Spuren. Im Grunde eine Art Americana, das kennt man ja von ihm. Insgesamt abwechslungsreich gestaltet, oft grundlegend einfühlsam, zwischendurch etwas elegisch oder melancholisch, zuweilen sehr eindringlich, anderswo tiefenentspannt, dezent zerbrechlich oder von umfassender bestechender Ruhe durchzogen, so etwas wie eine leise Hymne, zum Schluß sehr schön ansteckend. Ein absolut empfehlenswertes Album!

 

 

 


John Coltrane – A Love Supreme: Live In Seattle
A Love Supreme: Live in Seattle

CD oder LP

21er Release, unveröffentlicht, offiziell auf Impulse, ziemlich sensationell. Die Original-LP, Ende 1964 produziert, gilt für viele als eines der besten, oft DAS beste Jazz-Album aller Zeiten. Bislang war nur ein Konzert bekannt, bei dem er das monumentale Werk aufführte, in Antibes im Juli 1965. Nun wurden unbekannte Live-Tapes gefunden, im Oktober 1965 mitgeschnitten auf einer Ampex-Maschine mit 2 Mikros vom Club-Besitzer des Auftrittsortes (ein langjähriger Freund von Coltrane; die bekannte Seattle-Doppel-CD stammt übrigens vom selben Ort, ein paar Tage früher, freilich ohne Love Supreme), in insgesamt angesichts der Umstände doch erstaunlich guter Tonqualität – nicht gerade das non-plus-ultra in Sachen Ausgewogenheit des Klanges (die Drums laut, die Saxes oft etwas zu leise, Trane bewegt sich manchmal auch vom Mikro weg), aber in Stereo, kein Klangbrei, recht klar im Sound! Der Unterschied der Versionen ist beträchtlich: Die Studiofassung und Antibes (33 und 48 Min. lang) wurden mit dem „klassischen“ Quartett aufgenommen, das hier mit 3 zusätzlichen Musikern: Der frisch in die Band gekommene Pharoah Sanders sowie ein 3. Saxofonist (Carlos Ward) und 2. Bassist (Donald Garrett), zudem befindet sich Trane hier schon in seiner Free-Phase. Das Ergebnis erstreckt sich über satte 73 Minuten, was nicht nur an den diversen ausgiebigen (hier als „Interludes“ bezeichneten) Bass- und Drum-Soli zwischen den 4 Teilen der Suite liegt, auch das Ensemblespiel wurde stark ausgeweitet. Anders als der (relativ!) nah an die Studio-LP angelehnte Antibes-Auftritt geht´s hier entsprechend musikalisch erheblich weiter, es gibt große harmonische Freiheiten (abgesehen von den Soli teilweise merklich auch beim Piano) die Rhythmik bewegt sich zwischen Fluß, Puls, Polyrhythmik und komplexerem Swing (mit wechselnder Gewichtung), insbesondere Sanders zelebriert immer wieder puren kompromißlosen Free Jazz (in langen Statements), Trane changiert zwischen erweiterter Modal- und inspirierter Free-Spielweise sowie melodischer Grandezza, Elvin Jones agiert großartig an den Drums, gern erheblich anders als beim Original, ungeheuer dicht und energiereich (partiell unterstützt von Bonus- Percussion der Saxofonisten). Auffällig im Gesamt-Kontext, wie eng sich phasenweise die Bass-Soli innerhalb des Grund-Themas bewegen (auch mal gestrichen übrigens). Der Schlußteil (Psalm, nur Coltrane am Sax) ist mit Abstand am deutlichsten an das Original angelehnt, herrlich poetisch bis inbrünstig und wunderschön, zudem tief spirituell (was auch vorher, freilich in weitaus extrovertierterer/lauterer Form, häufig zum Ausdruck kommt). Ach ja: Keine Vocals. Natürlich reicht die Musik nicht ganz an die Studio-LP heran (das tut jedoch auch sonst nichts und gar nichts), aber das hier ist echte Musik-Historie von exorbitanter Qualität!

 

 

 


Van Der Graaf Generator – H To He
H to He Who Am the Only One by VAN DER GRAAF GENERATOR

nur CD oder DVD Audio

Spezielles 21er Reissue mit jeder Menge Bonusmaterial. Exzellent remastered von den originalen Masterbändern (1. Generation) plus diverse Bonustracks, auf CD 2 ein kompletter Remix (mit vielen teils merklichen Veränderungen) von Stephen W. Tayler, Audio-DVD: Ein Surround-Mix der LP, alle Remasters, alle Remixe. Gleiches gilt für Pawn Hearts, Godbluff, Still Life, also ihr zentrales Oeuvre (abgesehen von The Least We Can Do). Tayler bescheinigt den originalen Mixes zwar tadellose Arbeit, meint jedoch, vermutlich aus Zeitmangel (Studiokosten!) gäbe es ein paar Unzulänglichkeiten, die er bearbeitet hätte. Ja! Generell klingt der Remix hier bei einigen Stücken ein bischen dynamischer (Killer, Emperor v.a.), bei anderen insgesamt runder, organischer, mal wurden Raum/Hall/Stereo-Effekte verändert bis fast eliminiert, ein paar Splittergitarren (von Gast Robert Fripp / King Crimson) fast gänzlich weggemixt (jeweils Emperor), anderswo erhält die Orgel minimal mehr Bedeutung (House With No Door) oder das Sax wird partiell mehr in den Vordergrund gestellt bzw. das Gegenteil (eine Dopplung verschwindet überwiegend, genau wie bestimmte Stereoeffekte von den Becken), das Klangbild der Orgel erhält einen Neuanstrich (alles bei Lost), zudem wurde dort der ganze Schluß signifikant und effektiv auf den Kopf gestellt (mehr Sax, mehr Vocals!). Killer überrascht mit Vokal-Bearbeitungen (Lead, Backing oder Chor teils leiser, teils mehr/besser integriert, oder im Stereobild woanders platziert), manches wirkt ein wenig transparenter. Am stärksten aber fallen die Modifikationen bei Pioneers aus: Tayler mixte teilweise andere/unbekannte Vokalspuren zusammen, satte 2 Min. dominiert meist Akustikgitarre (die im Original dort nur kurz/kaum zu hören ist!), die Toms werden mehrfach variiert, das ganze Klangbild unterscheidet sich phasenweise. Zum Surroundmix auf der DVD-Audio kann ich mangels Anlage nichts sagen. Bleiben noch 4 komplett unveröffentlichte Bonustracks (36 Min.): „1st versions“ von Killer (Aufbau/Struktur gleich, Sound total anders: Kein Sax, kein Piano, keine backing Vocals, die Orgel, weit dominanter, ersetzt selbst Soli vom Sax mit eigenen, auch Drums teils differierend) und Emperor (die Akustikgitarren-Fills fehlen, die Schärfe der Orgel, ebenso Effekte wie Echo, Kanal-Wandern, Fripps E-Gitarre ist nicht dabei, der Gesang spielt sich entweder in weiten Räumen oder absolut „trocken“ ab, die eh wenigen Sax-Parts wurden „gestrichen“, dafür gibt´s ein paar kurze Flöten-Ergänzungen. Außerdem: 2 BBC-Aufnahmen von 1970, die nicht auf „After The Flood“ drauf waren: Killer (etwas kürzer, rhythmischer, z.T. auch aggressiver, Gesang und Sax (mehrfach Wah-Wah) anders) und Lost (Sound moderat dumpfer, aber noch okay; phasenweise deutliche Unterschiede, inkl. richtig hypnotischen Parts). Ach ja, die Musik, generell: Eine meiner 10 Insel-Platten, beste Prog-LP ever, Einfallsreichtum ohne Ende, tolle Melodien außerhalb konventioneller Schemata (auch vom Sax), fantastische Vocals, schroffe Härte wie extremste Zartheit, mitreißende Rhythm-Patterns, Drama und Pathos deluxe… Das Bonusmaterial befindet sich auch auf der neuen Box.

 

 

 


Johnny Cash – Bear´s Sonic Journals: At The Carousel Ballroom
Gesponserte Anzeige – Bear'S Sonic Journals:Johnny Cash,at the Carousel

CD oder LP

Ein unveröffentlichtes Konzert aus seiner Glanzzeit, aufgenommen am 24.4.68 im Carousel Ballroom in San Francisco (das kurz danach in Fillmore West umbenannt wurde), also zwischen den berühmten Klassikern At Folsom Prison und At San Quentin. Gegenüber denen spielt er hier großtenteils ein ganz anderes Programm (was natürlich mit dem Publikum der Location zu tun hat – viele Hippies), selbst zu den mit vielen Bonustracks erweiterten Versionen der beiden alten LPs gibt´s nur 3 (Quentin) bzw. 6 (Folsom) Überschneidungen, bei 27 Stücken (64 Min. lang). Für die Aufnahme war die Legende (und fachliche Koryphäe) Owsley Bear Stanley zuständig, der Grateful Dead-Toningenieur (und LSD-Pionier), der Sound ist exzellent, sehr lebendig (vielleicht gar besser als Quentin/Folsom). Begleitet von seiner langjährigen kleinen akustischen Band (noch mit Luther Perkins, inkl. einem June Carter-Feature über einige Songs) spielt er alte Folk-Songs, Carter Family-Stoff, unsterbliche Klassiker, sogar 2 Dylan-Cover (Don´t Think Twice, One Too Many Mornings), daneben ebenfalls nicht auf den beiden alten Live-LPs enthalten: U.a. Ballad Of Ira Hayes, Rock Island Line (schier halsbrecherisches Tempo!), Old Apache Squaw, Lorena, Foggy Mountain Top, This Land Is Your Land, Wabash Cannonball, Don´t Take Your Gun To Town, Bad News, Going To Memphis. Plus z.B. Jackson, Cocaine Blues, natürlich Ring Of Fire und I Walk The Line, Big River, Orange Blossom Special. Musikalische Überraschungen bleiben zwar aus (er präsentiert einfach seinen Trademark-Sound in ausgezeichneter Form), aber das ist schon ein historisches Dokument von beträchtlicher Klasse mit nicht alltäglichem Songmaterial!


 

 

 



Gov´t Mule – Heavy Load Blues
Heavy Load Blues (2LP) [Vinyl LP]

CD, 2CD oder LP

2021er. Der Titel sagt schon alles. Klar waren sie dem Blues nie abgeneigt, er gehörte immer zur Band-Chemie, diese dominierende Form ist dennoch eine Überraschung und offenbar ein Herzensanliegen. Nach eigener Aussage ein Blues-, kein Blues Rock-Album (okay, ohne Rockelemente kommen sie nicht aus, doch sie agieren fast immer traditionsbewusst, die Aussage hat ihre Berechtigung. Natürlicher Blues-Groove teils inbegriffen). Viel 60er- und auch 50er-Feeling (fett und deep), mehrfach eher in Richtung süffigem rundem organischem zeitlosem bis 70s-angehauchtem mehr oder weniger funkigem R´n´B (z.B. irgendwie tanzend, oder sehr schön lose und beweglich), Chicago Blues-Anleihen, ab und an Parallelen zu der Blues-Sprache der Allman Brothers, zwischendurch etwas heavy, ein Slow Blues mit einer Extraportion Gefühl samt schnellerem filigranem Mittelteil (ein Hauch Jazz), 2 Stücke verwenden ausschließlich 2 akustische Gitarren (Classic Folk Blues das eine, akustischer Blues ohne eindeutige old-timey-Verweise das andere, dafür 60s-Flair). Zudem ein relativ „offener“ Blues (ein Tom Waits-Cover bezeichnenderweise) und der rockigste kantige (funky) Track, klar am weitesten entfernt von klassischen Blues-Schemata, bietet unterschwellig gar Hard Rock-Anklänge. Neben Originalen gibt´s auf 78 Minuten Songs, die durch Elmore James, Junior Wells, Howlin Wolf, Ann Peebles, Animals bekannt wurden, die Deluxe Edition auf einer 2. CD (live/Studio) weitere Cover (Savoy Brown, Muddy Waters, Otis Rush etc.). Guter Stoff!

 

 

 


George Harrison – All Things Must Pass (50th Anniversary)
All Things Must Pass (Ltd. Deluxe)

8LP, 3LP, 5CD, 3CD, 2CD

Rückblickend war dieses damalige 3er LP-Set, nach Jahrzehnten wiedergehört, doch über weite Strecken ganz vorzüglich, die Songs rund um die Hits My Sweet Lord und What Is Life waren alles anderer als Füllmaterial (mal abgesehen von LP 3, die Jams dort bleiben überflüssig, außer vielleicht dem Rock´n´Roll-verhafteten Thanks For The Pepperoni). LP 1 ist durchweg sehr gut und mehr, mit 1 Ausnahme ohne jeden Ausfall, auch LP 2 bietet einige echte Highlights. Überragend finde ich, sogar noch mehr als früher, neben dem göttlichen What is Life Awaiting On You All und Wah-Wah. Aber es gibt hier auch mehrere Gründe für eine Neuanschaffung, die Remixe der LPs 1 und 2 v.a., denn die bieten tatsächlich Mehrwert: Ziemlich deutlich organischer und bodenständiger im Sound, was auch daran liegt, dass der „originale“ ursprüngliche von Phil Spector zu verantwortende Bombast (ob Streicher, übermäßiger Hall oder Effekte wie Reverb) mal mehr, mal weniger (oder auch mal gar nicht) reduziert wurden, gelegentlich vermeine ich zudem, daß Gitarren etwas roher kommen, die Slide deutlicher zu hören ist. Das ganze Klangbild gefällt mir eindeutig besser. Soweit zur 2CD/3LP-Ausgabe. Das 3er-CD-Set (die Großboxen sowieso) bietet zudem 17 Outtakes/Alternativ-Versionen, die für meinen Geschmack manchmal gar einen Tick besser sind, ohne all die Overdubs (live im Studio?), keine Streicher, nur eher selten Bläser (z.B. eine interessante Fassung von Get Back), inkl. 5 non-Album-Stücke, allesamt mit starkem Roots-Bezug (darunter auch Get Back; meist Blues), wozu ein akustischer Delta-Slide-Blues solo (Woman Don´t You Cry) und ein 8-minütger Jam gehören. Hear Me Lord bringt´s auf 9 Min., diverse Tracks laufen kürzer/konzentrierter als die Originale. Auf der 8-LP- und der 5CD-Box (letztere mit zusätzlicher Audio-Blu Ray, ein Surround-Mix, beide mit 60-S.-Buch) kommen noch 30 Demos hinzu (eine CD solo, eine meist mit teils akustischer teils elektr. Band), 10 Songs davon gibt es nicht auf dem Original-Set, richtig gut gefallen z.B. der Neo-Rockabilly Going Down To Golders Green, das nachdenkliche Everybody/Nobody, das folkige Cosmic Empire. Sehr empfehlenswerte Anschaffung!

 

 

 


Jake Bugg – Saturday Night, Sunday Morning
Saturday Night,Sunday Morning

LP oder CD

Irgendwie kommt es mir vor, als wäre er schon ewig da, tatsächlich ist es erst sein 5. Album. Ein überraschend diverses! Zum Start gibt´s absolut zeitgemäßen Dance Pop in gut (und ich mag sowas sonst wirklich nicht), vollmundig, aber nicht zu sehr, catchy, rhythmisch mitreißend (freilich betont er später in mindestens 2 Fällen die Dance-Seite noch stärker, mit längst nicht so überzeugendem Ergebnis). Anderswo (2x) kommen Gitarren und Keyboards, die Moderne und die Vergangenheit (70er hier), Pop und Rock zusammen (fast stürmisch in einem Fall, mit gewissem Brit Pop-Flair), oder es tauchen gar 50s-Elemente auf (freilich alles andere als pur, im schwelgenden Pop-Kontext), eine radikal reduzierte Piano-Ballade klingt einsam und traurig, klassischer Songwriter-Pop wird eher dezent aktualisiert (relativ abgespeckt, teil-akustisch), ein weiterer mitreißender Track setzt statt auf Synths auf akustische und elektr. Gitarren (ein Hauch Folk, ein Hauch akust. Led Zeppelin, ein packender Groove und sehr schöne gefühlvolle bis melancholische Breaks wechseln sich ab), ohne auf zeitgenössische Elemente zu verzichten. Den Abschluß bildet ein teilweise von akustische Gitarren getragener ein wenig wehmütiger feiner Rückgriff auf Vergangenes. Von den beschriebenen Ausnahmen abgesehen sehr gelungen, finde ich.

 

 

 


Nina Simone – The Montreux Years
Nina Simone: The Montreux Years (Live)

2LP oder 2CD

28 Songs in zweieinhalb Stunden, ein toller Zusammenschnitt von 5 Auftritten auf dem berühmten Montreux-Jazzfestival (von 1968, 1976, 1981, 1987, 1990), auf Vinyl fehlt das Material der 2. CD (der komplette Auftritt 1968). Soundtechnisch voll okay (bestens überarbeitet, mit geringen Abstrichen 1968), musikalisch absolut klasse (und variabel), präzise auf den Punkt gespielte 3-4-Minüter wie (manchmal überraschende/unberechenbare) partiell improvisierte längere Stücke, hoch emotional, intelligent, kontrastreich, rhythmisch packend/old-fashioned groovend oder relaxed oder leise, höchst gefühlvoll, Drama, Nonchalance, auch repetitiv. Blues, altmodischer jazziger Pop, modifiziert soulig, Chanson-beeinflußt, Groove Jazz/Soul Jazz, Blues-Jazz-Mixe, R´n´B in Groove oder als Songwriter-Ballade, Gospel-Einfluß (in Verbindung mit z.B. Afrika oder R´n´B), ein Afro-nahes Percussion-Fest, das teilweise an ihr glorreiches Sinner Man erinnert (ebenso wie eine lange und sehr schnelle Version von House Of The Rising Son!), gar Karibik und ein brillantes Piano-pur-Intro mit Klassik-Elementen. Oder schlicht undefinierbar. Piano und Vocals sind einfach bestechend, teils agiert sie solo, gern im Piano-Trio, 1968 kommt eine Orgel und/oder E-Gitarre hinzu. Große Kunst. Ein kleines bischen kann das Set als (wenngleich höchst unvollständiger) Karriere-Überblick dienen, u.a. sind Backlash Blues, Don´t Smoke In Bed, See-line Women, African Mailman, Ne Me Quitte Pas, Just In Time, My Baby Just Cares For Me, No Woman No Cry, Four Women, Don´t Let Me Be Misunderstood, To Love Somebody dabei.

 

 

 


Chris Jagger – Mixing Up The Medicine
Mixing Up the Medicine

LP oder CD

2021er von Mick Jaggers Bruder, oft betont einfach gestrickte, ausgesprochen melodiebetonte und sehr konzentrierte Songs (bei 4 Minuten ist Schluß), keine längeren instrumentalen Exkurse, strikt so musikdienlich wie kompetent gespielt, aufs Angenehmste im Geiste alter Zeiten. U.a. John Porter, Neil Hubbard, John Etheridge (früher mal bei Soft Machine) sind beteiligt, in einem Song auch Mick (Backing Vocals). Die Instrumentierung weist einen höheren Stellenwert von Piano und Bläsern auf als von Gitarren (sprich: Die stehen nicht oft im Vordergrund, wenn dann z.B. auch als Slide), Orgel, Akkordeon, Harmonica, Geige oder akustische Saiten ergänzen, das Ergebnis ist ein schön buntes, organisches wie variables Klangbild. Ähnlich variantenreich die Stilistik: Viel (gern gutgelaunter) R´n´B, teils New Orleans-inspiriert (im Geiste der 50er) und/oder von old-fashioned-Pop-Elementen gewürzt, oder gar mit starkem Ska-Bezug, zudem ab und zu ganz dezente Jazz-Spuren (z.B. in der Gitarre). Groove-Blues, ebenfalls nicht ohne Pop-Anreicherung. Folk, Shanty und Cajun locker vereint. „Fun-Zydeco“. Chicago Blues trifft New Orleans (50s, klar). Ein kunterbunter Multi-Roots-Mix der undefinierbaren Art. Und eine massiv reduzierte Ballade. Er hat mich schon mehrfach positiv überrascht, das ist hier nicht anders.

 

 

 


Martha Wainwright – Love Will Be Reborn
Love Will Be Reborn

LP oder CD

Die letzte LP ist auch schon wieder 5 Jahre alt. Von dieser Stimme kann ich aber auch 2021 nicht genug kriegen, sehr offensiv, fordernd-kraftvoll wie zärtlich, bedächtig wie fast schon sich überschlagend, stimmgewaltig wie gefühlvoll, und wie sie immer wieder in die Höhen steigt, ist einfach klasse. Höchste Emotionalität! Zudem melodisch in ständiger Bewegung, längere Bögen inklusive, über Grenzen hinweg phrasierend, gelegentliches Pathos oder Theatralik gehört dazu. Der Kontext: Erwachsene gehaltreiche Musik in edel, zugleich (Songwriter-) Pop wie Rock, hier und da verstärkte Roots-Elemente (Folk, 1x auch eher Country), die Instrumentierung nicht unbedingt reichhaltig (Saiten und Tasten, meist gitarrenbetont), aber intelligent und variabel gestaltet, ein paar akustische Einsprengsel. Im Wechsel relaxt, rockig mit Zug, selten sanft und leise, kontrastreich, ziemlich ruhiger „Atmo-Pop“ (z.B. in Richtung mittlerer Joni Mitchell), im Extrem überraschend geradliniger Rock (mit zarten Widerhaken) oder eine ganz reduzierte Piano-Ballade. Für Momente vermeine ich sogar, wenngleich entfernt, in gewissem Sinne Parallelen zu Jeff Buckley zu entdecken, auch wenn´s sich nicht so anhört. Ausgezeichnetes Album, Empfehlung!

 

 

 



Devendra Banhart & Noah Georgeson – Refuge
Refuge

2LP oder CD

Nein, ganz und gar nicht die von ihm gewohnten Sounds, sondern meditative Klänge, die langsam kommen und verschwinden, tiefe Ruhe, Kontemplation, Erholung, Frieden. Oft abseits aller Rhythmik (bzw. nur dezent eingesetzt), basierend auf an- und abschwellenden Keyboardwolken/Akkorden, selten ansatzweise kompakteren Wällen, einsamem sanft tropfendem Piano, zwischendurch auch Streicherschichten, sporadisch tauchen Pedal Steel, nur schwer als solche identifizierbare Holzbläser, Harfe auf. Unterschiedlich beschaffene Ambient-Tendenz überwiegt deutlich, manchmal gibt es Erinnerungen an New Age vergangener Zeiten, wenn sich in aller gebotenen Langsamkeit und Gelassenheit Melodien bilden mit entfernt hippie-eskem Touch oder sich ausnahmsweise eine Akustikgitarre einschleicht, kurz dachte ich 1,2 Mal an bestimmte (nicht ganz) rhythmuslose aber strukturierte Tangerine Dream-Sachen (mittlere Phase, unter Ausschluß von Sequencern), fernöstliche Inspirationen sind eigentlich nur in einem Track zu hören, genau wie eine entfernte Ähnlichkeit zu den ruhigsten Julee Cruise-Stücken.


 

 

 


David Crosby – For Free
For Free

nur CD

2021er. Über seine Stimme kann man sich nur wundern. Nichts klingt da alt, verbraucht… Daß er sich auch hier vor allem an alten Zeiten orientiert, überrascht niemanden, aber an Abwechslung läßt er es nicht fehlen: 2x melodiebetonter aber eher kraftvoller bzw. wenigstens bodenständiger Westcoast Rock; Folk- (resp. Americana-) Pop mit Laurel Canyon-Bezügen in relaxtem Fluß und großem Akustikanteil (edel instrumentiert!); groovend mit moderatem R´n´B-/Blues-Input (a la 2 Hälfte der 70er, ein bischen in Richtung abgespeckte Doobie Brothers; Michael Mc Donald gastiert allerdings in einem anderen Stück); Groove wie etwas späteres 70s-Flair besitzt auch ein weiterer Track, der mich an späte Steely Dan denken läßt (was hier dann doch zum Gast paßt: Donald Fagen), dezent funky, Bläser, handfest: Am besten gefallen mir allerdings ein ruhiges zurückhaltendes zeitloses (nicht unbedingt 70s-dominiertes) Stück mit z.T. reizvollen längeren Melodielinien (so gar nicht stereotyp) und v.a. 3 (2 davon Piano-) Balladen: Der Titeltrack (von Joni Mitchell geschrieben), überraschend minimalistisch, leise, sanft und minimalistisch, Sarah Jarosz gastiert; die beiden anderen sind ebenfalls reduziert und großteils akustisch gehalten, teils intim, teils abseits aller gebräuchlichen Stilbezüge (sehr schön und nicht gerade konventionell). Harmonie steht im Vordergrund, neben den vielen Saiten (ob elektrisch oder akustisch, mal eine Pedal Steel von Greg Leisz) untermalt (oder bestimmt gar zeitweise) gern ein (E-) Piano, eine Menge zweiter Stimmen resp. Harmony Vocals werden integriert. Schönes Album.

 

 

 


Jackson Browne – Downhill From Everywhere
Downhill from Everywhere

LP oder CD

Neues Album nach 7 Jahren Pause, eigentlich hat sich  nichts groß geändert, nur ganz dezent und eher ansatzweise greifen mal Aktualisierungen (Grooves z.B.). Im Prinzip gitarrenbetonte Musik mit aparten teils feinsinnigen Tastenuntermalungen und auffälliger und häufiger weiblicher Vokalunterstützung, ob Harmony, Duett/Co-Lead oder backing vocals. In edler Gesellschaft, u.a. Bob Glaub, Jay Bellerose und v.a. Greg Leisz, der sich nicht scheut, so wie der in alten Zeiten eine feinst singende David Lindley-Gitarre/Slide/Lap Steel beizusteuern (oder auch sanft-verführerisch klangmalend) – wunderbar! (Westcoast-) Folk Pop bzw. Folk Rock, bodenständige straighte Guitar-Rocker, mal eher eine Piano-Ballade, zum Schluß Spanien/Latin-Anklänge (elastisch und ziemlich lustvoll), zwischendurch ein Rückgriff auf sein Frühwerk, akustische Anteile, sporadisch leichte Blues-Tupfer (Gitarre)… Mit Vorliebe relaxt oder zurückhaltend bis in aller Ruhe feinfühlig, einige längere Stücke (bis zu 8 Minuten). Und seine unverkennbare Stimme (und z.T. Melodieführung) hat nichts von ihrem Reiz verloren. Gefällt mir deutlich besser als manches andere von ihm in den letzten 20, 30 Jahren.

 

 

 


Wallflowers – Exit Wounds
The Wallflowers: Exit Wounds (Indie) [Winyl]

LP oder CD

Nach 9 Jahren Pause  eine Neueinspielung der Jakob Dylan Band, Sohn von Bob Dylan. Ein einfach reifes Werk, ohne irgendwelche Extravaganzen oder Gimmicks. 70s-angelehnte Rock-, Folk- oder Adult-Pop-Songwriter-Balladen (teils voller Charakter und Tiefe, oder melodisch klasse!), vollkommen zeitloser allumfassender rootsiger Rock in relativ zupackend und kompakt (nicht unbedingt retro klingend oder teils von angenehmem Rock-Groove unterlegt) oder schön lose und zugleich wunderbar dezent süffig instrumentiert (durchaus Ähnlichkeiten zu z.B. The Band) oder balladesk (mit partiell feinst malenden Gitarren), ein halbwegs aggressiver Power-Rocker mit viel Drive und etwas mehr R´n´B-Input, und ein ständig Rhythmen, Tempo und Stimmungen ändernder Song, der zwischen entspanntem Fluß, akzentuierten Zwischenspielen, dezenter Schärfe und ausgesprochen atmosphärischen Parts mäandert. Gelegentlich höre ich gewisse Parallelen zu Leuten wie John Hiatt oder Mellencamp. Ach ja, und seine Stimme erinnert nunmehr gelegentlich auch mal ein wenig an seinen Vater…

 

 

 


Gun Club – Miami (expanded/Special Edition)
Miami (Special Edition)

2LP oder 2CD

21er Reissue ihrer 2. LP (von 1982), immer noch ein echter Klassiker (wie mindestens die beiden Alben davor und danach), dank ihres ziemlich einzigartigen von Jeffrey Lee Pierces emotional hochgepushten bis manischen Vocals getragenem Trademark-Sounds. Hier noch oft recht „punky“ (in ganz anders) unterlegt, straight ahead, treibender Drive, mit wenigen Ausnahmen (das Creedence-Cover Run Through The Jungle, das melodiösere Watermelon Man, das viel langsamere Fire Of Love und das grandiose Mother Of Earth mit Country-Touch samt Pedal Steel). Achtung: Die Bonus-LP/CD hat nichts zu tun mit der (inzwischen längst gestrichenen) Cooking Vinyl-Ausgabe vor einiger Zeit, statt live-Takes gibt´s hier alle 12 Stücke in unveröffentl. Demo-Versionen plus 6 weitere Songs, von denen 5 gänzlich unbekannt sind! Die Demos sind alle ungefähr gleich lang wie die Originale, klingen meist noch etwas garagiger, mal ist die Slide nicht so ausgeprägt oder fehlt ganz, mal die Gesangsmelodie vereinfacht, anderswo wirken die Vocals partiell „konventioneller“, partiell greller/exaltierter, es gibt Unterschiede bei den Backing Vocals, ein Kurzsolo der Gitarre wurde fast weggemixt, ein Song scheint tatsächlich noch druckvoller zu kommen, mehrere ein wenig dumpfer/bassbetonter, und bei Mother Of Earth besitzt die Gitarre weniger Country-Flair (und die Pedal Steel fehlt). Die 5 unbekannten Bonusse verfügen z.B. über viel Schärfe, sind teils rhythmisch akzentuierter gehalten als üblich, eine Art Stakkato-High Speed-Rockabilly-Flair taucht auf (erstklassig) oder eine Prise Neo-Paisley-Rock der Zeit (überraschend melodisch!), ein 6-Minüter begeistert mit heulenden, ausufernden, noisy bzw. Feedback-Ausflügen der Gitarren (gleich 2 Features). Und Walking With The Beast erschien erst auf Las Vegas Story, freilich völlig umgekrempelt, quasi ein anderer Song. Top!

 

 

 


Matt Sweeney & Bonnie Prince Billy – Superwolves
Superwolves [Vinyl LP]

LP oder CD

2005 gab´s ein Gemeinschaftsalbum der beiden namens Superwolf, nun also quasi die Fortsetzung. Sweeney spielte (exquisit) alle Gitarren ein (gern nur elektrische, selten nur akustische), singt teilweise Harmony (in unterschiedlicher Form), aber auch schon mal gleichberechtigt Duett; als Gast kommt u.a. Mike Rojas (Orgel) hinzu. Sie starten mit einem spannungsgeladenem atmosphärisch tollem Schleicher mit superbem Guitar-Solo (scharf, partiell noisig), lassen schlichten sparsam arrangierten Folk folgen (edler Songwriter-Stoff!) sowie noch (gänzlich auf Gitarre) reduzierteren (die Seele anrührend!) – bevor eine mächtige Überraschung verblüfft: Nämlich massive Anklänge an (dezidiert stark rockige) Tuareg-Acts wie Bombino und Mdou Moctar (vor nicht langer Zeit hier euphorisch besprochen). Die superben Gitarren, die Rhythmik, der Drive – alles da. Nur nicht die Melodik, der Gesang. Großartig! Kein Wunder freilich, Mdou Moctar selbst samt seiner Band spielt hier auf! Hiernach allerdings kehren sie in gewohntes (Folk-) Fahrwasser zurück, zunächst eher gefühlvoll aber elektrisch, dann (eine längere Ballade) zunächst ganz akustisch, doch alsbald (instrumental und lautstärkemäßig) verdichtet, elektrifiziert, samt Aufwallungen, emotionaler Ausbrüche (Trad-Brit-Folk-betont im Prinzip, nicht im Sound, vielleicht ein wenig in Richtung ganz früher Steeleye Span). Der (große) Rest sind meist wieder sparsame bis sehr zarte, poetische, akustische oder gemischte „Classic (Songwriter-)Folk“-Tracks, darunter mehrere Balladen. Einmal erinnert´s ganz entfernt an ruhigste/sanfteste akustische Led Zeppelin, der Schluß aber gemahnt noch einmal an den brillanten Opener (ohne die sinistre Note). Der weit überwiegende Teil der 14 Songs kommt ohne Drums aus, die Gitarren spielen beständig eine ungewohnt große Rolle, ob als kongeniale Begleitung oder ein starkes Eigenleben führend. Große Empfehlung!

 

 

 

Lou Barlow – Reason To Live
Reason to Live

LP oder CD

2021er Album des Dinosaur- und früheren Sabadoh-Members – das mich mehr berührt als fast alle seine früheren Solo-Werke. Oft sparsam und akustisch gehalten, gern unter Verzicht auf die Rhythm-Section (wenn, dann agiert sie reduziert), teilweise kommt eine E-Gitarre hinzu – das aber schon mal in toller, geradezu leuchtender Form; resp. perlend, sanft malend, „süß“, gar ein paar dezente Effekte, generell aber kaum einmal durchgehend, eher punktuell. Wie auch gelegentliche Keyboards/Synth (untermalend, ohne eine große Rolle zu übernehmen). Ein wenig verwundert mich die Vorliebe für schnellere Tempi (Balladen sind Mangelware), im Rahmen dessen klingt einiges dennoch relativ relaxt. Ab und zu setzt sich ein etwas volleres, nicht gänzlich schlichtes instrumentales Gewand durch, neben gelegentlichen Indie-Folk- gibt es auch mal gewisse Rock-Analogien (ohne daß der Sound direkt dort beheimatet wäre), es tauchen vereinzelt kleine Prisen von 80er-Post Wave-Pop (in entschlackt), überraschenderweise Ryley Walker (wenn auch entfernter), 70s-Songwriter-Pop auf, ein Track macht irgendwie den Eindruck, als ob die Wipers ohne Drums, dafür mit Akustikgitarren spielen. Insgesamt eine Art ausnehmend sympathischer gehaltvoller Indie-Songwriter-Post-LoFi-Pop mit Charakter, vielen einfach sehr schönen Melodien, für seine Verhältnisse erstaunlich selbstsicher, zufrieden und nicht etwa leicht gebrochen wirkend, wie ich manches von ihm in Erinnerung habe. 17 Stücke, alle unter 4 Minuten, absolut empfehlenswert.

 

 

 

Vincent Neil Emerson – Same
Vincent Neil Emerson

LP oder CD

2021er, seine 2. LP. Rodney Crowell produzierte, Colter Wall ist ein Freund und Unterstützer (das Label ist auch identisch), die Vorbilder des Texaners kommen vornehmlich von dort (z.B. Guy Clark oder Townes, aber auch Steve Earle), und er hält ALLES, was diese Namen versprechen. Großartiger Stoff! Traditionsbewußter Songwriter-Country, auch mal ganz alte Country-Spielweisen (von Western Swing bis Bluegrass, aber alles andere als pur), Folk-Elemente, zwischendurch ein Hauch Gospel oder irischer Einfluß – teils bunt gemischt. Seine schöne angenehme Stimme kommt einfach kongenial, die Begleitung ist absolut top: In höchstem Maße musikdienlich (was einige auf unaufdringliche Art virtuos gespielte Phasen einschließt) und recht vielfältig (gerade für dieses Genre). Unter Verzicht auf Schlagwerk ist die Akustik-Gitarre omnipräsent, wird gelegentlich von Banjo oder Mandoline ergänzt (Dobro?), Geige, Akkordeon, Flöte, Orgel, Harmonica, Piano, Cello setzen immer wieder bunte Tupfer. Sehr viele Balladen. Vor allem aber besticht sein Songwriting, die Tiefe, der hohe melodische Gehalt, die Substanz, ob im reduzierten Umfeld, ganz poetisch und sanft bzw. anrührend, etwas wehmütig oder flott und /oder rhythmisch markant. Große Empfehlung, von ihm wird man hoffentlich noch viel hören!

 

 

 

Sun Ra – Fireside Chat With Lucifer
A Fireside Chat With Lucifer [Vinyl LP]

LP oder CD

Erstmals wiederveröffentlichte Album-Rarität von 1983 (im Original hundsgemein teuer), ein Drittel (2 Stücke) sind allerdings auch auf der alten Nuclear War-LP auf Y Records enthalten. Gleich vorweg: Für mich ist dies ein Glanzstück der Sun Ra-Diskografie! Es startet mit eben diesem „Nuclear War“, einem seiner berühmtesten und (musikalisch wie textlich) ungewöhnlichsten Stücke (Thema: Atomkrieg/Atombombe): Durchgehende Call/Response-Vocals (über fast 8 Min.), suggestiv, fast hypnotisch, federnd-groovend-swingend, ohne Bläser, selbst das Piano agiert reduziert (und lose). Toll! Noch besser geht´s weiter, getragen, ebenso lose, quasi in Zeitlupe, ein permanent wiederholtes eindringlich-nonchalantes Bläser-Motiv, über dem sich in aller Ruhe (E-)Piano/Synth und einzelne Bläserstimmen ausbreiten, später übernimmt eine spacy Orgel. Die phasenweise etwas unheimliche, mysteriöse, mystische Stimmung fasziniert! Ebenfalls nicht gerade sein üblicher Stoff (wenn´s den überhaupt gibt). Ganz anders Track 3: Eine satt swingende Sax-Orgel-Neo-50s-Bop-Variation in dezent avanciert. Gut, nicht mehr. Der abschließende fabelhafte 20-minütige nur hier erhältliche Titeltrack ist atmosphärisch über weite Strecken brillant, greift zwischendurch noch einmal diese mysteriösen, diesmal dunkleren Stimmungen auf, und bringt den so gerne mit Sun Ra assoziierten „Space Jazz“ wie kaum ein anderes Stück auf den Punkt, treffender allerdings wäre „Space Free Jazz“. Extrem variabel (irgendwie Suiten-artig), viele Kontraste, ob instrumentale (z.B. Bläser/Synth/Orgel-Klangfärbungen), in der Intensität, der Atmosphäre (leise, gar poetische Passagen wie diffizile, selten kurze kollektive brennende Zuspitzungen der Bläserphalanx, oder in assoziativem Fluß, wenn später das Piano für eine Zeit dominiert). Ein freigeistiges Meisterwerk!

 

 

 

Chris Eckman – Where The Spirit Rests
Where the Spirit Rests

LP oder CD

Edle vollkommen zeitlose Songwriter-Musik, Folkeinflüsse auf „offene“ Art (ohne zu dominieren), reduziert und zugleich komplett songdienlich instrumentiert (relativ schlicht wie effektiv!), mehrfach schleicht sich wie selbstverständlich eine ordentliche Portion Elegie ein, ab und zu ein bischen milde Melancholie (einmal auch ein Hauch Desert-Feeling), die Gangart klingt gern „sachte“, ruhig, balladesk (aber durchaus auch ziemlich intensiv! Und kurzzeitig dezent abgedunkelt) und immer wieder ausgesprochen reich an (phasenweise wunderbarer) Atmosphäre. Weite Räume, allgegenwärtiger (doch nicht zu massiver) Hall, malende Saiten (E-Gitarre, auch Pedal Steel oder sporadisch Geige); eine Akustikgitarre plus sehr zurückhaltende Drums/Bass bildet das Grundgerüst (aufs Schlagwerk wird schon mal verzichtet). 2x ergänzen Keyboards/E-Piano von Chris Cacavas (of Green On Red-Fame). Tragende Faktoren sind natürlich die auf unspektakuläre Weise ausnehmend ausdrucksstarke Stimme (fast geraunt/geflüstert stellenweise) und das enorm gute Songwriting! Viel Abwechslung allerdings gibt es nicht. Fast alle Stücke laufen über 5 (bis 9) Minuten. An die Walkabouts erinnert mich übrigens endgültig nicht mehr viel. Natürlich klar zu empfehlen!

 

 

 

Portugal. The Man – Oregon City Sessions
Oregon City Sessions

LP oder CD

2021er Release, aber schon 2008 nach ihrer damaligen Tour aufgenommen, bevor sie berühmt wurden, quasi ein typisches Live-Konzert im Studio (Stücke ihrer ersten 3 LPs). Roh, unbehauen, echt, ich finde das hier noch besser als vieles, was danach von ihnen folgte. Viele lange Stücke über insgesamt 90 Minuten, natürlich komplett unveröffentlichter Stoff. Exzellenter emotional hochgepitchter Rock („Emo Rock“, meinetwegen) mit Intelligenz, Variabilität, starken Kontrasten in jeder Beziehung (2,3 Mal kurzzeitig eine gewisse Led Zeppelin-Affinität) sehr viel ungekünstelte Power, aber auch einige Ruhepole und/oder leicht elegische Phasen, und immer wieder eine enorme Intensität! Zwischendurch Proto-Prog-Anleihen (in hart und nur für Momente) oder noisige Gitarren, für Sekunden ein Santana-Ripoff (die ganz frühen), mal Heavy Rock in gut und eigen, eine seltsame aber frische Mischung aus Folk-, Reggae/Dub- und Rock-Einflüssen, vollfette kraftvollste 70s-Rock-Balladen mit leicht hymnischem Charakter (und später nochmal einem Hauch Reggae, anderswo ersetzt durch Pop-Appeal), enormer Drama-Rock (Kontraste im Extrem) in leicht balladesk mitsamt einer Spur Mott The Hoople, schleppender geradezu brutaler Rock mit süßen Harmony-Vocal-Anteilen, 60s-Pop meets harten Riff-Rock (entfernt frühe Supertramp-Parallelen), irgendwo zwischen Punk (Metal) und süß-balladesk (!), rauhe Poesie in balladesken 70s-Rock verpackt mit epischer Tendenz (von Prog-Elementen zeitweise aufgebrochen), Blues-Anleihen… Ein teils reduziertes teils fleischiges Stück erinnert mich irgendwie an Lennon-Balladen. Hier und da erfreuen psychedelisch anmutende Gitarreneffekte, und die oft präsente Orgel klingt mehrfach richtig gleißend. Sehr empfehlenswert.

 

 

 

Sons Of Kemet – Black To The Future
Black to the Future

LP oder CD

2021 Veröffentlichung, wieder eins dieser so typisch zeitgenössischen tollen und ziemlich originellen Jazz-Werke aus der momentan so enorm aufblühenden englischen Szene; die Band, wie Shabaka & The Ancestors oder The Comet Is Coming geleitet vom umtriebigen Shabaka Hutchings (der schon beim Sun Ra Arkestra gastierte), ist eine ihrer führenden Stimmen (die Vorgänger waren schon klasse), bestehend aus dem Leader an Sax und Klarinette, einem Tuba-Spieler (mit herausragender Bedeutung, äußerst markant!) und 2 Drummern/Perkussionisten, hinzu kommen diverse Gäste (Rapper, weitere Bläser, u.a. auch Angel Bat Dawid). Viel hat sich nicht geändert: Die politisch ambitionierte Ausrichtung mittels Raps, Poetry oder Gesang (auf 4 der 11 Stücke, sehr eindringlich, optimal integriert!), die beständig dominierenden starken Grooves (rollend, treibend, gern komplex/polyrhythmisch aber sofort packend, selbst in „ungerader“ Form, aber auch geradliniger), die gelegentlichen unterschwelligen Latin/Karibik-Einflüsse, vermischt mit ein paar afrikanischen, die oft ungewöhnlich musikdienlich agierenden Bläser (ob rhythmisch betont/riffend samt toller Stakkati, nur kurze/nicht sehr häufige doch dann die Atmosphäre prägende Soli, die schon mal feinstens in freie hochemotionale Gefilde ausfransen, oder wunderbar arrangiert/sich umschlingend geradezu), ein paar Sound/Dub-Effekte, v.a. auch der immer wieder repetitive Charakter (Bläser!). Besonders reizvoll fallen in Drama gebettete frei-kontrolliert ausgebreitete Bläser-Backings der Vocals auf, oder einige wunderbare teils einfache fast Folk-hafte Melodien, mal ein flatterhafter herrlich leichtfüßiger rasanter Rhythmus, spirituelle Einfärbungen von 1,2 Soli…; und die spannende neuartige Avantgarde-Form im späteren Verlauf von „Let The Circle…“, aufregend wie so manches hier! Zur Hälfte einfach richtig gut, der Rest: Großartig!

 

 

 

John Hiatt With The Jerry Douglas Band – Leftover Feelings
Leftover Feelings

LP oder CD

2021er. Ein Highlight in seinem Spätwerk! Schon wegen der exorbitant tollen Begleitcrew! Glänzende Saitenarbeit, vor allem natürlich von Jerrys Dobro, aber auch E-Gitarre (Hiatt grundiert mit der akustischen) bzw. Lap Steel leisten exzellente Arbeit (ein paar Stücke sind rein akustisch gehalten). Hinzu kommen Geige und akustischer Bass, auf Drums wird verzichtet. Das ganze Album strahlt eine wohltuende Wärme aus, der Großteil der Songs bewegt sich zwischen relaxten/tiefenentspannten und feinfühligen oder geradezu versunkenen bzw. leicht verträumten Stimmungen, ein paar Tracks entwickeln eine wunderbar locker rollend-groovende Note oder strahlen auch mal in etwas höherem Tempo eine gewisse Gelassenheit aus, sehr schön auch die weiten Räume hier und da. Das Roots-Spektrum reicht von einer Vereinigung von Blues und Country (mit dezenten Rock´n´Roll-Untertönen der 50er, 2x), Songwriter-Folk-Balladen, überwiegender (und nuancenreicher) Blues-Orientierung, bis zu einem absolut zeitlosen Americana-Flair, das schon mal von Bluegrass-Elementen aufgepeppt werden kann (im grandiosen All The Lilacs In Ohio, richtig catchy!); auch ein Country-Überhang kommt vor, in einem Fall dachte ich gar an die zurückhaltendsten in sich ruhenden Guy Clark-Sachen. Musik voller Ausdruckskraft, manchmal voller Schönheit. Große Empfehlung!

 

 

 

Lambchop -  Showtunes
Showtunes (Digisleeve)

LP oder CD

Schon wieder eine Neuerfindung,völlig zeitlose (bis beinahe „altmodische“) Songs – die aber nicht auf diese Art in Sound umgesetzt werden. Fast immer in very slow motion, fast Zeitlupe zuweilen, getragen von Piano, Keyboards, Akustik-Bass und Bläsern (2x zeitweise sachte/leise/nervöse programmierte Beats, no Drums, ab und zu Akustikgitarre getupft), teilweise bearbeitet (elektronisches Processing; Piano!), aber sehr wenig Autotune auf der Stimme diesmal. Das Ergebnis klingt warm und zugleich auch wieder nicht, oft in vollkommener Ruhe gehalten, reduziert, eine getragene partiell ziemlich dunkle und in gewissem Sinne erhabene Schönheit! Nur sporadisch und sehr punktuell durchsetzt von einer Art Querschüssen, sei es klanglich (unterschwellig quirlig für Sekunden) oder mittels verdichteter dramatisierender Atmosphäre (Bläser). Zwischendurch auch mal harmonisch etwas gewagter, ein Hauch Jazz blitzt auf, ein bischen stoßweise anschwellende Cinemascope-Grandezza (die schnell wieder zurückgeführt wird). Manchmal mutet das alles irgendwie sphärisch an, aber nicht im herkömmlichen Sinne, Musik ohne richtigen Fixpunkt (und das ist gut so), faszinierende Stimmungen. Gefällt mir sehr!

 

 

 

Del Amitri – Fatal Mistakes
Gesponserte Anzeige – Fatal Mistakes

LP oder CD

Wenn da nicht einige Jubelarien drüber geschrieben worden wären, hätte ich mir das nie angehört. Ok, sie hatten vor 30 Jahren einige sehr sehr gute Momente (und Nothing Ever happens kennt wohl noch jeder), aber an zur Gänze überwältigende Alben kann ich mich nicht erinnern. Was sollte da noch kommen, zumal nach nunmehr 19 Jahren Pause? Verblüffenderweise ein komplett in der Zeit stehen gebliebenes über weite Strecken mehr als überzeugendes Werk, unspektakulär oberflächlich gehört, doch voller exzellenter melodisch ganz ausgezeichneter Songs, die reihenweise zum Besten ihrer Karriere gehören! Edel, klassisch, teils catchy. Mit Assoziationen zu den Beatles/McCartney, Crowded House, Rembrandts, Tom Petty, entfernt auch mal (extrem abgespeckten) ELO oder REM. Und College Rock von damals. An der Schnittstelle von Pop und Rock, gitarrenbetont (von 1, 2 der Balladen abgesehen, aber auch da in der Minderheit), absolut geradlinig. Selten mal ein kurzes aber enorm wirkungsvolles Gitarren-Solo, einige Stücke sind überwiegend/teilweise/gänzlich akustisch gehalten (meist, nicht immer folkig angehaucht). Zum Schluß ein überraschend langer Rocker. You Can´t Go Back, Close Your Eyes, Otherwise, Mockingbird, Losing The Will To Die, Missing Person…, alles top! Und passend live im Studio aufgenommen.

 

 

 

Black Midi – Cavalcade
Cavalcade

LP oder CD

Nach dem exzeptionellen total aufregenden und mehrmals regelrecht verblüffenden Debut („Schlagenheim“) macht die Londoner Band so weiter, nein steigern/erweitern sogar noch ihren wüsten Ritt durch die Stile, durch völlig unbekanntes so noch nie gehörtes Terrain – absolut unberechenbar, unfaßbar, wirklich atemberaubend, virtuos, supra-komplex zuweilen, (kontrolliert) wild wie sanft, ungeheuer dynamisch. Die Bandbreite ist unglaublich: Geschredderte Swans meets vertrackt-abgespeckte Gentle Giant und Zappa, mit poetischen Momenten; artifizielle bis brachiale King Crimson verbinden sich in einem Festival der Kontraste mit zarten leisen Phasen, Komplex-Groove, intelligentem „Songwriter-Post Wave-Pop“, Lounge Lizards; rasender Post Punk in Prog gebadet, Sleaford Mods hinzugefügt, von Math Rock, Fusion und Free Jazz ergänzt, z.T. messerscharf sich überschlagend, kakophonisch plus kurze Ruhe; zwischendurch eine feine ruhige entspannte Pop-Ballade, nur marginal left-field; verspielter vertrackter 90s Post Rocktrifft 70s Prog Rock verschiedener Art und intelligenten etwas härteren tollen Guitar Rock; filigranes zartes Gitarrengefrickel und sachte Proto-Art Rock-Tendenzen in aktualisiert, originalisiert; kunstvoller leiser schöner Folk „vereint“ sich mit theatralischem Art Rock, Spuren von David Sylvian und Peter Hammill, King Crimson. Kürzere wie längere Stücke, eine pure Entdeckungsreise, die mit jedem Hören Neues, bisher Unerkanntes offenbart. Was vergessen? Ach ja, Neue Klassik, Primus, Sonic Youth vielleicht. Ein Abenteuer.

 

 

 




       Gary Bartz, Adrian Younge & Ali Shaheed Muhammad – JID 006

                                                Jazz Is Dead

Jazz Is Dead 006 [Limited Red Colored Vinyl] [Vinyl LP]

LP oder CD

Gary Bartz, die Alt-Sax-Institution seit ewigen Zeiten (er spielte z.B. mit/für den elektrischen Miles Davis in den frühen 70ern, Art Blakey, Charles Mingus und Eric Dolphy noch früher, neben den eigenen LPs – und wurde immer wieder gesamplet, nicht nur von Hip Hop-Acts), auf dem schon fast kultigen „Jazz Is Dead“-Label – das paßt! Ein intelligenter satter „aktueller“ Groove trifft in kongenialer Weise auf seine wunderbaren Sax-Linien (irgendwo zwischen Eleganz, Poesie und melodischer Schönheit). Mal bewegt sich die Rhythmik auch, treibend, etwas handfester und kantiger, zwischen Groove und fast schon Rock, oder wirkt deutlich quirliger (in adäquat schnellerem, ereignisreicherem Setting), Hip Hop-affin, oder ein wenig Jazz-näher (wobei das Sax stärker 60s-inspiriert agiert). Mehrfach erzeugen E-Piano/Orgel und/oder Keyboards/Synths (bzw. das Sax selbst) einen gewissen Electric Jazz/Fusion-Vibe der früheren 70er (z.B. Miles/Herbie Hancock), manchmal stehen sie, leicht schwebend, flirrend, im attraktiven Kontrast zu den bodenständigeren Grooves (das Sax hier z.B. lyrischer als sonst). Seltene/punktuelle Vocals erinnern u.a. an leichtgewichtigen 70er Fusion Jazz mit Latin-Input und führen ein Eigenleben. Eingestreut werden Acid-Jazz-, Soul Jazz- und Funk-Elemente hier und da. Feiner Bass übrigens! 8 fürs Genre ungewöhnlich kurze Stücke (keine Solo-Exzesse, gehaltvoll, viel Melodie, gewissermaßen „Song-orientiert“), eine knappe halbe Stunde reicht.

 

 

 




Neil Young – Young Shakespeare
Young Shakespeare

LP oder CD oder Deluxe LP+CD+DVD

Schon wieder ein „neues“ Album, unveröffentlicht, akustisch live solo 22.1.1971, auch als Deluxe-Box mit LP, CD + DVD. Um die obligatorische Frage, „braucht man das?“, gleich zu beantworten: Anders als beim großartigen langen „Way Down…“-90er-Live-Set kürzlich habe ich nach ein paar Stücken und auf Grund der Infos erst mal gedacht, nicht unbedingt. Zumal es ja das 3 Tage vorher aufgenommene Massey Hall-Konzert gibt, auf dem alle hier vertretenen Songs (bis auf Sugar Mountain) auch drauf sind (+ ein paar zusätzliche, 13 sind´s hier). Die Einschätzung änderte sich beim Hören zusehends. Weil er ausnehmend makellos, mit feinem Vibrato teilweise, extrem viel Gefühl, einfach wunderbar singt. Weil er hier einfach total „in der Musik drin“ ist, völlig in ihr aufgeht, in sich ruhend, schnörkellos, absolut konzentriert, manchmal regelrecht ergreifend. Intimer denn je, außerordentlich inspiriert, in diesem (Solo-Akustik-) Setting habe ich einige Stücke nach meiner Erinnerung nie besser gehört. Findet er selbst übrigens auch („meinen Fans sage ich, es ist das beste aller Zeiten“, eine erstaunliche Aussage). Eine gewisse Melancholie hängt über diversen Tracks (/der Stimme), er macht ziemlich viele kurze und längere Ansagen, begleitet sich mit 2 (Piano-) Ausnahmen auf der Akustischen, präsentiert gleich 4 Songs von Harvest (1 Jahr vor Veröffentlichung), neben je 2 von …Gold Rush, Everybody Knows und CSNY-Alben, je einen von der Crazy Horse-Debut-LP und einer Single-B-Side, Journey Through The Past erschien erst 2 Jahre danach auf Time Fades Away. Und er liefert einige überragende Highlights: Eben jenes Journey Through… (wow!), Down By The River, Ohio, Tell Me Why, Helpless, v.a. aber das Medley A Man Needs A Maid/Heart Of Gold (ungeheuer eindringlich und intensiv Ersteres, ganz zart, ganz reduziert, gänzlich unprätentiös und kurz Letzteres). Cowgirl In The Sand ist auf knapp 4 Min. eingedampft. Berührende einfach wunderschöne Musik.

 


 

 

 



Electric Prunes – Stockholm 67
Stockholm 67 [Vinyl LP]

nur LP

21er Release, erschein erstmals 1997, jetzt wieder auf Vinyl. Für die Zeit (1967) ist der Live-Sound erstaunlicherweise okay, kräftig und rund. Sie spielen je 3 Songs der ersten beiden (besten) LPs und 2 alte Blues-Klassiker, anders als auf den Studio-Alben teilweise ungewohnt lang (bis zu 9 Min.) – und gern roher, kraftvoller, wilder als von ihnen bekannt, der R´n´B-Einfluß ist insgesamt höher. Rauher Garage Rock mit Fuzz-Soli (bzw. -Freak-Outs), partiell scharfe wüste Gitarrentrips (inkl. kontrolliertem Feedback), eine Art Acid Rock-Ballade mit Pop-Appeal, natürlich I Had Too Much To Dream last night, das dem Original nichts Wesentliches hinzufügt (aber ´ne feine Version!), ein intensiver dichter High-Energy-Garage-Acid-Punk-Rocker, die damalige Single „Get Me To The World…“ (ein bischen Jefferson Airplane, ein bischen frühe Stones/Who, ein dreckiges geiles abgedrehtes Guitar-Feature, schöner Rock-Groove und ein gewisser Pop-Appeal). Letztere beiden überzeugen zudem als Songs! Schließlich die Standards I Got My Mojo Workin und Smokestack Lightning als mächtig rockender R´n´B, treibend und fast heavy der eine (tolle distorted Acid-Gitarren), mit Schärfe und außerordentlicher Power der andere (klasse Blizzard-Solo), aus denen sie ein eigenes Ding machen.

 

 

 



Steve Earle & The Dukes - J.T.
J.t.

LP Box oder CD

2021er. Sein Tribut an seinen verstorbenen Sohn Justin Townes. 10 Covers aus der Karriere von J.T. (und er schrieb so einige tolle Songs, viele von denen sind hier vertreten), zum Schluß ein neues Original von Steve. Ich war von seinen Alben der letzten Jahre mehr als nur angetan, das Level war beständig sehr sehr hoch, und das ist hier nicht anders. Auch musikalisch blieb er sich treu, trotz der teilweise etwas anderen stilistischen Ausrichtung seines Sohnes: Classic 70s-Songwriter-Country, ein paar in ganz alten Traditionen verwurzelte (aber zugleich angerockte) ziemlich flotte Stücke, ein wenig (nachdenklich gefärbte) Americana-Schule der letzten 25 Jahre, bester melodischer (wie das ganze Werk teil-elektrischer oder akustischer) Country- (Roots-) Rock, rockender satter swampy oder atmosphärisch starker/packender deeper balladesker Southern Roots-Stoff (Ersteres mit einer kleinen Prise Talking Blues, Letzteres absolut super!). Eine weitere Ballade klingt moderat anders, dezent pastoral (mit Orgel) auf der einen Seite, kräftiger und akust./elektr. Saiten-geerdet auf der anderen. Und sein eigener Song ist nochmal etwas Anderes, ungewohnt: Ruhiger, intimer, reduzierter, signifikant dunkler, nein, düster, leicht dräuend, und kaum traditionsverhaftet, sondern eher „zeitgemäß“; intensiv und mit Sogwirkung, großartig! Die reiche Saiten-Begleitung (inkl. Dobro und Pedal Steel), kongenial verknüpft, ist top, oft kommt Geige hinzu, ab und zu schöne effektive Harmony Vocals. Unabhängig vom (Cover-) Charakter bzw. der Geschichte, die dahintersteht: Ein vollwertiges ganz hervorragendes Steve Earle-Album, klare Empfehlung!

 

 

 



John Lennon – Plastic Ono Band (ltd./Deluxe/Ultimate Collection…)
John Lennon/Plastic Ono Band Ultimate Collection [6SHM-CD + 2Blu-ray Audio / Limited Edition]

2LP oder CD oder 2CD oder 6CD+2AudioBray+Buch-Box

Unter Yoko Onos Aufsicht 2021 entstandene Reissue/“Neufassungen“. Als CD („Ultimate Mixes“ der Songs, inkl. ebensolche der 3 non-Album-Singles Give Peace A Chance, Cold Turkey, Instant Karma; die Stimme kommt zentraler, insgesamt kommt´s mir sehr gelungen vor, ohne direkt verglichen zu haben). Als 2CD-Set, die 2. enthält Outtakes/Alternativ-Versionen aller Songs, auch der Singles, oft 1. oder 2. Takes (mit 20-S.Booklet und Poster, im Schuber). Als 2LP, wie das 2CD-Set, nur ohne die Singles, 180g. Und als 6CD/2 Audio-BluRay-Box (plus 132-S.Hardcover-Buch + Poster), mit zusätzlich (je 1 CD) „Raw Studio-Mixes“ (ohne Sound-Effekte), Demos (Home und Studio), Jam-Ausschnitte während der Sessions (meist ältere v.a. R´n´R-Songs, aber auch mal Beatles, just for fun, meist kurz), lange „Evolution Documentaries“ aller Songs (die Entwicklung der Songs wird nachvollziehbar gemacht, Probeläufe, Diskussionen im Studio, allmähliche Veränderungen…). „Elements Mix“ aller Stücke (Hervorhebung bestimmter Instrumente/Vocals, letztere auch mal pur oder fehlend, klingt ab und zu völlig anders). (Auf Audio-BluRay) das parallele „Yoko Ono-Plastic Ono Band“-Album, erstmals komplett/3x so lang, „Freeform-Jamsessions“. Okay, das Werk werden die meisten haben, ist schließlich unbestritten sein bestes, die Frage lautet also wieder mal (wie zuletzt mehrfach bei Neil Young): Braucht man das? Wie gesagt, der Sound/die Abmischung gefallen mir sehr. Ansonsten konzentriere ich mich zur Beantwortung auf das (wie die Box limitierte) 2CD-Set (für viele sicher die interessanteste Alternative), die Unterschiede der Outtakes zu den Original-Fassungen. Mother: Deutlich kürzer, härter abgemischt, ohne Glocke, Drums stärker im Vordergrund, die Stimme am Schluß nicht soo extrem. Hold On: Dumpfer, ein bischen mehr Gitarre. I Found Out: Anfangs durchgespielt/ohne die Pausen, danach sind lange die Gitarren kaum hörbar, es wirkt dadurch „nackter“, am Ende different Vocals. Working Class Hero: Gitarrenbegleitung z.T. reicher, Melodie partiell variiert, weniger Dramatik am Ende. Isolation: Orgel fehlt, der Gesang (noch) emotionaler, keine Stimmendopplung. Remember: Klar kürzer/weniger Text, nicht so „hämmernd“. Love: Völlig anders, Ak.Gitarre statt Piano, viel langsamer, differierende Atmosphäre, Gesang einfühlsamer. Well Well Well: Laufzeit fast halbiert, wirkt nackter, Vocals weniger aggressiv. Look At Me: Akzentuiertere Gitarren, heller, Stimme emotionaler/“angegriffener“. Bei God und Mummy höre ich kaum Unterschiede. Umso mehr bei den Singles: Give Peace A Chance: Chor minimiert, auch Begleitung weit dünner, 1 Minute länger. Cold Turkey: Total andere Gitarren, zudem weit variabler/ganz andere Sounds (teils funky gespielt, längst nicht so schmerzhaft/schneidend, 2 kurze psychedelische Instrumentalphasen), rhythmisch z.T. agiler/flexibler. Auch ein bischen länger, weniger grelle Schreie am Ende. Instant Karma: Dezent anderer Charakter, bodenständiger irgendwie. Es gibt natürlich weitere Sound/Mix-Unterschiede. Am Rande: Wer nur diese LP und vielleicht Imagine hat, nicht aber die Singles: Die lohnen schon alleine. Nach flüchtigem Durchhören scheint es mir übrigens auch auf der Box eine Menge hochinteressantes Material zu geben...

 

 

 



Dinosaur Jr – Sweep It Into Space
And Me

LP oder CD

Neues von 2021, satte 5 Jahre Pause seit der letzten LP. Dass sich trotzdem keine großen Veränderungen eingestellt haben (mit Ausnahmen!), verwundert wenig. Natürlich entzücken immer noch die charakteristischen kurzen melodiegetränkten Guitar-Soli (manchmal mit einer Extraportion Distortion oder schneidender Säure). Überhaupt betonen einige Songs so massiv wie schon seit Ewigkeiten nicht die melodische Seite, ohne besondere Härte oder Schärfe, geradlinig, eine kleine Prise (Power) Pop-Appeal, mal beinahe geschmeidig… Anderswo wird´s härter, schneidender, doch ohne richtige Widerhaken, in einem Fall fließt die Musik wie Lava. Sehr schön in einzelnen Stücken die Beweglichkeit, Kantigkeit und stärkere rhythmische Akzentuierung, ein in Sehnsucht gebadeter leicht gebrochener Gesang samt punktueller Crazy Horse-Gitarre, bzw. (2x) ein luftigerer lockerer Touch, auch dank einer dezent eingearbeiteten akustischen 12-string (bis hin zu einem fast rootsigen Flair, relaxt und ein wenig elegisch). Diese Luftigkeit gilt auch für eine ziemlich vollmundige Ballade. Sporadisch verwenden sie, ganz weit hinten, Keyboards/Mellotron, beim ungewöhnlich variablen Take It Back jedoch deutlich prominenter im Klangbild, der Sound ist loser, die Rhythmik ebenfalls (gar eine kleine Prise Karibik) – schon eine Überraschung. Mascis redet übrigens davon, zur Zeit der Aufnahme viel Thin Lizzy gehört zu haben, und dass das wohl abfärbte…

 

 

 



Ja, Panik – Die Gruppe
Die Gruppe [Vinyl LP]

LP oder CD

Neues Werk aus 2021. Ich kann nicht gerade sagen, ein Fan von ihnen gewesen zu sein, auf Grund begeisterter Besprechungen hab ich hin und wieder früher in ihre Alben reingehört, aber irgendwie kam ich nie richtig an sie ran. Das ist bei ihrer 6. LP (nach 7 Jahren Pause) anders. Keine Ahnung, warum, mangels Erinnerung kann ich auch keine Vergleiche mit den alten LPs anstellen. Es klingt hier einfach schlüssig, völlig losgelöst von irgendwelchen aktuellen Strömungen, die Atmosphäre ist fast durchgängig ziemlich packend, vieles steht unter einer gewissen Spannung. Im weitesten Sinne würde ich es Songwriter-Pop nennen, mit losen Indie Pop/Rock-Verweisen, hier eine zeitlose Edel-Ballade, dort ein Hauch von Ambient, ein paar 80er-Einflüsse, kurz dachte ich überrascht an Laurie Anderson… Diverse (auch mal stark) abgedunkelte und/oder reduzierte ruhige Stücke/Phasen (im Extrem ansatzweise bedrohlich, oder beinahe nackt) kriechen langsam unter die Haut, die Rhythmik führt ab und zu ein attraktives Eigenleben (spielt überwiegend aber keine wichtigere Rolle), die Vocals agieren gelegentlich sehr emotional, anderswo ganz und gar nicht (und wechseln in den meisten Stücken beständig zwischen englisch und deutsch!). Gitarren spielen eine definitiv größere Roll als Tasten, bei der Hälfte der Tracks trägt punktuell überraschend ein Sax (als Gast: Rabea Erradi) den Sound (1x offensiv im Jazz-Modus). Nur in 2 (zu „gefälligen“) Stücken funktioniert das alles nicht.

 

 

 



International Music – Ententraum
Ententraum

LP oder CD

Ihre neue Doppel-LP nach dem exquisiten Debut vor 3 Jahren fällt keinen Deut schlechter aus. Derzeit einer meiner deutschen Favoriten. (Fast) strikt gitarrenorientiert (fein und variabel gestaltet!). Ein unendlicher Strom von (teils überraschenden/originellen) Ideen, attraktiven Motiven/Melodien, packenden Stilmischungen, assoziationsreichen interessanten bis dadaistischen/surrealen Texten in 17 Stücken. Inkl. ein paar eingängigen kleinen Chören und verhallten Stimmen (ganz sporadisch singen sie übrigens auch in Englisch). Der gern für sie verwendete Begriff „Psychedelic-Band“ greift wirklich viel zu kurz. Es tauchen u.a. auf: Früh-80er-Anleihen von (Post) Punk bis zu deutschem New Wave-Pop (auch mal ganz frühe in Pop gebadete Cure-Verweise). Radikal reduziertes (Rock-) Songwritertum mitsamt End-60er Beach Boys-Assoziationen. Kraut trifft Pop inkl. intelligentem Psyche-Input und Garagen-Spritzern (garniert von attraktiven Rhythmusverschiebungen). Ein teils organisches teils konfrontatives Amalgam aus 60s-Pop, 70s-Glam, Psychedelia und, ähem, Franz Josef Degenhardt. Post Punk, NDW und 60s Pop vereint. Aggressive Gitarren-Grandezza in spartanisch-wirkungsvoll. Dezente Velvet Underground-Annäherung (die ruhigen/poppigen). Eine zeitlose leicht dunkel gefärbte zeitlose/80er Balladen-Elegie. Versonnene bestechend atmosphärische Dream Pop-Verweise treffen Shoegazer-Momente und für Sekunden die Monks. Repetitiver milde psychedelischer Post Punk unter Jesus & Mary Chain-Einfluß. Entfernte Big Star-Erinnerungen, groovend-manipuliert. Sanfte Joy Division. Abgedrehte Noise-Experimente. Ganz kurz blitzen Lou Reed und The Who auf… Ich liebe diese Entdeckungsreisen!

 

 

 


Lucinda Williams – Runnin´ Down A Dream: A Tribute To Tom Petty
Runnin' Down a Dream: A Tribute to Tom Petty

LP oder CD

2021er. 12 Covers von Petty (+ ein eigener ihm gewidmeter Song). Auftakt einer Serie weiterer Tribute-Alben, von den Stones bis Dylan, von Soul bis Country. Live (ohne Publikum) eingespielt. Am besten wirken die Stücke, wenn sie sie mit sehr viel Druck und Drive und z.T. Schärfe versieht, auf der einen Seite, oder, ganz im Gegenteil, wunderbar atmosphärisch klingen läßt (teils balladesk, einmal gar beinahe ein gewisses „Southern Gothic“-Flair und etwas dunkel gefärbt). Zwischendurch entwickelt sich eine ebenfalls reizvolle recht relaxte Gangart, mit Southern Rock-Tendenzen (bis hin zu dezenter CCR-Ähnlichkeit). Nur 2,3 eher zurückhaltend rockende Tracks (einer mit einer Art 90s-Indie-Approach) funktionieren nicht richtig. Generell agiert sie im weiten Bereich des geradlinigen Gitarren-Rocks, ob ganz „klassisch“ mit 70s-Anleihen, einer kleinen Prise Blues oder in kurzzeitiger Crazy Horse-Nähe. Überall kleine feine Gitarren-Soli, hier und da ein E-Piano. Das Material stammt mit je einer späteren und einer früheren Ausnahme aus den 80ern und 90ern (mehrere Wildflowers-Stücke).

 

 

 


Femi Kuti + Made Kuti - Legacy+ / Stop The Hate / For(e)ward
Legacy+(2lp) [Vinyl LP]

2LP oder CD

Die Musik der Kuti-Familie wird nun in der 3. Generation fortgeschrieben. Das neue Werk von Fela-Sohn Femi und das Debut von dessen Sohn Made kommt als gemeinsames Album raus. Femi bleibt wieder einmal dem Afro Beat seines Vaters treu, „updated“ quasi den Sound (und z.T. die Rhythmik) in kraftvoller, offensiver, zupackender Weise, der Groove ist allgegenwärtig. Mal baut er kubanische bzw. Latin-Elemente ein, mal tauchen dezent Rock-Anleihen auf, oder funky 70s-Afro-Pop verschiedener Art, 1 Stück kommt ungewohnt breakreich/mit Rhythmus-Verschiebungen (komplex aufgebaut), der mit 8 Min. längste Track bietet Afro Beat pur/unverändert und ausnahmsweise mehr Raum für (mehrere) Soli der allgegenwärtigen Bläser-Phalanx (mit Bezug der Bläser untereinander und zum Satz-Spiel), ein anderer hält das eh großteils beschleunigte Tempo besonders hoch und gibt der Gitarre mehr Auslauf. Generell jedoch besitzen die Stücke ausgesprochenen „Songcharakter“ (und viel Melodie, auch mittels der Bläser), sind ziemlich kompakt gestaltet, der Gesang ist exzellent (samt effektiver Backing Vocals/kleiner Chöre), E-Piano/Orgel unterstützen, ab und zu gibt´s kurze angejazzte Bläser-Soli. Viele soziale/politische Inhalte. Feines Werk! Noch besser aber finde ich überraschenderweise Mades Debut: Wesentlich vielfältiger, gerade auch die Grooves, Afro Beat bildet die Basis, aber musikalisch/rhythmisch aktualisiert bzw. weiterentwickelt, darüber hinausgehend, die Bläser sind erheblich variabler (und teilweise einfach toll!) arrangiert, aufregend passagenweise, riffen, umranken und umschmeicheln sich, interagieren und kontrastieren spannend (Arrangement-technisch trifft das partiell auch auf reizvoll verwobene Vocals zu!). Dadurch bilden sich auch Jazzeinflüsse etwas stärker heraus (nicht nur in Soli), ohne plakativ jazzig zu wirken. Mal steckt eine Prise Reggae drin (neuerer wie Lovers Rock, v.a. durch den Gesang), mal Afro-Kubanisches, zwischendurch kurz Highlife-Anleihen. Nur in einem Fall klingt´s ruhiger, zurückgenommen, geschmeidig, fast elegant (eine Spur Latin inklusive). Der längste Track ist großartig, noch vielschichtiger resp. jazznäher (hier auch durch ein Piano), ohne auf den Groove zu verzichten. Immer wieder hypnotische Musik von erheblicher Klasse.

 

 

 


James Yorkston & The Second Hand Orchestra - The Wide Wide River
The Wide Wide River

LP oder CD

2021er des beständig außergewöhnlichen Schotten, der mich schon oft ziemlich begeistert hat. Hier alles in allem ein wenig „konventioneller“ als sonst, zugleich improvisations- und enorm spielfreudig (in immer wieder bestechender Form, hohe individuelle wie kollektive Fähigkeiten!), v.a. aber in höchstem Maße inspiriert! Differenziert/variabel instrumentiert, relativ reich und z.T. filigran arrangiert, manchmal laufen einzelne Instrumente scheinbar gegeneinander, um sich perfekt zu vereinen. Große Teile (auch diverse ganze Stücke) sind akustisch gehalten, Gitarre, Streicher, (Geige, wohl Cello, zur Hälfte auch Nyckelharpa, die in der Funktionsweise Drehleier-Parallelen aufweist), ab und zu Piano, Flöten, Flügelhorn, E-Gitarre, Omnichord/Keyboards. Und wirkungsvolle (v.a. weibliche) Backing/Harmony-Vocals resp. als 2. Stimme. Ach ja: Klasse Bass teilweise! Folk-Balladen, die mal ganz zart, dezent dunkel, traurig und introvertiert klingen, mal bewußt einfach (bis fast „naiv“ wirkend) und (mit viel Tiefe) recht traditionsbewußt (in einem Fall melodisch absolut klasse mit einfach hinreißenden Vokal-Arrangements, die Intensität ein ständiges Rauf und Runter), mal in sich versunken und poetisch doch im Verlauf zunehmend offensiver. Sowie edler Folk „Pop“ mit Anspruch, in wahlweise fließend und wunderbar verspielt (bei erstaunlicher Natürlichkeit); geradezu hypnotisch (und leicht rockig) in längerem großartigen Instrumentalpart (tolle teils repetitive Streicher! 1x in entfernter Verwandtschaft zu schnelleren The Gloaming), oder über lange Zeit straight (etwas höheres Tempo) und unerhört lyrisch. Herrlich lockere, spontane, feinst verwobene, außerordentlich substanzreiche Musik von ganz eigenem homogenem Charakter. Irgendwie erinnert es mich manchmal in nicht bestimmbarer Form an Bill Callahan, weiß auch nicht, warum. Sehr zu empfehlen!

 

 

 


Edie Brickell - Hunter And The Dog Star
Hunter And The Dog Star [Vinyl LP]

LP oder CD

In der letzten Zeit hab ich sie ein bischen aus den Augen (Ohren) verloren, weiß deshalb nicht, welche Richtung sie eingeschlagen hat. Hier gibt´s jedenfalls nicht allzu große Veränderungen zu ihren frühen Alben – überwiegend intelligenter zwischen zeitlos und moderat zeitgemäßer klingender Autoren-Rock/Pop, der mal Elemente der 90er (oder 00er), ganz gern der 80er, selten auch noch älterer Zeiten aufgreift, teils recht handfest (rockig) agiert, teils atmosphärisch stark, mehrfach satte Grooves verwendet (schon mal inkl. Funk-Einfluß), feinsinnig/edel/einfühlsam bis rhythmisch betont, mit Zug und/oder Tempo. Oder einfach zwischen allen Stühlen sitzt, wie z.B. das großartige I Found You in toller Atmosphäre samt superber Gitarre, überhaupt fällt Letztere mehrfach sehr positiv auf, inkl. exzellenter kurzer klischeebefreiter Soli. Folk Pop-Tendenzen stehen neben einer Prise Prefab Sprout zu besten Steve McQueen-Zeiten, entfernt dachte ich kurz an Heads Hands And Feet, anderswo an Ani DiFranco, erwachsene Indie-Anleihen tauchen auf, eine gewisse Spannung sorgt hier und da für eine erhöhte Attraktivität… Ein unspektakuläres aber richtig gutes Album.

 

 

 


Tindersticks - Distractions
A Man Needs a Maid

LP oder CD

Ein neues Album voller Überraschungen. Das fängt schon beim 11-minütigen (!) Opener an: Lange Zeit extrem reduziert, nur eine Rhythm Box, ein monotoner Bass und mehrere Gesangs-Spuren (spannend arrangiert, teils rhythmisiert, mächtig reizvoll!); später kommen rhythmische Variationen und moderat noisige Tasten/Saiten (?) hinzu, wovon aber schnell nur ein ganz leiser Keyboard-Teppich übrig bleibt, gegen Schluß noch dezente Dub- und Techno-Elemente. Ich kenne nichts Vergleichbares von ihnen, ansatzweise könnte man gar an Suicide und Can denken! Von den nur 6 weiteren Stücken bringt es eines ebenfalls auf 9 Minuten, eine entschlackte ganz sachte Ballade mit verzückenden Gitarrensounds. In nicht so weiter Entfernung davon bewegen sich eine ultra-traurige pure bewegende Piano-Ballade (in französisch) und ein aparter äußerst spärlich instrumentierter/nackter, leiser und zarter Einsamkeit verströmender fast rhythmusloser Track (nur getupfte Klänge). 3 Coverversionen (in völlig veränderter/zu eigen gemachter Interpretation) schlagen andere Töne an: Dory Previns Lady With The Braid (nochmal lang, 7 Min.) verfügt über Bläser, Streicher, Tasten und E-Gitarre, Spuren von 80er-Wave-Pop, Latin und empfindsamem Songwriter-Pop in wirkungsvoller originärer Kombination. Neil Youngs A Man Needs A Maid strahlt eine gewisse R´n´B-Nähe aus (sparsame Begleitung, weibliche Gast-Vokaleinlagen, ein radikal runtergefahrener Groove/simpelste Beat Box). Und die TV Personalities (!) werden etwas offensiver und angefunkt beliehen, teils nach den späten 70ern klingend. Wie gesagt: Ein ausgesprochen überraschendes Album.

 

 

 


Weather Station - Ignorance

Ignorance [Vinyl LP]

LP oder CD

Hinter  Weather Station steht die kanadische Singer-Songwriterin Tamara Lindman. Deren gehaltvolles Songwriting etwas Außergewöhnliches besitzt, zudem verfügt sie über eine ganz feine Stimme. Ein spezielles Stilmittel von ihr, mal in massiver, mal abgeschwächter Form, ist hier der nur punktuelle/punktierende (und umso wirkungsvollere) Einsatz bestimmter (aber vieler!) Instrumente, besonders bei den oft verwendeten Streichern (3 davon oder eine einsame Geige), daneben gibt es Tasteninstrumente so ziemlich aller Art (gern mehrere zugleich), ein Sax, hier und da Gitarre, sporadisch eine Flöte, mehrfach schwillt phasenweise die Dichte der Arrangements an (auch geradezu wirbelnd), vielfach unterlegen Grooves die Stücke (von wunderbar elastisch/treibend bis rockig-stoisch). Das Folk-Terrain von früher hat sie verlassen (okay, kleine Folk-Pop-Spritzer kommen noch gelegentlich vor, aber anders verpackt, z.B. in der Art einer Joni Mitchell Mitte der 70er – zu der gibt es übrigens manchmal auch stimmliche Parallelen), zugunsten von z.B. intelligentem erwachsenem edlem Songwriter-Pop (Rock) mit Anspruch, 1,2 Mal (sehr moderate) Jazz-Einflüsse. Das Ergebnis ist vielfältig/vielschichtig, in den Balladen teils suggestiv spartanisch wie voluminös, hier und da in den 70ern wurzelnd (ob auch klanglich oder eher in der ganzen Art, z.B. als aktualisierte Fortsetzung der Singer-Songwriterinnen Anfang der 70s, mindestens 2 Mal dachte ich an Fleetwood Mac der 2. Hälfte dieses Jahrzehnts, freilich zurückhaltender), anderswo erinnernd an die vorletzte Talk Talk (aber upgedated und insgesamt üppiger) oder War On Drugs. Teilweise recht weite Melodiebögen, einige klasse Motive, der Gesang bei allen einfühlsamen Qualitäten nie überzogen. Absolut zu empfehlen!

 

 

 


Sun Ra – Egypt 1971
SUN RA - Egypt '71 (5LP Box-Set) (RSD 2020) (5 LP)

LP Box oder 4CD

20er Release. Ein weiteres Sun Ra-Fest, 4 Stunden lang. Das Set enthält die Alben Nidhamu, Dark Myth Equation Visitation und Horizon sowie ganze 2 CDs mit unveröffentlichtem Material von denselben Auftritten (alle vom Dezember 1971 in Ägypten), einige Stücke wurden nur hier gespielt. Im Multi-Klapp-Digipak mit enormer Info-Fülle im 32-S.-Booklet mit sehr langen Linernotes von Hartmut Geerken persönlich (in dessen Haus auch ein Teil der Aufnahmen stattfanden), plus ausführliche Facts zu den einzelnen Tracks. Die ganze große Spannbreite seiner Musik, mit 3 Auffälligkeiten: Selbst für seine Verhältnisse extrem viele teils mächtig lange begleitete und gänzlich pure Orgel- und Synthie-Soli (bis zu 13 Min.!), Space-Sounds natürlich, gurgelnd, frei (und z.T. lyrisch zugleich) und wild, „atmend“ und quasi um sich selbst kreisend/repetitiv, schillernd bis äußerst grell, ruhig wie alarmistisch, berauschend, wühlend, hackend/Stakkati, Cluster, orgiastisch, röhrend, quirlig, dezent meditativ becircend wie experimentell, pulsierend… Einfach unglaubliche Klänge, auch der Orgel, wie nur er sie hinkriegte. Hin und wieder Piano (wenig Soli), Rocksichord. 2. und ebenfalls ungewohnt häufig: Leichtfüßige afrikanisch beeinflußte polyrhythmische teils feinst rollende oder auch swingende Grooves! Gern gekoppelt mit den typischen (oft repetitiven) Chants/Gesängen. Schließlich ist auch der Flöteneinsatz (ab und zu mehrere zugleich) überdurchschnittlich hoch, frei wunderbar umherstreifend, schwirrend wie die pure Schönheit, gar spirituelle Momente. Häufig erstrahlt der klassische/brennende Sun Ra-Free Jazz, kollektive wie solistische Improvisationen mit ekstatischen Ausflügen, daneben stehen (deutlich seltener) poetische bis kontemplativ-hypnotische Phasen, einige herrliche fast feierliche oder majestätische Stücke mit getragener bis flächiger bis spirituell-freier Grundhaltung (teils samt melodischer Delikatessen, die auch anderswo auftauchen), dichte komplexe Percussion-Teppiche/Feste, sogar packende Annäherungen an rockige Grooves kommen 1,2 Mal vor sowie ständig wiederholte Bläser-Riffs, geheimnisvoll-mysteriöse Momente. Die eigentlich typischen Rückgriffe auf süffig-großformatige swingende 50er fehlen nicht ganz, aber weitgehend. Der Sound ist unterschiedlich, semi-professionell, aber durchaus okay, finde ich (wie auf vielen seiner alten LPs), die Bläser werden manchmal weit weg von den Mikros gespielt. Wer die 3 Original-Alben nicht hat: Zugreifen (zumal bei dem Preis)! Aber auch für wirkliche Fans im Besitz der Alben dank des üppigen Bonusmaterials sehr reizvoll!

 

 

 


Grateful Dead - Workingman's Dead (50th Anniversary)
Workingman's Dead (50th Anniversary Deluxe Edition)

LP oder CD oder 3CD Box

20er Release auf Rhino, bestens remastered, von 1970. Einer ihrer größten Studio-LPs, klar. Und eine Kehrtwende ihres Sounds. Proto-Americana oder wie auch immer man´s nennen will, ein enorm Roots-betontes Album, aber das beschränkt sich nicht, wie immer kolportiert wird, auf die starken Country- und Folk-(Rock-)Einflüsse, auch R´n´B/Blues-gefärbte Stücke gehören dazu (inkl. eines Pig Pen-Features: Easy Wind). Zudem erfreuen Harmony Vocals in nie gekannter Stärke (die einen guten Teil des Reizes ausmachen, wie ich finde, auch wenn sie nicht so perfekt wie bei den als Inspiration dienenden CSNY ausfallen), überhaupt spielen die Vocals eine ungewohnt große Rolle, sie agieren absolut songorientiert, 1 einziges etwas längeres Solo gibt es. Und ein paar teil- oder (bis auf den Bass) gar ganz akustische Tracks gehören zum Repertoire, Pedal Steel (Garcia) und Banjo tauchen ab und an auf. Großartige Songs wie Uncle John´s Band, Cumberland Blues, Casey Jones tragen zum Klassiker-Status bei. Als Bonus gibt´s auf 2 CDs ein unveröffentlichtes  komplettes Konzert vom 21.2.71 (Capitol Theatre Port Chester, 152 Min.) in perfektem Top-Sound, ohne Mickey Hart, der sie ein paar Tage zuvor für über 3 Jahre verlassen hatte (also nur 1 Drummer). Die Show wirkt qualitativ sehr ausgeglichen (auf hohem Level), einziges extrem langes Stück ist Good Lovin´ (eine von immerhin 4 Pig Pen/Blues-betonten Nummern, u.a. das gestochene feine I´m A King Bee), herausragend kommen Cold Rain & Snow (relaxed und inspiriert), Me And Bobby McGee (tolles Cover, Vocals wie Gitarre wunderbar feinfühlig), Ripple (anrührend, geradezu zart), Sugar Magnolia (etwas aggressiver als oft, auch die Acid/Wah-Wah-Gitarre), Greatest Story Ever Told (sehr kompakt/scharf/tough, feiner Groove), Johnny B. Goode (in dem Monat scheinbar besonders gut), Wharf Rat (fabelhaft! Phasenweise fast traumverloren) und Uncle John´s Band (delikat und viel Gefühl, gerade auch die 2 Garcia-Soli). Ein mehr als willkommener Bonus!

 

 

 


Grateful Dead - American Beauty (50th Anniversary)
American Beauty (50th Anniversary Deluxe Edition)

LP oder CD oder 3CD Box

20er exzellent remasterter Rhino-Release, 5 Monate nach ihrer stilistischen 180°-Wende Workingman´s Dead ebenfalls 1970 erschienen, quasi eine direkte noch konsequentere Fortsetzung, in noch einmal gesteigerter Güte (meine persönliche Lieblings-Studio-LP von ihnen überhaupt), heißt: Der Folk- und Country-Anteil (gern beides vermischt) ist (wie auch der akustische) noch höher, Westcoast-Folk-Rock steht neben ein paar eher Roots Rock-Tendenzen (wobei auch, gegenüber Workingman´s allerdings vermindert, Blues-Anleihen dabei sind, wiederum übernimmt Pig Pen 1x den Gesang). Sogar ein erstaunlich traditionell ausgerichteter Track ist dabei (das sanfte fast feierliche Attics Of My Life, der wiederum oft massive Harmony Vocals-Einsatz steht hier über allem). Eine über weite Strecken ausgesprochen relaxte LP mit einigen Gästen (u.a. David Grisman/Mandoline, Howard Wales, Ned Lagin, Leute von New Riders Of The Purple Sage), es wimmelt vor famosen Songs, von denen viele zukünftig zu ihrem Standard-Programm gehören sollten: Box Of Rain, Friend Of The Devil, Sugar Magnolia, Brokedown Palace, Truckin und das großartige Ripple… Wie bei Workingman´s Dead verwöhnt ein komplettes Konzert als Bonus (derselbe Ort, nur 3 Tage zuvor am 18.2.71, 142 Min., letztmals vor seiner Auszeit noch mit Hart; aber zur Hälfte andere Songs, die identischen teils deutlich differierend). Nur 3 der Highlights hier sind dieselben wie 3 Tage später, Uncle John´s Band (noch besser!), Johnny B. Goode und Wharf Rat – Letzteres findet sich in der Mitte perfekt eingebettet in einen „nur“ 21-minütigen Dark Star-Jam/Block, und der ist berühmt (explizit sogar in Wikipedia erwähnt), denn er gilt vielen Deadheads als eine oder die beste Dark Star-Version ever! Betörend fürwahr! Phasenweise ganz zart/leise mit ebensolcher Orgel (wohl von Ned Lagin als Gast gespielt)! Noch dazu spielten sie den Song hier zum 1. Mal, wie gleich 5 (!) andere, darunter weitere herausragende Tracks wie Bertha (druckvoll, schnell, feurig), Loser (wunderschön), Playing In The Band. Ebenfalls superb: Hurts Me Too (einfühlsam! Eines von 3 Pig Pen-Features), Me & My Uncle (konzentriert, klasse Flow und Vocals), Candyman (immens gefühlvoll), das lange bekannte Medley Not Fade Away/Going Down The Road (punktgenau, viel Dynamik, perfekt groovender Fluß, nicht zu ausufernd). Vielleicht bilde ich es mir ein, aber mir kommt das Set bzw. der Sound insgesamt schärfer geschnitten, „rockiger“ vor als zumeist (gerade auch Jerrys Gitarre, der übrigens überraschend wenig singt). Erste Sahne, satte Empfehlung.

 

 

 


Notwist - Vertigo Days
Vertigo Days [Vinyl LP]

2LP oder CD

Nach 6 Jahren und so vielen verschiedenen Projekten endlich ein neues Studio-Album. Mit diversen Gästen, u.a. Saya von den Tenniscoats, Juana Molina, sogar Jazzerin Angel Bat Dawid (von ihr kommt auch Neues, bin schon gespannt). Erstaunlich, was sie hier jeweils alles im selben Song zusammenmixen, teils übereinanderschichten, teils nebeneinander stellen. Z.B.: Repetitive Tasten-Motive (durchdringende Orgel) + Kraut-Spuren + Suicide-artiges in anderem zunehmend wärmerem Ambiente + Garage Rock + Pop, mehrere Ebenen parallelgeschaltet. Can + kreiselndes Dauer-Motiv + naiv-betörender Gesang in zeitgenössischer Indie-Pop-Hypnose. Polyrhythmische Perkussivität + unterschwellige wie offen ausgestellte getragene Klangflächen + eine ständig wiederholte auf- und absteigende Gitarren-Punktierung + schwebende lichte traumverlorene becircende bewegliche Schwaden + Ambient- und Jazz-Spuren. Außerweltliches trifft Silver Apples. Schillernde glitzernde wundervolle und verstörende Sounds zugleich + tiefmelancholisch, zart und tröstend in einem + simple Beat-Box meets Klangforschung. Kraut + Indie Pop + Polyrhythmik + eine psychedelisch-verspielte Motorik. 80s Wave aktualisiert + groovender Indie-Electronic-Pop der 00er + Industrial Noir. Dazu kommen eine völlig lose sich beinahe auflösende bis sanfte reduzierte bis zeitlos bodenständige Ballade (melodisch höchst apart), suggestive slow-Groove-Modern-Electronic-Psychedelia, die mich entfernt an irgendwas von Robert Wyatt erinnert, 2x bunter freundlicher schöner luftiger Indie-(Folk-)Pop (zeitlos) und erhebender herrlicher unbestimmter Indie-Folk in purer Schönheit mit gleichzeitig melancholischen wie hymnischen Nuancen. Also extrem variationsreiche vielschichtige enorm freisinnige Musik, die immer wieder fesselnde/faszinierende Phasen beinhaltet.

 

 

 


Sault - Untitled (Black is..)
Untitled (Black Is)

LP oder CD nur Eigenlabel!

20er des „Anonymous“-Kollektivs aus England, die auf jegliche Promotion, Interviews etc. (und die Bekanntgabe ihrer Mitglieder) verzichtet und in so vielen Bestenlisten des Jahres 2020 vertreten ist, und das gleich mit 2 Alben. Dieses basiert auf Grooves aller (schwarzen) Art, tendenziell aktuellere (aber nicht nur, und manche unwiderstehlich!), sowie auf viel Soul, Retro-Rückgriffen (u.a. Marvin Gaye bester Zeiten, Motown-Spritzer, End-70er und frühe 80er Jahre), aber (fast) generell aktualisiert (mindestens rhythmisch) und ein paar Hip Hop-Anleihen (aber nie vokal, keine Raps), zwischendurch auch mal Afro-Beat in modifiziert (mit Gast Michael Kiwanuka), „Future-R´n´B“, House-Einfluß oder dezente Gospel-Spuren. Ab und zu gnadenlos repetitiv, einige Miniaturen, ein dezidiert politischer Ansatz, verschiedene Sänger/innen (großteils weiblich, phasenweise exzellent!), relativ wenige Gitarren, umso mehr Synthie/(E-)Piano/Keyboards/Orgel, oft stark reduziert arrangiert (oder gar skelettiert). Manchmal auch sehr schön feinsinnig bzw. zart, schwebend („Post-Soul“?). Auf jeden Fall etwas ganz Besonderes!

 

 

 


Sault - Untitled (Rise)
Untitled (Rise)

LP oder CD nur Eigenlabel!

Ihr 2. 20er-Album, durchaus verändert (wenn auch nicht radikal): Zu den Tasten-Instrumenten gesellen sich oft Streicher (gern auf musikdienlichen Effekt getrimmt, pur flächig als Klangmeer, gleißend, schimmernd, wirbelnd, beruhigend…), selten Bläser/Flöte, Gitarren sind ein weiteres Mal ziemlich rar gesät. Der hohe Groove-Faktor bleibt bestehen, der aber kommt, wie die ganze Stilistik, vielfältiger, bis hin zu Polyrhythmen. Das Ergebnis bewegt sich zwischen Neo-Soul mit Philly-Spuren oder Latin/Afro-Elementen (Rhythmik!) und/oder Funk-Anleihen, sanfterem Soul mit einem Hauch Jazz, zeitgenössisch-traditionsbewußtem R´n´B mit noch einmal Latin-Afro-Beigaben (teils herrlich mehrschichtig), slickem End-70er Soul-Funk, reduziertem Afro-Hip Hop, einem dezent schwelgendem Down-Beat-Derivat, manipuliertem 60s-Soul und zeitgemäßem funky R´n´B mit 80s-Soul-Einfluß. Geblieben sind repetitive Parts (nicht so massiv wie bei Black Is) und hier und da auch stark zurückgenommene bis radikal entschlackte Phasen, generell jedoch klingt´s hier sehr deutlich üppiger, luxuriöser instrumentiert. Die gleiche Klasse wie Black Is!

 

 

 


War On Drugs - Live Drugs
Live Drugs

LP oder CD

Ihr 1. Live-Album, aufgenommen 2014-2019, dennoch homogen, das quasi wie ein Konzert klingt (über 75 Min.). Anders als zu ihren Anfängen und mehr noch als auf den letzten 2 Alben setzen sie live gerne und erfolgreich auf den Effekt, auf suggestive große Klangräume, ja beeindruckenden Stadion-Sound (bei manchen Stücken der Killers z.B. ist Ähnliches zu beobachten, ohne mit denen direkt vergleichen zu wollen). So ist die eigentliche Basis vieler Songs, Heartland Rock, Einflüsse der Dire Straits/Sniff ´n´ The Tears, Dylan, Tom Petty zwar noch erkennbar, das alles spielt sich aber eher „tief drinnen“ ab und in der Form jeweils emotionaler bzw. erheblich großformatiger; auch Springsteen läßt mal entfernt grüßen. Der rhythmische und phasenweise der Gitarren-Flow sind gegenüber den Studio-Werken teils enorm verdichtet (wobei die Rhythmik aufs Effektivste immer wieder mächtig stoisch wirkt, manchmal geradezu hypnotisch), es bilden sich (z.B. in Guitar-Soli oder einigen der Balladen) ein elegisches Flair (wobei Letztere teilweise mehr auf Tasten setzen), viel Atmosphäre, das Bariton-Sax fügt sich perfekt ein (punktuell agierend meist). Rock mit großer Geste und zugleich viel Substanz, nur selten blitzen mal schlanke oder gar fast zarte Momente auf, mein Lieblingsstück von ihnen, das hier 12-minütige (!) Under The Pressure, besitzt mehr Variabilität als der Rest, entwickelt eine bestechende Sogwirkung.

 

 

 


Neil Young - Return To Greendale
Return to Greendale

2LP oder 2CD oder Deluxe Box

20er Release aus seiner Performance-Serie, das (gute!) Greendale-Konzeptalbum in einem ca. 80-minütigem Crazy Horse-Live-Konzert von 2003, dieselbe Song-Reihenfolge, dieselbe Besetzung (inkl. der Backing-Sängerinnen, plus Frank Sampedro, hier am E-Piano, allerdings keinesfalls permanent). Textreich und völlig schnörkellos, vor allem aber klingen die Versionen gegenüber der Original-LP zwar musikalisch nicht wesentlich anders, doch definitiv besser in meinen Ohren, etwas rauher/erdiger/dreckiger und deutlich lebendiger, auch der Mix gefällt mir besser. Mehr Fuzz hier und da, ein bischen dynamischer insgesamt, bei ruhigeren Tracks (signifikant!) deeper/gefühlvoller/inspirierter (vokal wie Gitarre)! Die Harmonica (4x dabei) wirkt mehrfach ungewohnt durchdringend (und eine Spur offensiver, kommentierend bis repetitiv). Einige leicht bluesige Rocker (1x gar richtiger schwerer rockender Blues) und mehrere stärker melodisch geprägte in typischem Crazy Horse-Sound (mit z.T. verstärkt bluesig verzerrten Einwürfen, ansonsten ganz gern ziemlich stoisch, mal schleppend), eine Orgel-Ballade (nackt und berührend), das feinfühlige bis lakonische sanfte Bandit kommt wie gehabt akustisch, aber hier gänzlich solo. 2 der 3 über 10-minütigen Stücke atmen mehr Ruhe (eine elegische Note, dezent weicher, die Gitarre partiell melodisch sehr schön singend oder mit kurzen wunderschön zarten Momenten; aber selbst hier sind Soli nicht gerade ausschweifend). Ein paar bestechende/catchy Refrains! Die Deluxe-Box enthält 2LPs, 2CDs, 1 DVD (Making Of), 1 BluRay (das Konzert) und ist limitiert, nummeriert. Absolut lohnend, finde ich!

 

 

 


Nick Cave - Idiot Prayer
Idiot Prayer: Nick Cave Alone at Alexandra Palace (2LP) [Vinyl LP]

2LP oder 2CD

Neuer 84-Min.-Live-Set, während Corona live solo (am Piano) im Alexandra Palace/London aufgenommen. 22 Songs von 1986 bis 2019 (u.a. 6 Stücke von Boatman´s Call, auch 2 von Grinderman, 1 neues), doch großteils aus den letzten 25 Jahren (nur 3 aus den 80ern), öfters ist der ursprüngliche Charakter/die Atmosphäre mehr oder weniger stark verändert (v.a. in Richtung ruhigerer Gefilde). Ohne jegliche Ansagen, konzentriert und emotional, balladeske Gangart überwiegt weit, recht gern mit melancholischer Note versehen (in unterschiedlicher Ausprägung). Das Piano agiert teilweise sparsam bis beinahe tropfend, noch lieber (und dann meist gleichzeitig) relativ sanft angeschlagen, aber beständig variiert, mit nur ganz wenigen kurzen Ausbrüchen – deren geringe Anzahl mich generell überrascht (auch des Gesangs); ich meine richtige, zornige/aggressivere oder dramatische, nicht das gelegentliche temporäre Anziehen von Anschlag/Lautstärke. Manchmal klingt er zärtlich, barmend, oder auch ein wenig romantisch, voller Harmonie, sporadisch gar beinahe klassizistisch. 1,2 Tracks lassen mich an Piano-Solo-Sachen von John Cale in den 80ern denken (ich hatte mit mehr gerechnet). Meine persönlichen Favoriten: Mercy Seat (da geht er mehr aus sich heraus), Jubilee Street (gilt Ähnliches), Ship Song (eher schlicht, aber überzeugend!), Higgs Boson Blues (klar längster Song hier, sehr eindringlich), kontrastreicher als sonst; was auch für die exquisite irgendwie hypnotische Deutung von Papa Won´t Leave You Henry gilt. Und schließlich Galleon Ship.

 

 

 


Sun Ra Arkestra – Swirling
Swirling [Vinyl LP]

LP oder CD

2020er des ja seit Sun Ras Tod von Marshall Allen geführten z.Zt. 15-köpfigen Arkestra (inkl. 8 Bläsern, vielen altgedienten Mitgliedern, u.a. neben Allen Knoel Scott, Cecil Brooks, Michael Ray, Danny Ray Thompson; die ausgezeichnete Sängerin Tara Middleton, bei fast jedem Track dabei, häufig aber nur kurz, agiert anders als June Tyson damals, eher „klassisch“ mit gelegentlicher Soul-Infusion, wunderbar gefühlvoll/sanft, fordernd, herber zwischen Blues und Jazz, feinst emotional phrasierend). Sie bearbeiten großteils altes Sun Ra-Material (teils Klassiker) aus den Mitt-50ern bis späten 70s (darunter 1 unbekanntes Stück, 1 rares, 1 erst nachträglich als Bonus/10“ veröffentlichtes, das mit einem langen superben mehrstimmigen A-capella-Part startet), plus 1 neues von Allen, aber einige davon auf völlig neue kaum wiedererkennbare Art. Ich hab in den letzten Jahren 3 Live-Konzerte von ihnen gesehen, für meinen und den Geschmack vieler großartig (besonders das 1. und eins vom letzten Jahr), aber es gab auch (ein wenig!) kritischere Stimmen, die eine gewisse „Glättung“, weniger Spannung bemängelten. Wahr ist, daß sie (auch hier) irgendwie „berechenbarer“ geworden sind als in alten Zeiten – aber nur in Relation zu damals, keineswegs im Vergleich zu anderen Acts. Der afrikanische Input, längere Percussion-Parts, der viel beschworene (aber ja auch früher nur gelegentlich auftauchende) Space-Faktor sind deutlich minimiert, ebenso die gänzlich freien Anteile (obwohl es ein tolles pures typisches zudem Percussion-reicheres Free Jazz-Stück gibt, mit wilden Piano-Features und fast poetischem Synth-Interlude). Aber die Grundlagen sind dieselben. Viele im Grunde auf alten (swingenden, sporadisch bis in die 30er zurückreichenden) Jazz-Traditionen basierende Tracks, die mal punktuell, mal immer wieder so charakteristisch von harmonischen Freiheiten bzw. Verschiebungen und oft kürzeren freien Querschüssen (Bläser, Piano, Synthie, letztere beiden sind übrigens meist beide vertreten) durchzogen werden, was für eine ganze Reihe faszinierender Momente sorgt. Daneben gnadenlos repetitive Phasen (z.B., mehrfach, Bariton-Sax-Motive) bzw. Ostinati mit hypnotischer Ausstrahlung, ein paar Groove-artige “tanzende“ Rhythmen, avancierte weit aufgebrochene, ausfransende, befreite/freisinnige und komplexe u.a. an frühe 60er erinnernde (oder mal zukunftsorientierte) Sachen, diverse stark aktualisierte überraschende Versionen (z.B. Rocket No. 9, das gleichzeitig 70s-inspiriert und hochmodern wirkt), das grandiose „Medley“ Satellites Are Spinning/Lights On A Satellite zwischen purer herrlicher Balladen-Schönheit und fabelhaften Querschüssen… Enorm ideenreich, teils quietschbunt (wozu der Analog-Synthie einiges beiträgt), gefühlvoll wie angestochen, klasse Bläserarrangements allerorten, und beständig auf hohem bis höchstem Niveau (mit Ausnahme eines reinen Vocal/Synth-Duetts). 71 Min., Vinyl mit Bonustrack (der Coleman Hawkins-Klassiker Queer Notions, ungewohnt frei interpretiert). Große Empfehlung!

 

 

 


Elvis Costello – Hey Clockface
Hey Clockface

LP oder CD

Neues von Elvis Costello ,an 3 Orten in wechselnden Besetzungen aufgenommen, v.a. in Paris (9 der 14 Tracks), beteiligt waren u.a. Steve Nieve, Nels Cline, Bill Frisell. Fast die Hälfte der Stücke besitzen einen sehr ähnlichen Charakter, Balladen mit viel Gefühl im besten Sinne, gern ein wenig melancholisch, farbenreich und intelligent (teils etwas sparsamer) arrangiert (Cello, Trompete oder Flügelhorn, Sax, Piano/Orgel, mal Akustikgitarre), gehaltvoll, emotional packend, stilistisch schwer festzumachen (Elemente alter Zeiten inklusive Jazz- und Pop-Einfluß in zeitloser Form). 2 weitere Songs schöpfen aus uralten Quellen, ähnlichen wie oben genannte Balladen, v.a. aus den 30ern, nunmehr jedoch eher beschwingt, nur zeitweise gemächlicher, besitzen aber nicht dieselbe Klasse. Der Rest setzt mehrfach auf rockige Gangarten (teils durchaus zeitgemäßer Art, in gewissem Sinne aber auch quasi Aktualisierungen seiner früheren Tage; partiell mit starkem Zug/Druck und Schärfe oder beträchtlicher Dringlichkeit, in einem Fall rhythmisch reizvoll nicht ohne aktuellere Bezüge/Beats samt repetitiver Motive), eine enorm faszinierende spannende Nummer wirkt fast etwas spooky (atmosphärisch super!), samt exquisiter wohlüberlegter Gitarre, 2 Tracks fallen völlig aus dem Rahmen: Hip Hop-Anleihen frei ausgeführt/ausgeschmückt inkl. Abenteuer-Synthie. Und der wunderschöne Opener, irgendwie asiatisch-mystisch-spirituell und ein bischen jazzy. Vieles kommt übrigens ohne Drums aus. Dank des Songmaterials sehr lohnend.

 

 

 


Pretty Things – Bare As Bone, Bright As Blood
Bare As Bone,Bright As Blood [Vinyl LP]

LP oder CD

Dass es die immer noch gibt (gab)… Aufgenommen kurz vor dem Tod von Sänger Phil May im Mai 2020, im Wesentlichen er (und trotz der Krankheit und des Alters ist seine Stimme absolut intakt!) und Co-Leader Dick Taylor, der großteils akustisch spielt. Eine 2. Gitarre kommt meist hinzu, mehrfach zudem Harmonica, 2x Geige, 1x nur rudimentäre Drums sowie Banjo. Ab und zu wird eine der Gitarren dezent verstärkt. Akustik-Alben hat es in ihrer 55-jährigen Geschichte nie gegeben. Was auch für die Stilistik gilt: Knapp zur Hälfte zelebrieren sie puren und verblüffend authentischen wie guten Country Blues inkl. Slide (1x in nicht ganz so alten Zeiten wildernd)! Daneben klassische Folk-Traditionen resp. typischen Songwriter-Folk, ein paar Mal Mischungen aus Country und Folk oder Blues, Gospel und Folk – auch das absolut gelungen. Gesang wie Gitarren kommen stilgerecht/kongenial, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Alles ohne jeden Rock-Bezug. 1 oder 2 Stücke erinnern mich in der Machart sogar ein bischen an entsprechende Songs des akustischen Robert Plant dieses Jahrhunderts! Und das Material ist ebenfalls top ausgesucht, Covers von u.a. Muddy Waters, Robert Johnson, Gillian Welch, Willie Dixon, Black Rebel Motorcyle Club (?!). Echt, emotional, berührend, eine dicke Empfehlung!

 

 

 


Adamaschek & Shiregreen – Deutschlandreise
Deutschlandreise

nur CD

Neues Werk des schon oft sehr positiv aufgefallenen Singer-Songwriters Klaus Adamaschek, diesmal gänzlich deutsch gesungen. Und signifikant anders als gewohnt: Die Country/Americana-Tendenz hat er weit zurückgefahren, zugunsten Songwriter-Folk-Traditionen (z.T. deutscher, so gibt es manchmal Parallelen z.B. zu einem Hannes Wader, auch inhaltlich) sowie Folk Pop-Verweisen resp. melodischem Folk-Rock (gelegentlich teil-elektrisch, der Rock-Faktor ist jedoch nur schwach ausgeprägt) samt diverser aktuellerer Bezüge (er knüpft insofern an den 2. Teil seines Earthbound/Traumwandler-Albums an). Ohne daß ganz dezente country-eske (Americana-) Tupfer gänzlich entfallen. Poesie, Texte über die (auch menschliche) Natur oder die Liebe und Alltagsgeschichten treffen (sozial-)politische/zeitbezogene, Deutschland im kleinen und großen Ganzen ist Thema. Über weite Strecken ruhig, zurückhaltend, gelassen, gern lyrisch, 1x gar ein wenig verträumt oder ganz weich dahinfließend, ab und zu relaxt, rund und relativ süffig (das Instrumentarium, einfühlsam und apart gespielt, ist bunt und recht groß, umfaßt neben den Gitarren Bratsche, Geige, Akkordeon, Orgel, Dobro, elektr./akust. Bass, Harmonica, (E-)Piano, selten sogar Synthie, Kalimba, Flügelhorn; und feine weibliche Backing/Harmony-Vocals). Ein langes schönes Album, das viel Wärme ausstrahlt.

 

 

 

Bob Dylan – Rough And Rowdy Ways
Rough and Rowdy Ways

LP oder CD

Nach den 3 einzeln veröffentlichten Songs (alle hier drauf, und keinesfalls die besten Stücke) voller Spannung erwartetes 20er Album (70 Min.), häufig begeistert bejubelt. Oft (oder zumindest über weite Strecken) kommt der Gesang (der mir ansonsten ausgezeichnet gefällt, sehr rau bis gefühlvoll) ohne viel Melodie aus (Tendenzen zum Talking Blues), eingängige Refrains zu schreiben, war jedenfalls nicht sein Ziel. Gern ausgesprochen viel Text, überhaupt singt er fast nonstop, instrumentale Phasen: Fehlanzeige, mit einer 1-minütigen Ausnahme. 3 Tracks sind wie schon ein paar Mal in diesem Jahrhundert stark Blues-orientiert, handfest, zurückhaltender und sehr langsam, woanders „Classic Blues“ oder eher Blues Rock mit einer Spur Stones-Flair, zum Teil stark reduziert und ziemlich old-fashioned. Was auch auf weitere Stücke zutrifft, v.a. einige in aller Ruhe präsentierte bzw. leise/balladeske, eines davon ausnehmend einfühlsam, gar ein wenig romantisch. Der für mich beste Song, Key West, klingt wunderbar atmosphärisch, völlig entspannt, zeitlos folkig. Das jetzt schon berühmte 17-minütige Murder Most Foul besteht aus einem einzigen Textfluss, recht leichtfüßig wirkend, instrumental sparsam auch hier, doch mit ein paar mehr Verzierungen, Freiheiten, offener und Feingefühl. Textlich mit reichlich Bezügen zu alten Zeiten (auch musikalisch stecken so einige Parallelen zu Zeiten vor seiner Karriere drin, u.a. aus dem Pop-Sektor). Die (wie die Stimme meist „klare“) E-Gitarre dominiert, manchmal von akustischer ergänzt, sporadisch Geige, Piano, Akkordeon oder Harmonika. Dylan-Exegeten haben jetzt jede Menge zu tun, musikalisch allerdings passiert mir ehrlich gesagt zu wenig.

 

 

 

Laura Marling – Song For Our Daughter
Song For Our Daughter

LP oder CD

2020er. Ihre Musik hat sich hier schon etwas verändert. Zum Guten hin! Für meinen Geschmack eines ihrer besten Werke. Ich meine (wenn auch teils eher unterschwellige, und jeweils nur in einem Song) Annäherungen an Leute wie Laura Nyro, Leonard Cohen, Paul McCartney, Stephen Stills, vielleicht kurz Carole King zu hören, am stärksten jedoch sind (in 2,3 Stücken, und ja nicht zum 1. Mal) Parallelen zu Joni Mitchell auszumachen – sowohl der frühen als auch der ab ca. Mitte der 70er (teils in mehrfacher Hinsicht, sogar die Melodik betreffend). 70s-Songwriter-POP-Einfluß (teils ins zeitlos-zeitgenössische übersetzt), ungewohnt rhythmisch geprägter Folk Rock, relativ sanfter relaxt bis sehr intimer leiser Folk, zarter klassizistischer Spät-60er-Edel-Pop (reduziert mit punktuellem Streicher-Aufbrausen) und Art-Folk-Rock als loses Fließen in offenen Stimmungen mit ausgreifenden Melodiebögen wechseln sich ab (oder werden kombiniert). Große Teile sind akustisch gehalten, und gesanglich liefert sie einige großartige Darbietungen ab (wozu auch diverse sehr schöne eigene Harmony Vocals gehören)! Ein rundum erstklassiges Album, sehr zu empfehlen.

 

 

 

Fiona Apple – Fetch The Bolt Cutters
Fetch the Bolt Cutters [Vinyl LP]

LP oder CD

8 Jahre nach der letzten LP gib es 2020 neues Material (erst 5 Alben in 24 Jahren!)und wieder überrascht sie, zelebriert ungemein originäre, eigenständige Musik, die teilweise klingt wie nichts anderes. Was nicht immer ganz leicht zu konsumieren ist, bei näherer konzentrierter Beschäftigung aber immens lohnt. Gesanglich extrem variabel, melodisch, herb oder gar spoken word bis Rap-artig, flüsternd, fordernd oder schroff, experimentierend in hohen Lagen wie sinnliche Momente, gefühlvoll oder emotional übersteigert, teils rhythmisch stark verankert. Der instrumentale Teil ist längst nicht mehr so massiv auf das Piano zentriert (manchmal aber doch!), es wird teils von E-Piano oder Synthesizern und Keyboards ersetzt (was zu einem völlig anderen Klangbild führt), anderswo fehlen jegliche Tasten. Und der Gesamteindruck ist ziemlich oft ein ausgesprochen rhythmusbetonter z.T. innerhalb der Stücke höchst abwechslungsreich, insgesamt sowieso, partiell toll korrelierend mit der Art der Melodik, inkl. tricky/polyrhythmischer Ideen, packenden etwas komplexeren dabei phasenweise zugleich traditionsbasierten/dezent Ethno-beeinflußten Grooves und zeitgenössischen Beats. Mehrfach stehen Drums und Percussion klar im Vordergrund, ohne dass man irgendetwas vermisst. Der stilistische Hintergrund wirkt genauso variabel, verfremdete Folk-Elemente, schwarze Roots- Anleihen (relativ versteckt, inkl. Gospel), Pop absolut eigener unorthodoxer Art, R´n´B-Tendenzen (ebenso individuell), punktuelle Avantgarde- oder Jazz-Spuren, alte Songwriter-Pop-Anklänge (60s-Ursprung), abenteuerlicher „Modern Progessive“. Durchaus gibt es auch schwebende Klänge, zärtlich-lyrische Passagen, Balladeskes (teils konventioneller wie eher abgefahren), „spooky Pop“, kurz einen außerweltlichen kleinen Chor samt old- time Folk. Und jede Menge unerwartete Kontraste! Gern recht (bis massiv) reduziert, manchmal zeitweise vollmundig. Assoziationen, zwischendurch: Z.B. Tom Waits goes Avantgarde, Björk bezüglich ihrer Unberechenbarkeit. Ein außerordentliches Album!

 

 

 

Neil Young – Homegrown
Homegrown

LP oder CD

Das Mythen-umrankte wohl wegen diverser stark persönlich geprägter Aspekte unveröffentlichte in der 2. Hälfte 1974 aufgenommene Album, das selbst auf Bootleg nie erschien. Jetzt rang sich Neil Young dazu durch es zu veröffentlichen (und redet selbst von „bridge between Harvest and Comes A Time"). 5 der 12 Stücke nahm er später neu auf, sie erschienen auf American Stars´n Bars (2 gleich), Hawks & Doves, Ragged Glory, Decade (das sind der Titeltrack, Star Of Bethlehem, Little Wing, Love Is A Rose, White Line). In Richtung Harvest geht denn auch der ein oder andere Track. Mehrfach schleppend-balladesker schlank instrumentierter resp. lyrisch-feinsinniger Country/Folk Rock, 3 spartanische bzw. ganz leise zarte bis melancholische sehr schöne Folk-Balladen und 1 ganz massiv an Harvest gemahnender feinfühlig-sehnsüchtiger Songwriter-Folk-Song auf der einen Seite, 4 rein elektrische Sachen auf der anderen: Rauh und relativ unbehauen sowie bewußt einfach/Trad-grundiert, fast kinderliedartig; an frühere Neil-Rocker erinnernd (leicht bluesig, melodisch sehr reizvoll); ein ganz schwerer Blues-Rock, ein seltsames Experiment, das Spoken Word-Text und (gemäßigtes) Feedback verbindet. Es wirken u.a. mit: Robbie Robertson und Levon Helm, Tim Drummond, Ben Keith, Emmylou. Okay, ein sicherlich wirklich gutes Album, es bekam auch bereits etliche Top-Besprechungen, trotzdem… angesichts meiner Erwartungen bin ich nicht ganz zufrieden…

 

 

 

Lianne La Havas – Same
Lianne la Havas [Vinyl LP]

LP oder CD

Die Singer-Songwriterin aus London veröffentlicht Ihr neuem Album. 2014/2015 lud ihr Fan Prince persönlich sie zu 2 seiner Alben als Gast-Sängerin ein. Gleich im Opener weiß ihr stimmgewaltiger Soul-Gesang mächtig zu beeindrucken, begleitet von Jazz-Spurenelementen und eher einfachem doch wirkungsvollem Groove in relativ reduziertem Setting (Hauptrolle: Piano, sparsam und gezielt). Entfernt (!) kann man hier (und in 2 anderen Stücken) eine kleine Sade -Verwandtschaft heraushören (nur singt sie deutlich kräftiger). In der Folge agiert sie etwas zurückhaltender (ohne auf Grooves zu verzichten), Keyboards und/oder Gitarre kommen hinzu, Folk-Anleihen tauchen auf, mal setzt sie fast ausschließlich auf federleichtes akust.-elektr. etwas fusion-jazziges Gitarrenspiel (sie selbst) und erinnert ein bischen an Spät-70er/Früh-80er Joni Mitchell in reduziert, oder es untermalen deutlich bodenständigere Beats (während sie sanft aber phrasierungsreich singt), kurz wird´s fast sphärisch, ab und zu kommt ein gewisser Latin/ Brasil-Bezug hinzu (dezent funky, leichtfüßig fließend und feine mehrstimmige Vokal-Arrangements – die auch sonst oft zu begeistern wissen – oder mehr R´n´B-Input), oder Neo-Soul-Flair der späten 90er (Erikah Badu nicht ganz unähnlich), in einem Radiohead-Cover, obwohl instrumental kräftiger/rockend-groovend, klingt die Stimme erst gegen Ende extrovertierter, sie baut gar mal ausnehmend attraktive vorsichtige harmonische Experimente ein. Und gegen Schluß erfreut ein schlicht wunderschöner folky gefärbter Track.

 

 

 

Jarv Is… – Beyond The Pale
Beyond the Pale [Vinyl LP]

LP oder CD

Und noch ein Comeback. 19 Jahre nach der letzten Pulp- LP und 11 nach dem letzten Solo-Album ist Jarvis Cocker (mit seiner neuen Band) wieder da als Jarv-is…. Nur 7 Songs, aber die sind alle etwas länger. Zeitgenössischer Pop in gut. Ideen, Reize, z.T. sogar eine beträchtliche Originalität. Manchmal ziemlich catchy. Gern in markanter Rhythmik, ob stoisch, ein fast hypnotischer Zug und Drive, ein eher 90s-lastiger oder heutiger (Indie-) Groove… Punktuell klasse Synth-Sounds oder generell stärker elektronisch orientiert. Kurzzeitig Erinnerungen an Bowie oder wie eine moderne Fortsetzung (nicht Kopie) von frühem (Electro-) Wave (-Pop) in dunkel bis bedrohlich (super Atmosphäre, super Stück!), hier eine Spur Can, dort gewisse Parallelen zu großformatigem Leonard Cohen der 90er, mal dicke Keyboard-Wälle, kleine Chöre, mal relativ abgespeckt, nur ein ziemlich ruhiger Track mit Balladen-Tendenz will mir nicht recht gefallen. Insgesamt ein erfreuliches Werk mit ein paar echten Highlights. Produziert vom Portishead-Chef Geoff Barrow.

 

 

 

Pretenders – Hate For Sale
Hate for Sale

LP oder CD

Neues Material aus 2020! 10 Songs, alle unter 4 Minuten, kurz und knackig ohne alles überflüssige Beiwerk (was auch für die 2 Balladen gilt, old-fashioned, eine davon exquisit). Manches geht auf frühe (melodiösere) Punk-Zeiten zurück, bzw. scharfen/kantigen Brit-R´n´B der 60s (Annäherungen an z.B. Kinks, Who) oder auch ein bischen Dr. Feelgood-Flair (samt erforderlicher hoher Energiedichte – und Frische!). Härtere 70er-Glam Rock-Zeiten werden gestreift (rockig-groovend), Reggae/Dub-Input verarbeitet wie um 1980 rum im Wave-Umfeld (voll gelungen, super Gitarren, ganz simpel und effektiv), hier ein Bo Diddley-Beat, dort wunderbar melodiöser 1st class-Gitarren-Pop wie in ihrer Mitt-80er Phase. Und ihre Stimme hat nichts eingebüßt! Ihr bestes Album seit langem, hätte ich mir nicht so stark vorgestellt.

 

 

 

Bruce Hornsby – Non-secure Connection
Non-Secure Connection

LP oder CD

Neues aus 2020, musikalisch in mancher Hinsicht ein direkter Nachfolger des erstklassigen Vorgängers, also deutlich anders/avancierter als früher (er scheint sich in einer Top-Phase zu befinden) so gut wie selten. Und von enormer Vielfalt, einige Überraschungen inklusive. Gäste sind u.a. James Mercer (Shins-Chef), Leon Russell, Vernon Reid, Jamila Woods, Rob Moose (Sufjan Stevens, The National, Arcade Fire, Antony & The Johnsons u.v.a.). Z.T. produzierten Justin Vernon, Brad Cook. Das Piano dominiert viele Stücke, manchmal abgelöst resp. in Gemeinschaft mit Streichern, mehrfach kein oder kaum Schlagwerk. Das Spektrum reicht von völlig klassisch-zeitlosen Songwriter-Piano-Balladen (mal ein bischen a la Randy Newman, mal von wiederkehrendem wunderbarem Streicher-Motiv aufgewertet) so edlem wie eigenständigem Songwriter-Pop mit z.B. blendenden Gesangsarrangements samt bestechendem Klangnetz und einer brillanten Piano-Melodie (atmosphärisch packend, suggestiv fließend, ein Hammerstück!) oder (trotz ähnlich toller mehrstimmiger Vokal-Performance) recht reduziert in großer Ruhe und Langsamkeit (dennoch harmonisch reich). Ziemlich faszinierenden Avantgarde-nahen doch melodischen Tracks (1x ruhig und eine Spur jazzig sowie gesanglich mächtig variabel, 1x lebhafter, noch abenteuerlicher inkl. kleiner Neo-Klassik-Prise trifft „normalen“ Edel-Pop); 2 relativ zeitgemäßen Groove-lastigen (massiv mit rockigen Sidesteps oder unaufdringlich) Sachen; einem außergewöhnlichen freigeistig-kontrastreichen Song, etwas unheimlich/bedrohlich und nicht nur harmonisch erfrischend unorthodox (erinnert mich leicht an sehr weit getriebene mehrschichtige Prog/Art Rock-Titel aus den 70ern, in sehr eigen freilich); bis zu einer dezenten Verwandtschaft zu Synchronicity von Police.

 

 

 

Rustin Man - Clockdust
Man With A Remedy

LP oder CD

Neues aus 2020. Nach dem Klassiker 2002 mit Beth Gibbons ( Portishead) vergingen 17 Jahre bis zu einer neuen LP, 1 Jahr später schon gibt´s den Nachfolger (von den gleichen Sessions, kein Abfall, nach eigenen Worten Songs mit strafferen Strukturen). Ich denke, wieder mit ex-Talk Talk-Kollege Lee Harris und James Yorkston. Eine Beschreibung fällt auch dieses Mal schwer, er klingt einfach völlig individuell/originell, ab und zu ein möglicher Vergleich (doch nur in Teilaspekten, mal stimmlich, woanders die Instrumentierung und/oder die Atmosphäre, die Melodik gar…): Robert Wyatt (z.B. Rock Bottom minus Jazz/Ruth Is Stranger). Kurz vielleicht ein bischen Bowie, Carla Bley (wenn sie fast ohne Jazzanteil arbeitet) oder leise späte Talk Talk, sehr sporadisch alles. Sehr sanfter bis entrückter oder zart-zerbrechlicher später vollmundiger Edel-left field-Songwriter-Pop? Zwischen Minimalismus und wunderbar breitgefächertem Arrangement changierender Art Pop? Post Prog meets 70s-Folk? In aller Ruhe federndes fast swingendes Jazz Flair trifft punktuell auf dezente Psychedelia! Fremdartige aber runde „Kammer-Folk-Ethno-Avantgarde“ (völlig singulär doch von seltsamer berückender Schönheit). Ein Amalgam aus old-timey-Pop/Music Hall und undefinierbarem Folk oder: Tiger Lillies plus Kurt Weill plus Tom Waits plus Arto Lindsay?? Ein faszinierendes angedreht-luftiges Abenteuer mit Dub-Elementen und Afro-Spuren in komischem Kontext und massiv kontrastierender Avant-Pop kommen hinzu. Hier ein wenig Melancholie, teils voll Wärme, hohe Arrangeurskunst… (Tasten aller Art, Saiten, Bläser, Streicher, diverse bunte Schlaginstrumente, und manchmal ausgiebige reizvolle Backing Vocals). Ein sehr besonderes Album, es gibt viel zu entdecken!

 

 

 

Tamikrest – Tamotait
Tamotait [Vinyl LP]

LP oder CD

 

2020er. Okay, alle, die das hier lesen und sich nur halbwegs für Tuareg-Musik interessieren, kennen die Band und wissen in etwa, was sie erwartet. Also beschränke ich mich diesmal auf die spezifischen Besonderheiten/ Veränderungen dieses erneut tollen Albums. Neben dem Gesang (der im übrigen nur ab und zu von Call/Response-Vocals oder Chören unterstützt wird, keinerlei „Tirilieren“ mehr inzwischen) dominieren wie gewohnt die E-Gitarren (akustische sind bestenfalls unterstützendes Beiwerk, abgesehen von ein paar kurzen Momenten und dem letzten Stück) – und die sind oft melodiöser denn je gehalten, mehrfach auch weit abseits typischer Tuareg-Harmonik (zudem weicht die Rhythmik ein paar Mal deutlich von traditionellen Strukturen ab!). Entsprechend gibt es zwar nicht so viele einzelne/punktuelle unterschiedliche stilistische Sidesteps wie zuletzt, aber es klingt alles in allem im Sound/dem ganzen Klangbild etwas „westlicher“ (doch keineswegs verwässert), Drums und Percussion agieren großteils gemeinsam, Keyboards werden manchmal, sparsam und rein unterstützend, eingesetzt. Auf der einen Seite stehen 2 rund und fett rockende Tracks (inkl. sehr Rock-nahe gespielter Gitarren), groovend der eine, total und sehr schnell abziehend der andere, packend und voller Power (in der Tat hab ich sie nach meiner Erinnerung so konsequent rockig noch nie gehört). Auf der anderen Seite gibt´s gleich erstaunliche 5 ruhige Songs, vornehmlich balladesk, irgendwo zwischen sowas wie, hmm, „Tuareg Dream Pop“, einer sanften phasenweise regelrecht meditativen zugleich hypnotischen Ausstrahlung (die in einem Fall allerdings ganz langsam aber stetig verdichtet und somit verändert wird, im anderen geschieht dies plötzlich) sowie einem schon ziemlich verträumten Flair; mal ein bischen Folk-Feeling. Gerade in diesen Stücken kommt natürlich die Melodiösität der Gitarren besonders zur Geltung, eines besticht außerdem durch ein wundervolles Duett mit der marokkanischen Sängerin Hindi Zhara. Nur 2 Tracks wirken „klassisch“ wie zu ihren Anfängen, traditionell orientiert, einer kraftvoll inklusive einem kurzen bluesigen Slide-Feature, einer eher zurückhaltend mit fein singender Gitarre (ein bestechendes etwas längeres Solo). Die Texte beziehen sich oft auf das Los der Tuaregs, deren Sehnsucht nach Heimat, Vereinigung, nicht ohne politische Konnotation, einige auf Frieden, Verurteilung von Hass (allgemein wie im selben Kontext, 2 Love-Songs kommen hinzu. All in all: Absolut klasse, eine große Empfehlung, auch und gerade, weil insgesamt wieder etwas „anders“.


 

 

 

Roxy Music – Roxy Music (Deluxe Edition)
Roxy Music (2 CD Deluxe)

nur als Doppel-CD

Ja, klar, ist schon 2018 erschienen, und bei vielen Reissues dieser Art sind die Bonustracks nicht gerade essentiell. Das ist hier jedoch anders, es ergibt sich ein echter, sehr sehr lohnender Mehrwert! CD 1 ist die von Bob Ludwig remasterte ´99er Version (inkl. dem ergänzten Virginia Plain). Die 75-minütige CD 2 enthält 9 Tracks von 3 Peel-Sessions vom 4.1. bis 18.7.1972, hinzu kommen 5 BBC live in Concert-Stücke vom 3.8. (28 Min.). Bis auf das kurze Bitters End sind alle Songs der Original-LP dabei, die Hälfte in gleich 2 Fassungen, nur je 1 der je 2 Sea Breezes-, Remake/Remodel und Virginia Plain-Versionen sowie Ladytron sind signifikant verlängert (sonst ungefähr gleich oder sogar eine Spur kürzer), aber die Unterschiede zu den Studioaufnahmen und auch untereinander (in den wenigen Monaten tat sich eine Menge!) sind beträchtlich. Gerade auch bei den 5 Stücken der 1. Session (3 Monate vor der LP aufgenommen!), hier spielt zudem ex-Nice David O´List die Gitarre (Manzanera kam kurz danach), was sich deutlich auswirkt: Er klingt insgesamt auffälliger und (wie die ganze Musik) wesentlich rockiger, „expliziter“. Bei The Bob und Remake/Remodel (auch bei den späteren Sessions) wirkt Enos Synthie weit abenteuerlicher, exzessiver und verändert z.T. die ganze Atmosphäre, Letzteres verzichtet auf das Sax-Solo – live, 8 Monate später, erhält es jedoch (wie der dort extreme Synthie) weit mehr (Solo-) Spielraum, agiert freier, das ganze Stück atmet einen ausgesprochen „wilden“ Geist. Anderswo veränderten sie moderat oder stark die Arrangements/Instrumentierungen, sogar Rhythmen (z.B. The Bob, massiv verdichtet, Ladytron samt langem abgedrehtem Instrumental-Teil, oder auch deutlich diffiziler/luftiger/zugleich vielfältiger – Chance Meeting), bauten z.B. wunderbare Konversationen von Sax und Gitarre ein (2HB), erhöhten den Anteil der Oboe, beschleunigten leicht (die verlängerte Virginia Plain-Fassung mit fast noisiger/Feedback-Gitarre), die Vocal-Performance wurde effektvoll verändert (z.B. das Vibrato bei Sea Breezes, überhaupt singt Ferry mehrfach weniger „manieriert“)… Die Verpackung (als kleines 28-seitiges Hardcover-Buch mit eingeheftetem informations/textreichem Booklet auf extradickem Papier) kommt wertig. Ausgesprochen gelungen!

 

 

 

Bohren & Der Club Of Gore – Patchouli Blue
Patchouli Blue (2lp) [Vinyl LP]

LP oder CD

Eine weitere hoch willkommene Stunde (Ultra-) Slow Motion-Nachtmusik (immerhin 11 Stücke, nur 3 deutlich über 5 Min.), 5 Jahre nach der letzten LP (Piano Nights). Wobei… Tempo und Dichte der Tonfolgen haben hier des Öfteren angezogen, nur manchmal klingen sie schwebend/schwerelos oder kommen (1x, freilich verbunden mit punktuell dramatischer Schwere) beinahe zum Stillstand. Überhaupt passiert diesmal alles in allem mehr, mehr Klangfarben (neben den gewohnten E-Piano, Vibrafon, Keyboards, teilweise Bass und nach wie vor aufs Äußerste reduzierten Drums kommen ab und zu Synthie, Orgel, 2x gar Gitarre hinzu, und das Sax ist überall dabei, spielt auch mehr, inkl. einer Reihe richtiger Soli), insgesamt vielleicht etwas mehr Melodie resp., sporadisch, „Song-Charakter“, 1 Track setzt sogar auf Veränderung innerhalb des Stückes, v.a. in der Atmosphäre (von dunkel zu irgendwie freundlich/heller, ansatzweise auch woanders zu hören). Jedenfalls wirken sie auf Dauer nicht mehr so karg wie früher. Gleichfalls auffällig, finde ich: Ein deutlich verstärktes Jazz-Feeling, in der Art des Sax-, manchmal zudem des Orgel- oder Piano-Spiels, aber auch allgemein. Das reicht bis hin zu einem richtigen melancholischen Jazz-Track (mit klar schnelleren Tonfolgen als üblich). Einige dräuende bis leicht unheilvolle Phasen fehlen trotzdem nicht. Geblieben ist der hohe Faszinationsfaktor, die Einzigartigkeit. Klasse Werk.

 

 

 

V.A. – Come On Up To The House – Women Sing Waits
Come on Up to the House-Women Sing Waits [Vinyl LP]

LP oder CD

Tom Waits-Tribute, ausschließlich von Frauen interpretiert (oberste Güteklasse), alles neu eingespielte Songs, Warren Zanes produzierte das Gesamtwerk, Brad Jones viele einzelne Stücke. So viele wunderbare Stimmen… Ganz tief berührend über weite Strecken. Zufall oder nicht, ein reines Balladen-Album. Manchmal leicht süffig bis ein wenig Schwelgen, ziemlich oft aber ganz oder teilweise minimalistisch/reduziert/sparsam begleitet (was bestens mit den starken Gefühlen der Sängerinnen korreliert), zur Hälfte unter Verzicht auf Drums, das Piano und z.T. Streicher in tragender Rolle oder (v.a. elektrische, aber nur sehr sachte ohne alle Effekte verstärkte resp. verwehte/klangmalende) Gitarren, inkl. Pedal Steel ab und an. Hier eine kleine Portion Wehmut, dort punktuelles behutsames Drama, mal sehr nachdenklich oder in aller Ruhe und Gelassenheit, mehrfach ganz zart und geradezu verzaubernd. Recht häufig irgendwo im weiten Feld des reifen Edel-Pop angesiedelt, mit dezentem Rootseinfluß, ein paar Mal deutlicher in Americana-Gefilden beheimatet, 2 Tracks wirken ausgesprochen old-fashioned, nur ein klein wenig jazzig eingefärbt, die meisten jedoch einfach klassisch zeitlos. Erstaunlich finde ich die Songauswahl, 2 stammen aus den 70ern, ein neuerer ist dabei, je 2 von Heartattack & Vine und Rain Dogs, gleich 5 von Mule Variation! Persönliche Favoriten unter ausschließlich exzellenten Interpretationen: Phoebe Bridgers, Iris Dement, Rosanne Cash, Patty Griffin, Joseph (ein Trio aus Portland), Angie McMahaon, Corinne Bailey Rae, Shelby Lynne & Alison Moorer. Also drei Viertel! Hinzu kommen Aimee Mann, Kat Edmonson, Wild Reeds. Ausnehmend empfehlenswert!

 

 

 

Tim Buckley – Live At The Electric Theatre Co. Chicago 1968
Live At The Electric Theater Co. Chicago, 1968

LP oder CD

Unveröffentlichtes 87-minütiges Konzert im Mai ´68 während der Entstehungsphase der 3. LP (Happy Sad). Die Aufnahmen (Sound okay, wenn auch nicht absolut 100%ig) zeigen wieder, welch freier Geist er war, der die Setlists ständig variierte (auch massiv), einzelne Songs wie die ganze Musik permanenter Veränderung aussetzte, mit Songstruktur und Stilen experimentierte, auf keinerlei Konventionen achtete (auch wenn hier, anders als bei vielen seiner Live-Alben der Zeit, 8 der 14 Tracks kürzer ausfielen, ohne auf 7/8-Minüter zu verzichten, Wayfaring Stranger bringt es gar auf 16! Improvisationen, ob Stimme oder Begleitung, gibt´s freilich auch in den knapperen Songs). Auch die Instrumentierung war ja unvorhersehbar, hier, abgesehen von ein paar Solostücken, genügen Bass und Congas bzw. Tambourine neben seiner Akustischen. Nur wenige der Songs erschienen auf seinen regulären Studio-LPs (2 auf Happy Sad, 2 viel später auf Sefronia, darunter sein Live-Klassiker Dolphins), einige andere auf Works In Progress und (meist dieselben) dem Live-Set Dream Letter (nur ganz punktuell auch auf anderen Live-LPs), mehrere waren für Happy Sad im Gespräch, wurden aber verworfen. Gleich 5 tauchen tatsächlich nirgendwo sonst auf (Roll On Rosie, Looks Like Rain, beide von Fred Neil; das eigene Look Out Blues, Johnny Cashs Big River, das Trad-Medley Green Rocky Road/Hush Little Baby)! Diverse Stücke sind stark rhythmisch betont ausgerichtet, offensiv, extrovertiert, teils mit Druck und Zug, mal zwischendurch sich beruhigend, mal in gleichmäßigem Fluß, andere klingen ziemlich relaxt bis gar fast hypnotisch, aber es gibt auch komplett in sich ruhende bis beinahe meditative einfach wunderschöne Tracks, licht und losgelöst ohne Vokalakrobatik, sowie ausgesprochen expressive Balladen (gerade dort wirkt der sowieso grandiose Gesang besonders virtuos, unglaublich ausdrucksstark, 2x herrlich gedehnt). Für mich unverzichtbar, wieder einmal.

 

 

 

John Coltrane - Blue World
Blue World

LP oder CD

Tatsächlich in 2019 noch ein Album mit unveröffentlichten Studioaufnahmen! Im Juni 1964 (1/2 Jahr vor A Love Supreme) mit seinem klassischen Quartet eingespielt (für einen eher überflüssigen Film), von Rudy Van Gelder aufgenommen/gemixt, remastered von den Originaltapes. Ungewöhnlich für Coltrane: Er nahm dafür alte Stücke aus seinem Repertoire neu auf, die erstmals auf Alben von 1957 bis 1962 erschienen (auf Giant Steps, Traneing In, Coltrane Jazz und Coltrane), freilich bis auf das Titelstück (das eigentlich Out Of This World heißt) in anderen Besetzungen. Großteils in (teils wesentlich) kürzeren Fassungen, es klingt konzentriert, (zumal im Vergleich mit den Originalen) ungeheuer souverän, und meist auch und v.a. irgendwie spiritueller, quasi im Vorgriff auf das, was danach kommen sollte… Und tatsächlich deutlich bis ganz klar (noch) besser! Mit Ausnahme von Blue World, das ich auf ähnlichem Level sehe (aber erheblich anders gespielt!). In diversen Stücken soliert Trane wenig, variiert v.a. das Thema (das aber oft wunderbar), einige erweitern das harmonische Grundgerüst, andere erscheinen in mehrfacher Hinsicht weiterentwickelt. Dabei sind: Das herrliche Naima (2 Versionen; sachte feinfühlige diffizile verzaubernde Schönheit!). Besagtes Titelstück (Classic Trane der Zeit inkl. sehr schneller auch ausbrechender Tonkaskaden, ein aufbrausender Schluß mit leicht freier Tendenz). Like Sonny (agiler, kraftvoller als bekannt, die Latin-Essenz verstärkt). Village Blues (3 Versionen, Blues-basiert, lebendiger, das Original wirkt statischer). Traneing In (wohl das „konventionellste“ Stück hier, trotz avanciertem Spiel gegen Schluß). Fazit: Nicht so essentiell wie Both Directions At Once letztes Jahr, aber erstklassig, und lohnend auf alle Fälle!

 

 

 

Habib Koite – Kharifa
Kharifa

LP oder CD

Eines der seltenen Alben von einem der westafrikanischen Top-Musiker. Nicht weit weg vom ´14er Vorgänger. Schon das Konzept: Traditionen fortführende behutsam modernisierte Musik, typischer weitgehend akustischer Mali-Sound dieses Jahrhunderts mit melodisch ausgesprochen reizvollem Inhalt, seinem exquisiten ausdrucksvollen Gesang (und ebenfalls so charakteristischen wie attraktiven v.a. weiblichen Backing/Harmony Vocals, dazu, wohl 2x, die Sängerin Amy Sacko von Bassekou Kouyates Ngoni Ba als Gast, ziemlich großartig) und gewohnt toller Instrumentierung, auch bei (überwiegend) höheren bis höchsten) Tempi (selbst die Balladen kommen nicht ganz langsam) zumeist ziemlich feinziseliert/filigran, v.a. das wunderbare teils unaufdringlich virtuose Saitengeflecht aus Gitarre(n) (er selbst, sehr delikat!), plus hier und da/im Wechsel Ngoni, Kora (der Meister himself, Toumani Diabate als weiterer Gast), Banjo. Wirkungsvoll zudem die ergänzenden schönen Klangfarben von Flöte (2x, z.T. beinahe betörend), Akkordeon/ganz dezenten Keyboards, Pedal Steel (?!, ähnlich wie damals bei King Sunny Ade), Bläsern, Balafon. Vieles, nicht nur die Balladen, verfügt über eine herrliche verzückende poetische Note, anderes ist ausnehmend agil/lebhaft/ereignisreich gehalten oder bodenständig-kraftvoll. 3,4 Mal klingt es etwas „zeitgenössischer“ mit (begrenzt) stärkerem westlichem Einfluß, inkl. einer Prise Reggae resp. Groovebetonung (statt sonst oft bestechend leichtfüßigem Fluß), gar kurzzeitig Autotune-Einsatz, 2x ergänzen Drums die vorherrschende vielfältige Percussion. Eine dicke Empfehlung!

 

 

 

Dead South – Sugar & Joy
Sugar & Joy [Explicit]

LP oder CD

2019er, 3. LP der Kanadier (die ja auch schon mal beim OBS begeisterten). Wie gehabt: Bluegrass steht im Zentrum, aber alles andere als puristischer. Was schon bei der Besetzung beginnt: Neben der gewohnten Saiten-Phalanx aus Gitarre, Banjo und Mandoline wirkt ein Cello statt Fiddle, zwar oft nur punktuell, anderswo als Bass gespielt, dennoch hat das einen außerordentlichen Reiz. Die Musik besitzt teilweise einen extremen Zug und Drive, was ihr sporadisch gar ein irgendwie ein kleines bischen rockiges Flair verleiht (das Tempo ist eh zu zwei Dritteln hoch angesiedelt), manchmal zudem einen gewissen Southern Gothic-Touch (toll!), es gibt old-timey-Folk- bzw. Mountain Folk/Appalachen-Einfluß, für diese Musik völlig unorthodoxe Breaks samt weit differenzierterem Spiel als üblich (1x fast in Richtung Songwriter-Country, 1x ein Hauch Johnny Cash), diverse repetitive Motive, mal eine total faszinierende dunkle bis dramatische sinistre Atmosphäre (ganz großartig!). Das Ergebnis: „Alt. Bluegrass“? Die Indie-Version von Bluegrass? Die Pogues des Bluegrass? Egal, ich liebe dieses Zeug. Zumal v.a. dank enorm ansteckender catchy Melodien einige hinreißende Highlights aus dem eh beständig hohen Niveau noch einmal herausragen. Richtige Hits! Klasse Harmony Vocals außerdem, durchweg (mal massiv, mal dezent). Dicke Empfehlung!

 

 

 

Neil Young & Crazy Horse – Colorado
Colorado

2LP+7'' oder CD

2019er.Nach 7 Jahren Neues mit Crazy Horse (mit Nils Lofgren statt Sampedro). Erstaunlich vielfältig insgesamt. Alle singen mit, entsprechend viele Backing- und Harmony Vocals, kleine Chöre. Relaxter akustischer Folk Rock, der auch ein Outtake von After The Gold Rush sein könnte. Eine klassische Neil-Rock-Ballade, überraschend weich gesungen in (wie des Öfteren phasenweise) z.T. hohen Lagen. Beträchtliche Härte mit abmildernden Refrains (ein Effekt, der auch anderswo zu hören ist) in wahlweise sehr langsam und heavy sowie dezent schroff oder als wütender teils ziemlich roher Rocker. Eine ganz zurückhaltende verzögerte Ballade, weich und zärtlich, mit wunderschönen gedämpften Gitarren-Features. Eine melodische slow motion-Hymne mit politischer Aussage. Ein ganz intimes leises Stück, umso intensiver und suggestiv, trotzdem unter gewisser Spannung (erste Sahne, toll!). Eine becircende Ballade, sanft und zart wie in alten Zeiten, mit anheimelnden Backing Vocals, ein von aparten Vibrafon-Tupfern ergänztes Piano führt – wie auch in einem weiteren ruhigen Stück, das wie aus den 70ern klingt, diesmal in einem dezenten freundlichen Groove verpackt. Und schließlich der archetypische Crazy Horse-Kracher, 13 epische Minuten lang, schwer und leicht verschleppt, etwas elegisch, herrliche cremig-verzerrte Gitarren-Trips (doch immer wieder von Vokalparts/v.a. Refrains durchsetzt), zur Hälfte hin vorübergehend härter/schärfer werdend (auch die Gitarren), um dann die Dichte zu reduzieren. Vinyl kommt 3-seitig plus eine Bonus-7“ (die erwähnte Hymne in live solo + ein non-LP-Band-Track). All in all: Eins seiner besten Alben dieses Jahrhunderts! Auch wenn nicht jeder Song zündet. Dicke Empfehlung!

 

 

 

Matana Roberts – Coin Coin Chapter Four: Memphis
COIN COIN Chapter Four: Memphis

LP oder CD

Sie bleibt sich in ihrer großangelegten Serie (Chapter 1 gehört für mich immer noch zu den Top 3 dieses Jahrhunderts) treu: Jedes Mal klingt´s anders. Hier mit 1-3 Bläsern (neben Alt Sax + Klarinette auch Posaune), E-Gitarre, teils Geige, manchmal Vibrafon, ihr ausgezeichneter Gesang wird ergänzt von auffällig reizvoll intonierten spoken- words, mal auch etwas lautmalerisch oder mehrstimmige (toll!). Neben Originalen verwendet sie uralte Folk-, Country- und Blues-Songs - freilich oft radikal aufgebrochen bzw. auf die melodische Essenz reduziert, fast alle Stücke gegen ineinander über. Das Spektrum ist enorm: Recht viel atmosphärisch wie „klassisch“ freier Jazz resp. Avantgarde, eine Art sturer „Stakkato-Jazz“, freigeistige getragene fast feierlich-spirituelle (und wundervolle!) Phasen/Tracks, luftige wie hoch intensive/dichte/brennende, darin inbegriffen punktuelle Folk-Versatzstücke (die mich mehrfach kurz an Albert Ayler erinnern), mal ein freihändiger Groove oder ein superber rollender Rhythmus mit repetitiven Melodien (in innovativer Weise!), kurzzeitig erhabener hochmelodischer Jazz oder etwas meditativ, eine Art außerweltlicher Folk Jazz in getragen und verzaubernd schön (und melodisch klasse, stärkerer Songcharakter), gar ein (wahrhaft beglückendes) rein vokales Stück (mit 4 weiteren Stimmen, feinst arrangiert/verwoben, inkl. Lead-, Kanon- und Chor- sowie Folk/Shanty- und Gospel-Elemente, recht traditionell und lang). Ergibt ein Werk, daß zwar insgesamt nicht ganz die Klasse von Vol. 1 erreicht (aber für mich klar Vol. 2 und 3 schlägt), in mindestens 5 oder 6 der 13 Songs aber schon! Die Musiker kommen nicht nur aus der reinen Jazz-Szene, spielten u.a. auch für Thurston Moore, Godspeed You Black Emperor, Cass McCombs (z.B. Sam Shalabi, Hannah Marcus, Steve Swell sind dabei). Unbedingte Empfehlung!

 

 

 

Aziza Brahim – Sahari
Sahari

LP oder CD

2019er. Die Exil-Sahraui (eine mauretanische Ethnie, in der Musik seit jeher eine große Bedeutung genießt) verbindet Nord- und (mehr) West-Afrika in ihrer ganz eigenen Singer-Songwriter-Sprache, ihre wunderbar phrasierende Stimme, z.T. dezent arabisch getönt, klar und höchst souverän, begeistert ein weiteres Mal! Dabei besitzt sie musikalisch für diese Musik eine ungewöhnlich große Spannbreite: Mal verwendet sie sehr deutlich westlich beeinflußte/aktualisierte Traditionen (wobei sie sporadisch selbst vor freilich dezenten und ganz „natürlich“ wirkenden unaufdringlichen Electro-Beats, kombiniert mit der gewohnten Percussion, nicht zurückschreckt), besonders weit geht sie in 2 Stücken, die Roots-Reggae-Elemente entweder nahtlos einfließen lassen (in elegant-geschwindem Fluß/Groove) oder gar pur zelebrieren (relaxt, im weiblichen Duett). Anderswo klingt es ziemlich kraftvoll, ja schon etwas rockig, samt kleiner Tuareg-Anleihen (nicht vordergründig). Letztere tauchen (in geringem Umfang) ein weiteres Mal auf, im Verein mit einer eingängigen/melodisch packenden besonderen Sorte Afro (Groove) Pop. Auf der anderen Seite: Ein urtraditionell wirkendes Stück, weich, einnehmend, poetisch, der Gesang nur von Percussion begleitet. Hinzu kommen diverse Balladen, eine schöner als die andere: Als so etwas wie nordafrikanischer Songwriter-Folk (poetisch, ein Hauch Blues), ganz sachte, lyrisch und folkig, federleicht in schnellerem Tempo (bestechend!), oder sanft und einfach herrlich, atmosphärisch verzaubernd. Neben dem Schlagwerk bevorzugte Begleitung: Akustische und (noch mehr!) elektrische Gitarren, die weich-gleißend, ungeheuer zart, Wah-Wah-verziert, filigran, hinreißend feinfühlig oder quecksilbrig ausfallen. Backing (Harmony) Vocals begleiten effektvoll. Ein ganz exzellentes Werk! Vinyl im Klappcover.

 

 

 

Swans – Leaving Meaning
Leaving Meaning.

LP oder CD

Nach der Auflösung der alten Besetzung nun das neue Album mit diversen ex-Swans, Leuten, die u.a. mit Alex Chilton, Silver Apples Iggy/Stooges, Nick Cave, Beirut spielten, und Gästen wie Anna und Maria von Hausswolff, The Necks, Ben Frost, Baby Dee. Michael Gira kann offensichtlich nicht anders – es ist das 4. Meisterwerk in Folge. Stilistische Zuordnungen sind schwer/versagen. Okay, da gibt´s Elemente/vermutliche/wesentliche und marginale Einflüsse aus/von z.B. „Düster-Fake-Folk“ bzw. „Gothic Underground-Post-Folk“, Post Punk aus einer anderen Welt, Can (mehrfach, auch mal massiv), Nick Cave, Future Pop und Post Rock in sehr eigen/originär, einer Art Dream Pop, selbst Doors-Anklänge, ganz kurz irgendwie sogar Magma, dazu (Indie/Gothic)einfach ruhige hochatmosphärisch bis schwebende Balladen, aber es klingt trotz dieser gelegentlich auch deutlichen Assoziationen wie nichts anderes. Was zählt, ist das WIE. Die komplett eigenständige Musik- und Klangsprache. Die unglaublich fesselnden Stimmungen, total faszinierenden Atmosphären, immer wieder anders und dennoch absolut in sich schlüssig, die in den weitaus meisten Stücken (viele davon um die 11, 12 Minuten, Gesamtlänge 93 Minuten) eine grandiose Sogwirkung erzeugen, geradezu hypnotisieren, auch mit Hilfe einer Menge repetitiver Muster. Gerade das macht diese Musik so einzigartig und überwältigend. Dabei arbeitet Gira hier und da mit mehreren überlagernden Vokalspuren (teils von den Gastmusikern) bzw. kleinen Chören, einzelne Instrumente sind kaum greifbar, verschwimmen, fließen zusammen (Saiten inkl. Lap Steel und akustischer, Tasten inkl. Mellotron und viel Piano, Streicher, manchmal Bläser, ergänzend Vibrafon, Santur, Akkordeon, Dulcimer), agieren musikdienlich im Extrem, teils auf „unscheinbare“ Weise fantastisch arrangiert. Manches klingt erhaben, dramatisch, radikal stoisch, verwunschen bis dunkel-mysteriös, Weniges eher dräuend, orchestral, beinahe meditativ, alarmistisch, relaxt, verquer-sakral, einige Tracks steigern langsam aber stetig über lange Strecken die Dichte und Intensität (schon mal beinahe schmerzhaft), es gibt schwere marschierende Parts, untergründige Spannung, ausgedehnte ziemlich leise und/oder teilakustische Phasen, und wesentlich weniger Wucht als früher. Das Ergebnis ist immer phänomenal. CD/Vinyl in Spanplatten-Hüllen/Digipack, Vinyl minus 1 Track.

 

 

 

Angelique Kidjo – Celia
Celia

LP oder CD

Nach der grandiosen „Remain In Light“-Bearbeitung nun eine ganz vorzügliche Neu-Interpretation von Songs der legendären Salsa/Latin-Sängerin Celia Cruz. Melodisch z.T. verändert, rhythmisch sowieso. Gesanglich klasse, natürlich, Hochkaräter wie Gangbe Brass Band, Tony Allen, Meshell Ndegeocello, Sons Of Kemet begleiten superb. Zunächst dominiert noch Latin feinster Sorte, wenn auch weit vielfältiger als im Original, mit Infusionen von Jazz (bzw. gleich Latin Jazz), mal etwas Brasilien, Äthiopien, Highlife , später wird der Afro- bzw. afrokubanische Einfluß immer stärkerund bestimmender (bis hin zu Afrobeat-Elementen). Wunderbare Arrangements (ob gesanglich inkl. Call/Response-Vocals/Chören oder instrumental mit reichlich Gebläse, ab und zu Marimba oder Streichern, Piano/Orgel und E-Gitarre sind nicht omnipräsent)! Dicht, süffig oder hoch energetisch, lustvoll und/oder rhythmisch absolut zwingend, aber auch feinfühlig, edel und gehaltvoll, poetisch und hypnotisch zugleich, massiv reduziert – und ein meditativ-hymnischer spiritueller grandioser geradezu ergreifender Afro-Jazz-Hybrid! Durch und durch packende Musik höchster Qualität, eine fette Empfehlung!

 

 

 

The Heavy – Sons
Sons

LP oder CD

Irgendwie besser denn je. Sly & The Family Stone in kompakter und etwas (funk-) rockiger. Funkadelic revisited inkl. kurzer Psychedelisierung. Toll knallender und gewaltig klingender Modern Heavy R´n´B-Rock (sogar Algiers-Parallelen!). Überschnappender entusiastischer roh schneidender Soul-Rock. Bläser-angetreibener Funk Rock mit James Brown-Einfluß. Chic goes George Clinton der 80er und Red Hot Chili Peppers. Modifizierte/aktualisierte/stilistisch verbreiterte Chambers Brothers. Spaghetti-Morricone in zeitgenössisch/R´n´B-infiziert. Schwarzer Groove´n´Rock´n´Glam´n´Roll. Sporadisch/punktuell Hip Hop-Spuren/Beats. Ganz wenige schön atmosphärische bis leicht psychedelische leise bzw. ruhige Phasen. Fordernde oft ziemlich aggressive Vocals. Scharfkantige Bläserattacken. Fies verzerrte/riffende/funky Gitarren (ca. 1970, an die Zeit erinnert eh vieles). Alles in allem: Ein extrem kompakter kraftstrotzender Sound. Ansteckend! Gute Laune kriegen und staunen!

 

 

 

Hazmat Modine – Box Of Breath
Hazmat Modine - Box Of Breath

LP oder CD

2019er Veröffentlichung , 5. LP der New Yorker, zum 5. Mal bin ich begeistert. Instrumental einfach klasse, zudem höchst musikalisch (auch in den selten ausgiebigen Soli). Die Basis ist oft eine „offen“ gespielte R´n´B/Blues-Variante, tief im Süden verankert (teilweise unter immanentem New Orleans-Einfluß), angereichert mit massiven bis dezenten Roots-Elementen vielfältiger Art: Gern Jazz (v.a. durch die Bläser, meist 4 davon, oder gar mehr, darunter beständig die Tuba von Koryphäe Joe Daley, der u.a. für Charlie Haden, Gil Evans, Taj Mahal, Santana, Carla Bley tätig war), daneben Afrika, sporadisch Folk und Country, 2x Balkan (1x kurzzeitig mit dem Ergebnis einer Art „Balkan-Brass-Punk“), Funk, Talking Blues. Grooves in verschiedenen Formen durchziehen viele Stücke (überhaupt ist dies rhythmisch höchst aparte Musik!), ob lässig/locker, immens beweglich, extrem lustvoll, unter Spannung und Zug, angestochen funky oder mit 2nd line-Anleihen, der Sound ist häufig bunt/lebhaft-variabel bis wunderbar vielschichtig (bzw. super-vollmundig), besitzt gern eine hohe Intensität (bzw. wird enorm verdichtet) und zugleich Wärme, aber auch viele starke Kontraste (inkl. diffiziler/filigraner resp. transparenter Phasen). Herausstechend (neben den Bläsern): Natürlich wieder diese glänzende Harmonica von Leader Wade Schuman, ob Klangfarbe/Sound, die Musikalität oder die Virtuosität, seine Features sind präzise und konzentriert! Exzellent auch der Gesang von ihm (und die 2. Stimme, teils lead, von Erik Della Penna, samt ein paar mehrstimmigen Vokalarrangements). E-Gitarre (und Banjo Guitar) agieren nicht so auffällig, wohl aber z.T. das höchst willkommene vielfach eingesetzte Balafon von Balla Kouyate (Angelique Kidjo, Yo Yo Mas Silk Road Ensemble). Das I-Tüpfelchen: Der große melodische Reichtum! Eine große Empfehlung.

 

 

 

Rickie Lee Jones – Kicks
Kicks

LP oder CD

Eine Sammlung von Coverversionen von Songs v.a. der 50er bis 70er, die sie damals im Radio hörte (und sie wohl beeinflußten). Stücke von u.a. Steve Miller Band, America, Bad Company, Elton John, Benny Goodman, Dean Martin, und der Brecht/Weill-Klassiker Mack The Knife. Elester atmosphärisch ganz starker Rock mit super E-Gitarre, eine gefühlvolle 70s-Songwriter-Ballade, lässiger/bedächtiger Country, mächtig emotionalisierter jazziger Alt/Trad-Pop, weitere Jazzeinflüsse der 30er-50er (swingend-groovend, teils richtig lustvoll, lebhaft und angenehm altmodisch), eine Art tasty Dream Pop Songwriter-style (bestechend schön), rootsiger Rock, multipel rootsige erhabene/erhebende Balladen. Ausdrucksstark, klar, variabel-einfühlsam, phasenweise wunderbar gesungen, vielfältig dabei oft ökonomisch bis kongenial (und stets geschmackvoll und edel!) begleitet von akust./elektr. Saiten, diversen Tasten, mehrfach Bläsern, immer wieder/gern zudem Schlegeln.

 

 

 

Savoy Brown – City Night
City Night

LP oder CD

Neues Material aus 2019. Klar, Kim Simmonds & Co. erfinden nach über 50-jähriger Bandgeschichte nichts neu, wozu auch. Solange sie derart guten und mächtig toughen Blues Rock zelebrieren, classic und zeitlos. Im Trio, die Gitarre besitzt oft eine gehörige höchst willkommene Schärfe (und Kompetenz sowieso), die Soli sind ökonomisch, konzentriert, bestens aufgebaut. Klasse gerade auch die diversen Stücke mit Slide, wunderbar fleischig, schneidend bis hochgepitcht, herrlich klirrend im Breitwand-Format, feinst punktierend… Kraftvoll rollende Stücke, stoisch marschierende in riffbetont oder langsam groovend mit optimalen stechenden Fills, heftig pumpende, satt-saftige extra-schwere (und harte!), dezent feurige, auf kleiner Flamme mit unterdrückter Spannung, top geradezu hypnotischer Southern Groove samt Fuzz, ein Slow Blues darf nicht fehlen (angenehm reduziert, sehr bedächtig und gefühlvoll ohne Crescendi), hinzu kommen ein ausgezeichneter Shuffle in gebremstem Tempo, ein Boogie in schnellem, und ein atmosphärisch faszinierender Song in relaxtem deepem Fahrwasser. 180g audiophiles Vinyl.

 

 

 

Neil Young - Tuscaloosa
Tuscaloosa

LP oder CD

Neues aus seiner Archiv-Serie, live 5.2.1973 in Tuscaloosa, unveröffentlichtes Konzert mit den Stray Gators (Ben Keith/Pedal Steel, Jack Nitzsche/Piano, Tim Drummond, Kenny Buttrey), die auf Harvest und Time Fades Away spielten. Klasse besonders die Pedal Steel, die z.T. relativ sparsam bis punktierend und umso wirkungsvoller eingesetzt wird. Anfangs 2 Solo-Tracks, dann ein paar akustische mit Band (alles Balladen-geprägt), schließlich 5 elektrische (kernig bluesig unterlegt mit gewisser Schärfe, offensiver Country Rock plus, kraftvoll balladeske elektr. Proto-Americana, klassisch schleppender Roots Rock). 11 Songs, 5 von Harvest (ausgerechnet Heart Of Gold gefällt mir besonders, eine einfach perfekte Version! Sehr fein zudem Old Man und das punktgenaue Alabama), je einer von After The Goldrush (Titeltrack) und dem Debut (Here We Are.., ein weiteres Highlight, nachdenklich bis bestimmt, stark verändert, gewinnt durch radikale Reduzierung auf nur die Ak.Gitarre und reizvolles stetiges rhythmisches Auf und Ab/Hin und Her), je 2 (zu der Zeit unveröffentl.) von Time fades Away (Titeltrack und ein um 3 Min. erweitertes Don´t Be Denied) sowie Tonight´s The Night (Lookout Joe und New Mama in viel erdiger/härter, total anders). Keine Experimente, keine Sensationen, einfach nur wunderbare Musik im Nostalgie-Modus. Von den Original-Analog-Bändern, Sound exzellent!

 

 

 

Santana – Africa Speaks
Africa Speaks

LP oder CD

2019er von Rick Rubin produziert, ja mit viel Lob überschüttet, aber auch irgendwie kontrovers. Ich hab 3 Durchgänge gebraucht, um mich von den (Back tot he roots-) Erwartungen zu lösen (es gibt freilich einiges, was an die Anfänge oder z.B. Caravanserai erinnert!) und mich an das zu gewöhnen, womit das Urteil fällt und steht: Den Gesang von Concha Buika (+ Gast Laura Mvula), der wenig mit Santana-Traditionen zu tun hat; sie agiert offensiv, expressiv, ziemlich stimmgewaltig, modulations- und phrasierungsreich, Soul-, punktuell auch Nordafrika-, Vorderasien- und Flamenco-beeinflußt – außergewöhnlich! Der Sound ist oft definitiv rockig, gern Funky- Latin -Rock, mal dezent souliger, Afro-Rock-Elemente (stark wie nie, doch nur bei einigen Stücken evident, teils mächtig kraftvoll bis quirlig; ab und zu leichte Jazz- oder besser Fusion-Anleihen v.a. im (E-)Piano-Spiel, dabei relaxt bzw. zurückhaltend (köchelnd) mit viel Gefühl, sporadisch eher Latin-Groove-Pop. Manchmal schön eingängig! Das Ergebnis jedenfalls ist häufig etwas Neues, Frisches, Eigenes (keineswegs so zahnlos wie vieles in den letzten mit Gästen/Pop-Anteil vollgestopften Jahrzehnten), und wächst! Klasse die Gitarren: Volle Power, viel Schärfe, inspiriert bis inbrünstig, Distortion und Wah-Wah resp. fein zerrend (oder singend). Tasten bleiben oft unauffällig. Fazit: Exzellent! Superb der Titeltrack, ziemlich spirituell, World Music-Parallelen, ein bischen Kuba, ein bischen Classic, melodisch sehr reizvoll…

 

 

 

Bill Callahan – Shepherd In A Sheepskin Vest
Shepherd in a Sheepskin Vest

LP oder CD

Ganz ausgezeichnet, nach 6 Jahren ohne reguläre LP. Oft Folkiges aus unorthodoxeren Blickwinkeln z.T., teils mit einer gewissen „Strange Folk“-Tendenz, häufiger in Richtung Americana bzw. Songwriter-Country, gar sowas wie Folk Rock oder (kurz) „Noise-Folk“ bis irgendwie seltsam/abgedreht/psychedelisch… Und unerwartet viele (20!) Stücke, kürzer als gewohnt. Ein akustisches Werk, neben Gitarre etwas Mandoline/Banjo, Lap Steel, Piano, (Pump) Orgel, sporadisch Mellotron, Synth, Marimba/Kalimba, und ein wenig Drone-mäßige Klänge. Assoziationen, punktuell/hier und da: Oldham und Lambchop (von Ferne), Kozelek, Ryley Walker, auf eine gewisse Art auch mal Howe Gelb oder eine Spur leisester Tim Buckley, relaxteste akust. Grateful Dead, manche fühlten sich im Klangbild (Bass z.B., eh sehr apart) an Astral Weeks erinnert. Die Atmosphäre wirkt sehr warm, manchmal klingt´s völlig „nackt“, zart und leise und geht unter die Haut, oder schön filigran vernetzt, gelassen-melancholisch, subtil bis suggestiv, in sich versunken, anderswo wird´s etwas bodenständiger, fülliger bis bunter, entwickelt sogar gewissen beschwingten Zug (resp. dezent höheres Tempo). Ab und zu führen Gesang und Gitarre ein Eigenleben, heißt, haben erstaunlich wenig Bezug zueinander, wirken „losgelöst“. Klare Empfehlung!

 

 

 

Esperanza Spalding – 12 Little Spells
12 Little Spells

LP oder CD

Ich hatte sie etwas aus den Augen (Ohren) verloren, das hier überrascht mich, ist wohl auch eine ziemliche Veränderung. Und ein pures Abenteuer mit gehörigem Anspruch! Mehr oder weniger vertrackte und definitiv fantasievolle Songwriter-Musik, die sich speist aus einer Art Avantgarde-Pop, einigen Jazz- und (New) Prog-Elementen, Einflüssen der 70er aber auch dezent der Moderne. Sowohl sehr subtile bzw. filigrane/leise bis ruhige beinahe kontemplative Momente als auch rockigere, zwischendurch mal ein funky mal bedächtig-relaxter eher zeitgenössischer mal explizit „intelligenter“ (in sowas wie „Post Wave“ gebetteter) Groove, viele ungerade reizvolle Metren. Die (v.a. elektr., ab und zu und/oder akustische) Gitarre, die diverse Songs neben dem (phrasierungs- und wendungsreichen TOP-) Gesang dominiert, besitzt u.a. Parallelen zu Leuten wie Marc Ribot, Nels Cline, kurz gar Fred Frith. Ganz stark! Und mehrere Stücke erinnern an Joni Mitchell, sehr entfernt wie deutlich, die angejazzte der späten 70er, oder auch der mittleren 70s. Zwischendurch dachte ich zudem kurz an 70er Robert Wyatt, David Sylvian, abgespeckte Steely Dan. Immer wieder (doch nicht immer): Lange/komplexe Melodiebögen, mit und ohne Refrains, samt höchst avancierter Harmonik, teils in gewisser (bzw. auch starker) Schräglage. Fürwahr außergewöhnlich!

 

 

 

Prince – Originals
Originals

LP oder CD

2019, Archiv-Schatzhebung Teil 2. Wieder konzept-orientiert, diesmal 15 (unveröffentl.) Quasi-Demos (z.T. aber voll ausgearbeitet) von Songs, die er anderen gab, z.B. Sheila E (gleich 3), Vanity 6, Bangles, Jill Jones, Martika und Kenny Rogers (einziger Flop, überflüssiger Smooth/Soul Pop), aus den 80s bis frühen 90s. Das klingt z.B. ähnlich wie 1999 (Electro-Funk Pop) bzw. sein poppiger Groove-Stoff der mittleren 80er, ist nicht weit weg vom berühmten „Original“ (Manic Monday), wirkt ziemlich mitreißend (strikt rhythmusbetonter Funk Rap mit freilich farbenfrohem Beiwerk) oder fast radikal und ein wenig futuristisch (massiv reduzierte Electro-Grooves), verbindet psychedelische Untertöne mit simplem Rock-Riff oder 1999 mit Prince-Pop späterer Jahre (samt aggressiver Gitarre und kurzem Jazz-Sax-Feature), beinhaltet ein fast freies Sax plus Cello, erinnert etwas an Around The World In A Day (wunderbar bunt und mehrschichtig, ein Highlight!). Die weiteren Höhepunkte finden sich unter den Balladen: Fast spartanisch aber perfekt; unter gewisser Spannung; relativ konventionell (und lang), gesanglich emotional hochgepitcht; und eine eher bodenständige unspektakuläre doch exzellente Fassung von Nothing Compares 2 U.

 

 

 

Keb Mo – Oklahoma
Oklahoma

LP oder CD

Ich mag nicht alles von ihm, das hier schon. Sehr sogar! Eine gehörige Bandbreite fährt er auf, mit einigen massiven Kontrasten in Stimmung und Stilistik. Das reicht von komplett offenem Roots-Stoff über bluesigen Folk, zeitunabhängigem deepem groovendem Blues, souligem R´n´B wie ausgesprochen ungebunden vorgetragenem regelrecht tanzendem, „Roots Blues“, mehrfach verbindet er nahtlos traditionelle mit zeitgenössischen (Modern) Blues-Spielarten. Unaufdringliche doch feine Grooves (1x gar beinahe Disco-affin, modernisiert), relaxt fließend wie stampfend (absolut packend! Mit bis auf die Rhythmik uralten Trad-Blues-Elementen unterfüttert), kraftvoll aber reduziert, sanft und gefühlvoll resp. poetisch, 1x dachte ich an die aktuelle Mavis Staples (angenehm trockener Sound ohne ein Gramm Fett, der kommt eh mehrfach vor, u.a. auch bei einer Art Mix aus J.J. Cale und Otis Taylor), 1 Stück könnte von Taj Mahal stammen (der dort tatsächlich mitsingt!). Eine Roots-Pop-Ballade finde ich überflüssig, sorry. Weitere Gäste u.a.: Robert Randolph (superbe Lap Steel!), Rosanne Cash (Duett), Colin Linden produzierte. Und über seine Stimme brauchen wir nicht mehr zu reden…

 

 

 

Beth Gibbons & Polish National Radio Symphony Orchestra – Henryk Gorecki: Symphony No. 3 (Symphony Of Sorrowful Songs)
Henryk Górecki: Sinfonie 3

LP oder CD

2019er Werk unter Leitung von Krzysztof Penderecki, als Sinfonie der Klagelieder bekannt, das erfolgreichste Werk des polnischen Neo-Klassik-Avantgardisten (war in England sogar in den Pop-Charts!), hier 2014 live in Warschau eingespielt. Was die Avantgarde betrifft: Doch in sehr gemäßigter Weise, es klingt oberflächlich gehört ähnlich gewohnter Klassik, ein wahres Meer an (v.a. Streicher-) Sound, ein Meer an Gefühlen, getragen und oft dunkel gehalten (manchmal extrem düster, tieftraurig) - doch in der Form/Struktur (für meine ungeübten Ohren) linearer als tradierte Klassik, die zentralen Motive z.T. ein wenig „repetitiv-rotierend“ (Minimal Music-Einfluss gar?), auch melodisch deutlich anders (ganz eigen und wunderschön phasenweise!). In langen Bögen an- und abschwellend/dramatisierend bzw. eine Steigerung (und Beruhigung) in Wellenbewegung, gewisse sakrale/religiöse Elemente, teils unter Spannung, sehr viel Tiefe! Und Gibbons dringt verblüffend in Opern-artige Bereiche vor, in höchste Lagen (gerade dort partiell mit einem klasse Vibrato!), irgendwie lebendiger als in dem Genre üblich, finde ich – hätte ich ihr nie zugetraut! Für mich übt das eine enorme suggestive, ja hypnotisierende Kraft aus – ich wundere mich selbst. Besonders der 1. Satz (der längste, 24 Min.. nur 3 Min. Vocals). Beinahe trancehaft zuweilen, kurzzeitig wie in Zeitlupe. Der 3. Satz (wie der 2.: Weit mehr Gesang, Piano und Harfe kommen hinzu) erscheint mir irgendwie „songhafter“. Eine ehrliche klare Empfehlung! Lim. Deluxe-LP im verstärkten Klappcover, 16-S.-Booklet, 180g, normale LP auch 180g.

 

 

 

Madison Violet – Everything´s Shifting
Everything's Shifting

LP oder CD

Nach Ausflügen in Dance-Bereiche, Pup-Pop, sogar Electro zurück zu ihren Ursprüngen, wenigstens weitgehend. Ja, es gibt auch Stücke, die zum (Edel-) Pop tendieren (aber in gut, mit nuanciertem/differenziertem Arrangement), eins erinnert gar entfernt an die Bangles, Country-Einfluss ist nur noch rudimentär/sporadisch vorhanden – das Gros geht in Richtung Folk Pop, ob etwas schneller (ungefähr zur Hälfte, rhythmisch apart, oft sehr leichtfüßig, z.T. schön lose, federnd, leicht tanzend, auch ansteckend groovend) oder balladesk (meist zurückgenommen, punktuelle Verdichtungen, manchmal mit mächtig viel Schmelz, man möchte förmlich im Klang baden!). Ab und zu würde ich´s eher Americana nennen mit zarten wie ganz dezent rockigen Tönen, teils butterweicher Pedal Steel. Akust. wie elektr. Gitarren, gern beides, Keyboards wenn überhaupt als leichter Schleier, hier und da Streicher + Piano. Alles klingt edel und rund, der Hit aber sind natürlich die Vokalharmonien – betörend, ja himmelwärts strebend… - ein Gedicht!

 

 

 

Stephen Malkmus – Groove Denied
Groove Denied

LP oder CD

Ohne jeden Bezug zu Pavement & Co redet er selbst  von Human League, Cabaret Voltaire und Pete Shelleys „Homosapien“ (klasse Song, immer noch) und Cure, allgemein von

New Wave/Synth-Musik ca. 1982. Das trifft´s, wobei sowohl Dance-orientiertes wie Experimentelles/Abenteuerliches auftaucht, wunderbar schillernde glänzende Sounds neben dunklen bis schroffen/alarmistischen stehen, geradlinige Grooves neben gebrochenen (tendenziell langsamere), Synths in allen Klangfarben, 1x auch faszinierende düstere Hypnose. Einige reizvolle Motive! Später allerdings stehen dann doch wieder Gitarren (z.T. verzerrte/manipulierte) im Vordergrund, wird die Brücke geschlagen zu zeitgenössischem Indie Pop (sogar in einem Fall inkl. einer Prise apartester 60s-Psychedelia!), schließlich ist (sehr guter) melodisch feiner 90er Indie Rock und seine (poppige) Vergangenheit nicht weit weg (wiederum z.T. auch 60s-Spritzer, Psyche-Elemente). Eine gelungene Wanderung durch die Zeit!


 

 

 

Lee Fields & The Expressions – It Rains Love
It Rains Love

LP oder CD

2019er des Soulveterans, der konstant, in der gleichen Liga wie ein Charles Bradley, exquisite Alben abliefert – so auch hier! In besonderem Maße! Die Stimme: Großartig, im klassischen Soul-Stil alter Zeiten, reich phrasierend hoch emotional! Der Sound: Angenehm angerauht, relativ transparent, weit weg von jeglichem Hochglanz, ebenfalls aufs Schönste wie früher, E-Gitarre paart sich mit Orgel oder Piano, Bläsern und ab und zu Streichern – so musikdienlich wie erstklassig instrumentiert. Also: Classic Soul der frühen 70er oder späten 60er, jedoch überraschend und ungewöhnlich viel Abwechslung, 1,2 mal geradezu innovativ gestaltet, mit einigen Besonderheiten: Die Rhythmik aktualisiert er behutsam, sie enthält durchaus z.B. Hip Hop-Elemente, die Drums agieren differenzierter/agiler als gewohnt, manchmal auch bewusst total abgespeckt. Arrangements werden teilweise kurzzeitig verdichtet bzw. reduziert. Es gibt Bläser-Stakkatos, fast nackte Phasen, Dramatik. Die Balladen dagegen (ziemlich vollmundig, sehr schön!) wirken eher „konventionell“, bunt und vielschichtig instrumentiert (in einem Fall jedoch punktuell reizvoll psychedelisch gefärbt!). Ab und zu wird´s dezent funky, zwischendurch erinnert´s mich auch an Curtis Mayfield, oder es taucht kurz eine Spur Gospel auf. Sehr empfehlenswert! CD mit 1 Bonustrack. Auch in limitierten Editionen, rotes Vinyl bzw. mit Instrumental-Bonus-CD.

 

 

 

Steve Earle & The Dukes – Guy
Guy

LP oder CD

Ein Meisterwerk, allerdings keine neuen Songs von ihm, die stammen alle von Guy Clark (gleich 6 der 16 vom unsterblichen Alltime-Klassiker Old No. 1)! Und, gleich vorweg, ich finde das Album noch eine Ecke gelungener als sein Townes-van-Zandt-Tribut vor einigen Jahren! Über weite Strecken geradezu kongenial. Er fügt den meisten Songs nicht wirklich neue Facetten hinzu, fängt die Stimmungen der Originale oft 1:1 ein (verändert jedoch z.T. den Stil etwas, lenkt ihn z.B. mehrfach in rockigere Bahnen), aber das ist auch nicht nötig, wenn sie so großartig interpretiert werden wie hier. Die Stimme ist klasse, transportiert jede Menge Emotionen, gerne angerauht, manchmal ein kleines bischen brüchig (was gut kommt!); die Band klingt homogen und wie aus einem Guss ohne spektakulär solistisch glänzen zu wollen, Akustik-Gitarre und elektrische wechseln sich ab (oder agieren gemeinsam), verbinden sich bestens mit Pedal Steel und Geige (sporadisch ergänzt Mandoline, Harmonica). Bodenständigkeit regiert, Poesie paart sich mit (nie überbordender) rockiger Ader, nur ausnahmsweise arbeitet er gänzlich reduziert (doch so intensiv!). Häufig atmet die Musik den Geist der 70er, respektive „Songwriter-Outlaw-Country-Feeling“, zwischendurch gibt´s Talking Blues-Elemente (in Country verpackt), manchmal schon „schmissig“ zu nennenden Country Rock mit Traditionsbewußtsein (1x relativ harten, mehr im Stil der 90er – Replacements meets Son Volt, oder so), auf der anderen Seite auch 2 Dance-Stoff ganz alter Zeiten verpflichtete Stücke (den Appalachen z.B., gar irische Rest-Anklänge), teil-elektrifiziert freilich. Und einige charakteristische Storytelling-Balladen besitzen eine dezent bis stärker ausgeprägte melancholische Färbung. Es ist eigentlich sinnlos, hier Höhepunkte herauszustellen, dennoch möchte ich 2 Tracks besonders erwähnen, die tief ins Herz schneiden, regelrecht verzaubernd total in sich ruhen: That Old Time Feeling und Old Friends. Welch reiche Musik! Es gastieren übrigens Emmylou, Rodney Crowell, Terry Allen, Jerry Jeff Walker, Mickey Raphael, Verlon Thompson (wow!). GREAT.

 

 

 

Mekons – Deserted
Deserted

LP oder CD

Nach 8 Jahren endlich ein neues Studio-Werk (die 2016er LP wurde ja live eingespielt, bei der ´15er fehlten Bandmitglieder). Ein vielschichtiges ziemlich breites Spektrum! Emotionaler dichter intensiver Rock mit scharfkantigen bis mächtig verzerrten Gitarren, punktuell effektvoller Geige in Schräglage, lose harmonierenden Vocals. Lustvoll! Rootsig/folkig unterlegt in leicht und locker und transparent, rauhe Poesie und entzückende ganz altmodische Melodien paaren sich zur Schönheit von innen. Ein Pendeln zwischen geheimnisvoll-dunkler Faszination und kraftvoll lebenslustigem 70s-Rock (eine Spur Glam-artiger Einfluß) samt kurzer toller beinahe kakophonischer Phase. Kurzzeitig dezent zerschossener Indie Rock featuret schneidende/Distortion-Gitarren, ein intelligentes Piano grundiert, am Ende lose ausfransend. Bedächtiger (Pseudo-Ethno-) Space-Folk sehr eigener Art, der sich irgendwann bodenständig verdichtet. Alte Post Punk-Traditionen, die nicht unbedingt so klingen wie früher, in roher splitternder zugleich nuancierter und intensiver Spielweise, manchmal am Rande der Atonalität. Entspannter lockerer hochmelodischer einfach schöner teilakustischer Indie Folk Pop inklusive einer kleinen Prise Country, ein nicht so weit davon entferntes Stück glänzt mit feiner Säuregitarre (und endet in leiser schräger Klangmalerei). Rock-Feeling gekoppelt mit Desert Rock-Anklängen, schroff riffende Gitarren stehen neben im weiten Raum hallenden atmosphärischen in etwas verwinkelten Arrangements. Weit mehr elektrische als akustische Gitarren, Piano/Orgel und Synthie wechseln sich ab, die Geige fehlt manchmal (gefällt aber ansonsten sehr), er (Langford) singt mehr als sie (Timms), beide gern zusammen. Und diverse Soundeffekte werden hier und da ganz pointiert und effektiv/musikdienlich eingeschossen. Erstaunlich, wie frisch, immer wieder anders und gut sie nach so langer Zeit noch klingen! Vinyl 180g.

 

 

 

Bruce Hornsby – Absolute Zero
Absolute Zero

LP oder CD

Die lange Pause hat sich gelohnt – ein weitgehend ausgezeichnetes Werk! Von außerordentlicher Vielfalt. Im Grunde zeitlos, trotz ein paar zeitgenössischen Anklängen. Instrumental, reizvoll, recht oft ein Piano zentral, manchmal von feinst fluoreszierenden Keyboards nicht nur ergänzt, gern aber auch von best-arrangierten Streichern in der Führung abgelöst, ab und zu Bläser in größerer Rolle. Hochkarätige Gäste, auch vokal (Harmony Vocals, Duette), u.a. 2x Justin Vernon, Blake Mills, Rob Moose, yMusic, Staves. Das Songwriting variabel, teils enorm attraktiv, ausgereift, anspruchsvoll. 3x erinnert´s mich ein bischen an Peter Gabriel (trifft lebendig tanzend Spuren von Marvin Gaye in zeitgemäßer; oder differenziert/filigrane bis gravitätisch-vollmundig-balladeske 80er-Edel-Pop-Anleihen; oder in agil-getragener unterschwelliger Spannung). 1x redet Hornsby selbst ganz treffend von „Steve Reich meets Prince“ (extrem lebhaft, ja lustvoll, klasse wirbelnde Minimal Music-artige Sounds treffen groovenden R´n´B), der Begriff Edel-Pop paßt ebenfalls auf ein klangmalendes hochdifferenziertes etwas jazziges Stück (mit Jack DeJohnette!) und eine bunte vielschichtig-toll gestaltete Ballade unter 70s-Einfluß. 2x dachte ich an Ben Folds (extrem freudvoller groovender tricky Prog-Pop + ein Hauch Gentle Giant! Sowie absolut mitreißend in klasse Rhythmik, nochmal Prog- wie Minimal-Spuren). Ganz anders ein Saiten-dominierter akust. Track, multiple Roots, alte Zeiten freigeistig modifiziert. Schließlich Cinemascope-Pop mit Avant-nahen Anklängen (süffigst!). Je 1 Stück wurde co-komponiert von Robert Hunter (of Grateful Dead) und Justin Vernon. Mindestens 4,5 ganz tolle Songs, Empfehlung!

 

 

 

Jon Spencer – Spencer Sings The Hits
Spencer Sings The Hits!

LP oder CD

Erstmals ein Solo-Album des Pussy Galore/Boss Hog-Leaders, ohne seine Blues Explosion. Wenig überraschend hat sich dennoch nur  marginal etwas geändert. Extrem roher derber bis wüster z.T. massiv fuzzgeladener Garage-Underground-Stoff, mal ansteckend groovend, mal scharfkantig rhythmisch akzentuierend, mal leicht zerrissen wirkend, mal straight treibend. Es gibt bluesige Unterfütterungen wie natürlich reichlich 60s- oder 50s-Einflüsse in seiner typischen harschen Art, manchmal auch ganz kurze eher 70s-mäßige Gitarreneinwürfe, radikal reduzierte Phasen, gelegentliche dreckige Synth-Spritzer (die teilweise so was wie Fuzz-Bass-artig kommen), wenige/sehr punktuell untermalende Orgel-Töne, die Gitarre bevorzugt tiefe Lagen (no Bass!), ein paar Noises inklusive. Wahrer Punk im Gestus!

 

 

 

Angelique Kidjo – Remain In Light  
Remain in Light

LP oder CD

2018er des Afro-Stars aus dem Benin, mit etwas Verspätung auch hier erschienen. Ein sehr überraschendes, gewagtes, spektakuläres Werk – ein Remake eines großen Klassikers, der Talking Heads-LP von 1980! Keine komplette Neudeutung, aber eigen, sehr deutlich, signifikant anders (in der 2. ruhigeren Hälfte 2x auch ziemlich radikal: The Overload und Seen And Not Seen), sogar Textergänzungen (auch in afrikanischen Sprachen). Und in sich absolut schlüssig. Unterschiede liegen z.B. in der Stimme (massiv! Viel mehr Tiefe und Gefühl, mal ein souliger Touch…); natürlich im verstärkten Afrika-Einfluß/der Polyrhythmik (überhaupt erhalten Percussion, v.a. anfangs der Stücke, die Rhythmen mehrfach größeren Stellenwert – die Melodiebetonung aber auch!), die im Original schon vorhandenen Afrobeat-Einflüsse kommen klarer – schließlich ist hier Meisterdrummer Tony Allen beteiligt -, ergänzt von Highlife-Elementen; und die (damals nur minimalst vorhandenen) Bläser, z.T. etwas jazzy, spielen eine viel größere Rolle – Keyboards/Synths eine kleinere. Insgesamt wirkt das Album positiver, wenig dunkel. Quecksilbrige Gitarrenläufe, feinste Grooves (manchmal dezent funky, teils samt enormem Drive bzw. Rasanz), oft kraftvoll, Afro-R´n´B wie Afro Rock, sort of, gern unglaublich lebendig, quirlig, hier eine beträchtliche Schärfe (z.B. aggressives verzerrtes fast noisiges Gitarrenspiel), dort Stakkato-Riffs der Bläser, und vor allem, immer wieder, eine absolut tolle Verzahnung der Instrumente (und auch Stimme), vielschichtig, genial! Die letzten Stücke klingen erheblich sparsamer/zurückgenommen, begeistern dafür mit faszinierender Atmosphäre, verbinden Electronic Africa (super Synthie!) mit Pop oder lassen eine Art Abenteuer-Wave wie zur Zeit des Originals (aber anders als dieses) aufblitzen, stellen Sounds und Stimme über die Rhythmik. Ich bin extrem positiv überrascht, ein superbes Werk, ich finde sogar tatsächlich ein paar Stücke besser als im Original!

 

 

 

John Hiatt – The Eclipse Sessions
The Eclipse Sessions

LP oder CD

Für meinen Geschmack seine beste LP seit längerer Zeit. Rund und zugleich sehr angenehm abgespeckt instrumentiert (Saiten/Tasten), nie zu viel, nie zu wenig, edel, ohne jeden Ego-Trip, geschmackvoll im besten Sinne, die Soli (wenn überhaupt) knapp und songdienlich; relative Abwechslung in der Klangfärbung der Stimme. Völlig unspektakulär im Prinzip, die Songs eigentlich ziemlich einfach gehalten, konservativ strukturiert – doch so gut! Songwriter-Roots-Sound alter/zeitloser Machart (ein wenig The Band), so schlichter wie bestechender Folk (old-school, sachte, poetisch und relativ intim), lebhaft und bluesig eingefärbt (schleichend packend), ein Hauch J.J. Cale (nur eine Spur „wacher“), ein bischen an Little Village-Zeiten erinnernd (R´n´B´n´Rock), Americana (1x sogar gar nicht so weit weg von Guy Clark, wunderbar altersgegerbt), mächtig und stoisch rockend (sofort packend)/hochgepitcht mit Besinnungsmomenten, in sich ruhende pure Poesie (offen rootsig), traditionsgeschulter Blues in aller Ruhe (mit feinster akustischer Slide)… Eine klare Empfehlung!

 

 

 

Neneh Cherry – Broken Politics
Broken Politics

LP oder CD

Endlich Neues aus 2018 unter Beteiligung von Four Tet und Massive Attacks 3D im Studio der deutschen Jazzlegende Karl Berger (der mit ihrem Stiefvater-Don Cherry- spielte) aufgenommen. Inhaltlich intelligent-politisch geprägt, stimmlich klasse und auf der Höhe, musikalisch insgesamt ruhiger als erwartet – und ganz schön vielfältig: Viel R´n´B/Modern Soul, doch nie alleine für sich stehend, in wechselnder Form und Kombination, die Grooves/Beats manchmal etwas offensiver, öfter jedoch eher zurückhaltend bzw. effektvoll langsam, Club-Flair, mal ein Hauch Dub-Feeling, mal eine Art Breakbeat, mal intelligent federnd – aber es gibt auch nur sehr sachte rhythmisierte Stücke. Mehrfach erfreuen eine kleine Prise Afrika (und/) oder Jazz, wunderbar schlüssig integriert, genauso wie Pop-Elemente mit Anspruch, einen (behutsamen) Track könnte man annähernd als „Moderne trifft (afrikanische) Archaik“ bezeichnen (mit süßen becircenden Sounds), es tauchen kurz eine Trip Hop-Tendenz auf, Hip Hop-Spuren (samt Raps) oder repetitive Momente, im Grunde sind viele Songs stilistisch einfach nicht festzumachen, die Begriffe unzulänglich, ihre Vorgehensweise wirkt teilweise zeitlos und zeitgenössisch gleichzeitig. Atmosphärisch glänzend gestaltete Tracks wechseln mit bestechend reduzierten und federleichten, beinahe meditative mit lebhafteren oder relaxten, vielerlei Loops und Electronics bzw. Synths werden faszinierend mit „natürlichen“ Instrumenten (z.B. Kora, Harfe, Vibrafon, Marimba, Flöte) kombiniert, Samples inklusive (z.B. von Ornette Coleman!), immer wieder betören wirklich zauberhafte Klänge sowie ( z.T. repetitive) Loops/Figuren geradezu! Samt attraktiver zugehöriger Motive. Ein zumindest für mich unerwartet gelungener und berührender musikalischer Leckerbissen, eine weitere klare Empfehlung!

 

 

 

Julia Holter – Aviary
Aviary

LP oder CD

Kurz gesagt: Ein überwältigendes Wunderwerk. Wer Lust auf neue Musikerfahrungen ohne alles Genre- und Klang-Grenzen hat, auf totalen Freigeist und unerhörten Einfallsreichtum, liegt hier richtig. Das ist oft sehr schwer einzuordnen/beschreibbar, aber ich versuch´s mal: Eine Art offener leiser Folk Jazz (mit Momenten von Värttinä/Bulgarian Voices) in zart, inspiriert, filigran/feinziseliert, leicht schwebend. Sowas wie freihändiger Spiritual Avant-Free Rock (manche würden sagen Free Jazz) in ungeheuer dicht gepackt und intensiv, darüber thront in absolutem Kontrast fast majestätisch die Stimme (klasse!), am Ende orgiastisch. Ethno-Avantgarde in losgelösten rhythmusbefreiten Flächen. Buntest schillernder zeitgenössisch-psychedelischer von allen Konventionen entbundener (Indie) Rock Pop. Eine schwerelose und eine düster-bedrohliche apokalyptische Meditation in outer space (Letztere in „Post Psychedelia“ mündend). Jazz, „Post-Rock“, Avant-Symphonic und Modern Psyche in einem, hypnotisch von leisen zurückhaltenden Anfängen bis zur mehrschichtigen Verdichtung. Neo-Avantgarde-Klassik in fluoreszierende bestechende frei im Raum geisternde bis dezent pulsierende fantasievolle Klangbilder getaucht, später Erinnerungen an Laurie Anderson oder auch avancierte Björk. Wunderbar auch die diversen Balladen, z.B. zunächst sanfte ruhige eher orthodoxe dann immer stärker anschwellende in einem Fall fast kakophonische, woanders dezent schwelgerische kurzzeitig halluzinogene; oder zarter fast nackter sehr individueller „Songwriter-Pop“ mit Anspruch und von fremd/eigenartiger becircender Schönheit, im nächsten Track toller getragener Erhabenheit (mal Piano, mal Orgel im Zentrum). Ungewöhnlich ein ins Balladen-Umfeld eingebetteter hüpfender gutgelaunter 80s-Post Wave-artiger Mittelteil. Insgesamt höre ich ab und zu gewisse Robert Wyatt-Parallelen – ohne so zu klingen, einfach diese Art des Freidenkertums. Unglaublich vielschichtige Musik, die unerhört dicht gewobenen/arrangierten ideen- und klangfarbenreichen Soundlandschaften/Kaleidoskope (Orgel, Keyboards, Synths, Piano, Gitarre, Bläser, viele Streicher, Harfe, Dudelsack und mehr) faszinieren aufs Höchste, immer wieder, und immer wieder ganz anders. Auch der Gesang ist klasse, der „normale“ vielseitige wie die herrlichen klangmalerischen Aspekte. Dieses Jahr habe ich wohl noch kein so facettenreiches Werk gehört, um all das zu erfassen werde ich beinige Zeit brauchen. Atemberaubend, meint das Info zu Recht, ihr Opus Magnum in mehrfacher Beziehung (15 meist etwas längere Stücke in 90 Min.). Ich finde sie von Mal zu Mal besser.

 

 

 

Pixies – Come On Pilgrim/Surfer Rosa (30th Anniversary Edition)
Come on Pilgrim-It'S Surfer Rosa

3LP oder 3CD

2018er Reissue, CD im Hardbook, Vinyl in gold. Okay, über das 8-Track-EP-Debut und ihre eigentliche 1. LP (1987/88), die beiden Klassiker mit jeder Menge Schärfe und erheblichem Einfluß, teils noch punky, noisig, muß man keine großen Worte mehr verlieren. Inkl. dem himmlischen Where Is My Mind und klasse Songs wie Caribou, Nimrod´s Son, Levitate Me, Bone Machine, Gigantic. Aber es gibt ja noch die 3. LP/CD: Live From The Fallout Shelter, ein bislang offiziell nicht erhältliches Radiokonzert dessen  Sound hier okay ist von 1986 (also noch vorm Debut), bei dem die Trademarks der ersten Zeit schon da sind (insgesamt nur etwas schroffer). 15 Songs in angemessener Kürze (gerade 2, knapp, über der 3 Min.-Marke; plus auf CD ein Interview), fast alles von Pilgrim, 2 Tracks schon von Surfer Rosa, dazu die erst Jahre später rausgekommenen Subbacultcha (roh!) und Down To The Well (hier viel schneller) sowie die von „Demos“ bzw. 7“-B-Sides bekannten Build High (unter 50s-Einfluß), Rock A My Soul (feine Gitarren-Licks) und das nie offiziell erschienene Boom Chicka Boom – alles richtig gut! Als Letztes das Cover In Heaven (u.a. von David Lynch, Tuxedomoon bekannt), eigentlich ja eine Ballade, in einer sehr aggressiven Version.

 

 

 

Barbara Morgenstern – Unschuld und Verwüstung
Unschuld und Verwüstung

LP oder CD

Neues aus 2018,variabel und doch stimmig, Elektronik wie natürliche Klänge, gern beides parallel. Nicht nur das ergibt diverse reizvolle/interessante Kontraste. Z.B. auch, wie behutsam rhythmisierter „Electronica-Songwriter-Indie-Balladen-Pop“ (oder so) auf deutlich langsameren Gesang (der mich durchweg sehr anspricht) trifft; oder (in ähnlicher Stil-Kombination) die ganz unterschiedliche Melodik von Gesang und Synthie, woanders vom eher modernen Synth-Pop und den tendenziell zeitlosen Melodien traditioneller Lieder. Bei einer tropfenden bis dräuenden dunklen Ballade (überhaupt ist der balladeske Anteil sehr hoch!) dachte ich anfangs an Nico, bevor sie deutlich zeitgenössisch noisig-flächig (und faszinierend!) verdichtet wird. Ab und an fühlte ich mich an Robert Wyatt erinnert (mit dem sie ja arbeitete und der Fan von ihr ist), ob in der Art einer „gebrochenen Feierlichkeit“ oder im experimentelleren Modus. Zwischendurch wird´s etwas Chanson-haft, in reduzierter avancierter/unkonventioneller spannender Form, oder sie zelebriert so etwas wie Diskurs-Pop (balladesk doch rhythmisch attraktiv/beweglich, ein wenig in Fragmenten, mächtig kontrastreich, inkl. dramatischer Aufschwünge), gemahnt gar in einem düsteren Instrumental entfernt an die Berlin-Phase Bowies, wirkt „altmodisch“ und leicht folkig in einem schönen Piano-Song (dunkel und getragen unterlegt, schließlich in einen gut konsumierbaren Avant-Modus mutierend samt klasse integrierter Bläser). Sogar purer simpler Electro Pop und ein Hauch songhafter (Symphonic-) Prog ist dabei. Das alles basiert im Wechsel oder gemeinsam v.a. auf Synth, viel Harmonium und Piano, Orgel, Keyboards, hier und da Electronics oder Bläsern. Und sie singt trotz einiger englischer Songtitel wie gewohnt deutsch.

 

 

 

Brant Bjork – Mankind Woman
Mankind Woman

LP oder CD

Der ex Kyuss + Fu ManchuMusiker mit neuem Material. Mal in der Tradition Blues-beeinflußter Rock-Bands, wie Cream, oder ein paar Hendrix-Spuren – in kompakter, konzentrierter, songorientierter Form. Was auch auf heavy Stoner Rock zutrifft, zugleich wie früher und etwas aktueller. Anderswo knochentrockener nicht sonderlich harter bzw. federnd fließender „Desert Rock“ mit einer kleinen Prise Acid Psychedelia in den Gitarrenfeatures. Oder funky groovend, dunkel repetitiv mit zeitgemäßen Noten (und nochmal Hendrix-Anleihen, diesmal der rockigen non-tradierten Art); typischer Früh-70er Proto-Hard Rock; handfester zeitloser gemäßigt schwerer Psychedelic Rock; und schließlich ein bunter Zitate-Mix aus Hendrix, Cream, Led Zep, gar John McLaughlin (Devotion!), Classic meets Modern Psychedelia, inkl. komplexerer Momente. 1,2 Mal taucht kurz 60s-Pop-Einfluß auf. Die 5-Minuten-Marke überschreitet kein Song, selbst die 4 nicht oft!

 

 

 

Sophie Hunger – Molecules
Molecules

LP oder CD

Neues 2018ner Album...Oh, das ist doch schon ein ziemlicher Unterschied zu früher – wegen des massiven Elektronik-Einsatzes, außerdem singt sie jetzt komplett in Englisch. Okay, manchmal gesellt sich eine Akustikgitarre hinzu (und es paßt zusammen). Ihre Stimme jedoch hat nichts von ihrer phasenweise bestechend verführerischen Qualität eingebüßt! Und zu meiner eigenen Überraschung mag ich das Ergebnis trotzdem. Man könnte es z.B. elektronischen Songwriter-Pop mit Anspruch (und partiell Widerhaken, auch rhythmischen) nennen, oder einfach modernen Indie (Groove) Pop inkl. z.T. zeitgenössischen Beats, es gibt Einflüsse aus 80er Jahre-Synth Pop (teils wiederum samt Groove-Aspekt, oder deutlich aktualisiert), melodiebetonten Electro Pop mit Sequencer, oder eine Art betörenden elektro-akustischen Folk Pop (mehrfach). Egal, ob die Songs relaxt tuckern, eine gewisse Süße ausstrahlen, (ganz gern) dunkel bis düster (und sporadisch mysteriös) klingen, geradezu zart-minimalistisch ausfallen oder sanft und entspannt, fast allen gemeinsam ist sehr viel Atmosphäre und meist ein angenehm melancholischer Faktor.

 

 

 

Phillip Boa & The Voodoo Club – Earthly Powers
Earthly Powers (Deluxe Edition mit Bonusalbum) 2018 | Doppel-CD

LP oder CD

Ich muß gestehen, ich hab seine Karriere schon länger nicht mehr verfolgt. Er klingt hier zeitgenössisch, zeitlos und nach den 90ern zugleich, jede Menge „Indie Rock“-Input unterschiedlicher Art und Zeit. Strukturell/kompositorisch eigentlich konservativ. Mal etwas (Post) Punk-Ästhetik, mal eher Alt. Rock, mal sowas wie Modern-Rock oder -Power Pop, sehr schön ein funky 80s-Groove-Wave-Track in aktualisiert, und speziell in einigen Balladen eher Pop als Rock (in z.T. dunkler Atmosphäre). Fein auch eine Art Mix aus 90er Brit Pop und College Rock, einer von 2 ziemlich hymnischen Stücken – überhaupt wird sehr viel Wert auf substanzhaltige Melodien gelegt. Diverse stark beschleunigte Songs, kontrastiert von einigen tendenziell elegischen, ab und zu wird eine akustische Gitarre eingeflochten (gerade nicht in den Balladen). Rhythmisch oft variabel und interessant gestaltet, mit (im Gegensatz zur Musik) Rückgriffen auf alte Zeiten (60s z.B.).

 

 

 

The Coral – Move Through The Dawn
Move Through the Dawn

LP oder CD

Zurück zum prägnanten kompakten Pop (mit mal weniger, mal etwas mehr oder praktisch fehlendem Rock-Anteil), zurück zur melodieverliebten alten Schule mit manch catchy Song. Gleich die ersten 3 Stücke (viel Drive oder locker-flockig) besitzen große Klasse, beschwören noch mehr als die anderen die späten 60er/frühen 70er – retro pur! Okay, es gibt auch Tendenzen zu einer Art buntem zeitlosem freundlichem Indie Pop mit Retro-Momenten sowie relaxten Folk Pop, der auch aus dem letzten Jahrzehnt stammen könnte (1x zudem klassischen Songwriter-Folk, akustisch-abgespeckt), aber meist sind die Referenzen/Assoziationen Bands wie Badfinger, Traveling Wilburys, entfernter The Move oder Bee Gees in gut, und mehrfach ELO (quasi in die 60s versetzt und großvolumig oder etwas rockiger ohne Bombast). Zwischendurch kommt kurz ein dezenter Psyche-Einfluß zum Tragen.

 

 

 

Wolvespirit – Fire And Ice
Fire and Ice

LP oder CD

Die gewohnte eindrucksvolle rauhe weibliche Power-Stimme, die gewohnte markante Orgel (samt ein paar konzentrierter Solo-Features), der gewohnte in den 70ern (v.a. den frühen) wurzelnde Sound (der manchmal einfach ganz zeitlos wirkt). Harter kompakter dabei für das Genre ausgesprochen melodischer Rock (nicht weit unter der Grenze zum Hard Rock, teils auch darüber); Classic Rock, treibend und schnörkellos – mit sporadischen Prog-Spuren; die 1x auch etwas deutlicher ausfallen, in einem Kontext, der etwas an gemäßigt harte Deep Purple gemahnt; eine bodenständige schlanke Power-Ballade (kurz ein Hauch Klassik-Rock); regelrecht stürmischer trocken knallender Rock; und ein paar leicht hymnische Stücke: Bluesig-melodisch, differenziert samt Pop-Einfluß (und nicht unbedingt 70s-like) oder dezent an Scorpions erinnernd (plus Orgel halt, hier besonders prominent). Gelegentlich dachte ich auch an Bloodrock oder Uriah Heep. Die LP-Fassungen sind alle auf 500 limitiert, die DLP kommt als Crystal Clear-180g-Fassung auf 45 rpm inkl. Kunstdruck und 2 Gutscheinen für ein Konzert von ihnen im Herbst/Winter 2018! Die ltd. CD kommt im Digipak und ist auf 1000 begrenzt.

 

 

 

Kamasi Washington - Heaven and Earth
Heaven and Earth

4LP oder 2CD

(mit jeweils einer SECRET LP bzw. CD!)
Uff. Nach dem (selbst verkaufstechnisch) überall Furore machenden 3er-Set The Epic nun quasi die Fortsetzung, wieder so ein Monster (diesmal zweieinhalb Stunden, die meisten der 16 Stücke 8-10 Min.) mit Chor und Streicherphalanx (punktuell doch immer wieder eingesetzt, unglaublich wirkungsvoll), diversen Bläsern, extrem viel Melodie! Im Vergleich: Im Prinzip treibt er das Konzept auf die Spitze (mit im Einzelnen teilweise auch anderen musikalischen Mitteln bzw. anderer Schwerpunktsetzung), doch es wirkt insgesamt homogener trotz der enormen Vielfalt, etwas weniger Kontraste, noch vollmundiger, (noch) weniger „reine Lehre“. Es gibt mehr Fusion-Einfluß der 70er als bislang (was mich komischerweise hier gar nicht stört, wohl auch wegen dem anders gelagerten Gesamt-Kontext), zumindest in den non-orchestralen Phasen, Anklänge von Herbie Hancock bis (sehr begrenzt) Miles Davis. Jede Menge GROOVE, gern in Richtung (Afro-) Latin-Jazz (wiederum 70er), teils komplexerer/etwas vertrackterer (jedoch wunderbar flüssiger)/polyrhythmischer Art, teils funky, Soul-Jazz- wie sowas wie „Groove-Pop-Jazz“-Tendenzen. Aber natürlich auch gewohnte Hard Bop/Post Bop-Anleihen (z.B. in herrlich leichtfüßiger Form oder mit viel Drive), modales Spiel, gar ein Freddie Hubbard-Cover, mehrfach deutliche Coltrane-Parallelen (bis hin zum Pianospiel). In den Extremen zudem: Ein Soundtrack-artig bombastisch-umhüllendes Stück mit Pop-Touch alter Schule samt wogendem Klangfarben-Meer (erinnert mich leicht an gewisse Alice Coltrane-Sachen; kitschig? Ja klar, so what), ein sattes Free Jazz-Intro. Nur selten tauchen feinsinnige/feinziselierte/ziemlich poetische Momente auf, jedoch nicht in langsamen Tempi – die sind fast durchweg hoch bis wenigstens mittel! Soul-Inspiration kommt ab und zu vor, v.a. im Solo- (oder m/w-Duo-) Gesang (in 4 Stücken, z.B. der tolle Dwight Trible, u.a. bei Horace Tapscott beschäftigt). Die Chöre übrigens funktionieren (mit einer Ausnahme) wortlos. Und dann ist da noch dieser unnachahmliche allumfassende immens emotional aufgeladene orchestrale Überwältigungs-Jazz (inkl. Bop- und Groove-Anteil) von Stücken wie One Of One – fantastisch! Die beständig eingestreuten Soli von Kamasis Sax leben nicht gerade von viel Variation, aber dafür von seiner ungeheuer hohen Emotionalität, emphatisch, inbrünstig, beeinflußt u.a. von Pharoah Sanders (jedoch weniger frei/extrem) – ich finde sie klasse (auch Synthie, Trompete, Posaune, Piano, sporadisch Drums, Bass, Orgel bekommen Solo-Freiräume). Geschmeidige, flüssige, kathartische, hymnische, gefühlsbetonte, cinematische, romantische, dramatische, erhabene, bisweilen spirituell angehauchte Musik von höchstem Kaliber, auf CD 1 einfach großartig und wie aus einem Guß/super aufgebaut, total packend/sogartig, CD 2 wirkt auf mich etwas „zerrissener“ inkl. 2,3 nicht ganz so überzeugender Stücke, hat aber ebenfalls richtige Highlights.

 

 

 

Buddy Guy - the Blues is alive and well
The Blues Is Alive And Well

2LP oder CD

2018er des letzten (?) Überlebenden der großen alten Blues-Meister. Großteils neue Originale. Gäste wie Mick Jagger (feine Harmonica!), Keith Richards, Jeff Beck, James Bay, dennoch: Keine Kompromisse, (meist) purer Blues. Und zwar exzellenter! Schon durch seine generell erstklassige bis geradezu brillante Gitarre (punktuell und gern von enormer Schärfe) und verblüffend kraftvolle Vocals (das Alter hört man absolut nicht!) – was oft auch auf die Musik als solche zutrifft. Fleischig und vollsaftig, ziemlich häufig 50s/Chicago-nah und schleppend (bis extrem langsam), im zeitlosen unbeirrbaren deepen warmen satt orchestrierten Fluß (ein paar Mal teils bestens interpunktierende Bläser), mal auch ein (vokalbetonter) Slow Blues bzw. „Blues auf Samtpfoten“ in slow motion (und von hoher Ausdrucksstärke, superb!), zwischendurch etwas „modernerer“ R´n´B (funky klasse Groove) oder ein ansteckender treibender Boogie. Das Ganze schön Orgel- und/oder Piano-unterlegt (z.T. weit im Hintergrund). Absolut zu empfehlen, und die Gitarrenpower ist wirklich eine Wucht…

 

 

 

Charles Lloyd & The Marvels + Lucinda Williams - Vanished Gardens
Vanished Gardens

2LP oder CD

Neu auf Blue Note, u.a. von Don Was produziert. Na, das nenne ich eine überraschende Besetzung. Neben der hochkarätigen Rhythmusgruppe (E.Harland und Reuben Rogers) begleiten Greg Leisz (meist Pedal Steel) und Gitarren-As Bill Frisell (beide ja schon oft für Williams tätig) den bereits vor mehr als 50 Jahren überaus populären Jazz-Saxofonisten. Lucinda singt auf 5 (4 davon Eigenkompositionen) der 10 durchweg etwas längeren und variablen Stücke, alle Highlights dieses Werkes, die es zu einem besonderen machen: Vor allem 2 (im Prinzip!) Americana-Balladen, sehr deep und berührend, brillanter emotionaler Gesang, poetisches Sax, ob in absolut faszinierender Atmosphäre oder phasenweise doch ein wenig jazziger (v.a. durch das dort sehr aktive partiell dezent ausbrechende Sax). Sowie ein umfassend rootsiger Track inkl. deutlicher Blues-Verweise (aparter Groove, leicht funky, überwiegend Jam-Feeling, superbe Kommunikation der Musiker in meist zurückhaltender konzentrierter Form samt klangmalerischen Vocals von Lloyd, ebensolcher feinster Pedal Steel) und ein relativ Jazz-dominierter von weiteren Roots-Elementen (z.B. Blues) verstärkter zwischen entspannt und agil, ja quirlig (die Rhythmik; das tolle Sax!). Schließlich die Hendrix-Ballade Angel (nur von Guitar/Sax begleitet, wunderschön). Von gleicher überragender Qualität ist das instrumentale Titelstück, wagemutiger/experimenteller, großartiges verzwickt-dicht gewobenes Zusammenspiel, streift sowohl punktuell komplex-groovige Gefilde zwischen Rock und Jazz wie freiere Momente und hoch diffizile/filigrane – Jazz in innovativ, eigen und toll. Gut auch der Rest: Schönheit des Klanges in instrumentaler Melodiösität in Americana-Nähe (wenig Jazz), weich, warm, abgeklärt, fast in sich versunken. Eine leise zarte Jazz-Ballade mit Country-Untertönen, sehr leichtfüßig – wie auch ein Blues-Jazz-Hybrid mit Flöte/Gitarre im Zentrum. Und 1 ausdrucksstarkes Monk-Cover als Sax/Guitar-Duo. Eine lange ganz exquisite CD!

 

 

 

Milk Cartoon Kids -  All the things I did and all the things I didn't do
All the Things That I Did and All the Things That I Didn't Do

2LP oder CD

Neu,von Joe Henry produziert (was ja immer für hohe Qualität sorgt). Einiges klingt wie gewohnt, aber das Duo hat diesmal eine Band dabei – mit (neben der zurückhaltenden Rhythm Group) Pedal Steel (oder feinst klangmalerischer, manchmal auch „normaler“ dezenter E-Gitarre), ab und zu gestreichelter Orgel, Geige, Piano. Der Balladen-Anteil ist hoch, und ihre wunderschönen 2-stimmigen/Harmony Vocals begeistern mich stets aufs Neue! Bezaubernd! Viele Songs besitzen Tiefe, sie bewegen sich zwischen ganz sachtem feingeistigem/zart malendem Folk (partiell auch ebensolche Americana-Tendenzen), geben mehrfach eine Prise old-fashioned Pop dazu (oder 70s-Edel-Songwriter-Pop), ziehen mal das Tempo an (gemäßigt, relativ ruhig bleibt´s trotzdem, samt einer Simon & Garfunkel-Prise), gelegentlich tauchen Country-Einflüsse auf, ab und zu wird´s geradezu extrem intim/introspektiv (z.B. mit dezentem Nick Drake-Verweis, nochmal einem Hauch Simon & Garfunkel). Das Material ist durchweg exzellent, aber die himmlische „zeitlos-alte“ Slow-Motion-Ballade Blindness (irgendwann unterschwelliges Drama), ein fantastischer 10-Minüter in wunderbarer loser Jam-Atmosphäre mit langem großartigen mit ungeheuer viel Seele gespieltem noch dazu harmonisch reizvollem Feature der Akustikgitarren (eh omnipräsent, bestechen die immer wieder, fein gesponnen, grazil, filigran, äußerst delikat! Hier zum Schluß auch etwas extrovertierter) – die Musik ist anders, aber das Flair erinnert mich ein bischen an Pentangle -, sowie das etwas lebhaftere Big Time (Songwriter-Country/Americana trifft Mitt-70er Dylan?) ragen noch einmal heraus. Eine dicke Empfehlung!

 

 

 

Björk – Utopia
Utopia [Explicit]

2LP oder CD

2017er, mit leichter Verspätung besprochen – weil mein Interesse mäßig war, ich habe seit langer Zeit nichts mehr von ihr meiner Sammlung einverleibt. Aber das hier ist für mich nun nach „Vespertine“ ihr bestes (und zugleich längstes) Album überhaupt, zusammen mit „Homogenic“. Wichtigster Partner: Arca, Produzent, zuständig für Beats, Electronics. Die Instrumentierung ist gar herrlich bunt, elektronisch wie (erstaunlich oft!) akustisch, mehr hell als dunkel, vielfältig und/oder mehrschichtig, ganz einfach und sparsam wie komplex, mehr zart/fragil als vollmundig, doch manchmal auch ungemein dicht arrangiert. Ziemlich gern verblüffend friedlich, fast hippie-esk zeitweise. Hauptbestandteile: Flöten (natürlich und verfremdet, mal weniger mal sehr auffällig bis gar dominant, fast immer dabei, teils mehrere)! Einzelne bzw. mehrere Celli (Strings), farbenreiche Synths/Electronics, ein paar Harfen, Field Recordings (sehr schön, Vögel, auch Grillen, Wale). Mit und ohne Beats (wenn, dann meist ungewöhnlich/wagemutig, stolpernd, „fractured“, knisternd; ideenreich und lebendig), z.T. unabhängig vom inneren Rhythmus der Stücke – reizvoll, auch weil es dann doch irgendwie „paßt“. Die Leichtigkeit des Klanges. Ja, das ist Kunst. Eine wunderbar emotionale, zugleich experimentelle. Avantgarde UND (Future) Pop samt harmonischer Schönheit, Technik UND Natur, einiger Folkeinfluß, sporadisch sogar sowas wie liturgische/sakrale Klassik-Elemente. Und ganz exzellenter, ausdrucksstarker Gesang! Teils eher schmucklos (umso schöner), meist (zumindest punktuell) mehrstimmig (zusammenhängend wie unabhängig), ab und zu Chöre/Choräle. Herrlich produzierter und klingender Freigeist, freilich kein Fest der Melodien (die werden häufig wiederholt/wiederkehrende Motive, keine „konventionellen“ Songs). Große Empfehlung!

 

 

 

Park Jiha – Communion
Communion

LP oder CD

2018er, aus Korea. Was für tolle und innovative Musik! Ich liebe Entdeckungen komplett neu- und/oder andersartiger Klänge, vor allem, wenn sie so faszinierend daherkommen wie das hier. Jiha spielt Piri (eine Oboe-ähnliche Flöte) und Yanggeum (hammered Dulcimer, von der Santur abstammend), ihre Begleiter Vibraphon, Bassklarinette resp. Tenorsax und (farbige) Percussion (je bei ungefähr der Hälfte dabei). Koreanische Folk-Traditionen spielen eine größere Rolle, ok, aber nur als Ausgangsbasis (v.a. melodisch/soundmäßig), manchmal nicht mal das. Sie machen etwas völlig Originäres daraus („vergessen“ auch schon mal Korea), ungewohnt/seltsam, doch (zumindest des Öfteren) irgendwie harmonisch, ergänzen, kombinieren verschiedene weitere (manchmal auch dominierende) Stilmittel. Im Einzelnen: Klare, durchdringende, dennoch ruhige bis meditative Klänge, entfernt Ambient-verwandt, aber beweglich, Korea mächtig modifiziert – wie nichts anderes! 2x Korea meets Minimal Music und doch absolut unterschiedlich: Massive Kontraste zwischen zarten/poetischen Parts sowie stark anschwellendem dezent perkussivem hypnotischem Zug (das meint das Label wohl mit, Zitat, „dynamics of Post Rock“); oder leise Phasen treffen gemäßigt/in Wellenbewegungen anschwellende rhythmisierte, mit abermals hypnotischer (Sog-) Wirkung – total neuartig, experimentell, doch auf Anhieb packend (dabei organisch anmutend, keine Dissonanzen). Dann ein ganz ruhiges getragenes meditatives beinahe sakrales Wunderwerk von unglaublicher Schönheit (nur hier spielt sie eine Bambus-Mundorgel mit 17 Pfeifen, im Duo mit Vibrafon) – ein Traum! Korea Fehlanzeige. Die (z.T. noch bessere!) B-Seite dagegen verarbeitet auf bestechende Weise durchweg (teils starke!) Jazzeinflüsse, von wunderbar melodisch-lyrisch bis höchst intensiv (geradezu Free Jazz-artig kurzzeitig) und/oder höchst originell, koppelt sie mehrfach mit Minimal Music- bzw. einer Art Gamelan-Elementen, natürlich (nicht immer) etwas Korea-Folk-Tradition, verwendet einige stoische Rhythmen, generell immer wieder Kontraste differierender Art (Rhythmus, Poesie und Melodie, immens extrovertierte bis gar aggressive Phasen resp. extrem emotionale und leise, sanfte, für Momente tauchen gar Drone-Sounds oder Laurie Anderson-Flair auf). Das pure ungeheuer spannende ungeheuer wirkungsvolle und großartige Abenteuer! Dicke Empfehlung!

 

 

 

Fu Manchu - Clone Of The Universe
Clone of the Universe

LP oder CD

Neues Werk der Kalifornier, im bekannten Fahrwasser überwiegend. (Hard) Stoner Rock, teils rhythmisch intelligent, variabel und dynamisch, hart, kompakt und schnell, oder sehr rough und kantig samt rasender Einlage. Anderswo mächtig heavy, schleppend, dunkel, Sabbath-Spuren, in einem Fall mehr Kontraste und Breaks (auch leisere Passagen). Und ein Hochgeschwindigkeits-Track, straighter, etwas 70s-Flair. Zum (langen, 18-minütigen, phasenweise Jam-artigen) Schluß mit Gast Alex Lifeson (Rush-Gitarrist) jedoch verändern sie das Strickmuster: Epischer/monumentaler riffstarker abwechslungsreicher Stoner inklusive komplexeren Parts, Tempowechseln, auch Kyuss-Anleihen, zwischendurch ungewohnt klirrende Gitarren oder hochgepitchte, Soundeffekte, Space-Spuren, für Momente gar Hendrix- oder Prog-Feeling. Fuzz rules!

 

 

 

Sly & Robbie Meets Nils Petter Molvaer Feat. Eivind Aarset And Vladislav Delay – Nordub
Nordub

2LP oder CD

Das legendäre Reggae-Gespann und der kultige Trompeter – eine außergewöhnliche Kombination. Mit ebensolchem Ergebnis! Zumal Gitarre und Electronics/Keyboards ziemlich kongenial zum (gern relativ klangmalenden und/oder verwehten, melancholischen) Sound beitragen. Dub-artige wunderbar rollende, völlig zeitlose, sowie (Dub-) Reggae-Grooves auf der einen Seite, ruhige/relaxte bis meditative Stimmungen auf der anderen, eiskalte wie warme Klangflächen, mal unterschwellige Spannung (irgendwie Holger Czukay bzw. von ihm dominierten Can nicht unähnlich), mal eine Art Electronic-Ambient-Dub, woraus „Future-Groove-Kraut“ entsteht, mal Dub in outer (electronic) space. Und einige Stücke verarbeiten (eher dezent) Jazzeinflüsse (durch die Trompete, bis hin zu einer Spur Miles Davis), in Verbindung mit handfesteren Grooves/Klängen (z.T. gleichwohl ohne auf elegisches Flair zu verzichten), mit und ohne Dubeinfluß – z.B. als recht knackige teils noisig-aggressive Reggae-Funk-Jazz-Space-Mixtur, oder stoisch mit vielen dunkel-bunten Tupfern, gar unerbittlich treibend, fast gehetzt. Selbst Vocals werden 2x (sehr effektiv! Partiell verdubt) eingesetzt. Phasenweise absolut faszinierende Musik, auch und gerade, immer wieder, atmosphärisch wundervoll.

 

 

 

Ben Harper & Charlie Musselwhite – No Mercy In This Land
No Mercy In This Land (Deluxe Edition)

LP oder CD

2. gemeinsames Werk (das 1., 2013, bekam den Grammy). Einfache Musik ohne Schnörkel, echt und von Herzen, wenn auch unterschiedlich (entsprechend der stilistischen Ausrichtung) aber stets mit viel Gespür absolut klasse produziert, jeweils, hmm, „ganzheitlich“, alles, Bass/Drums, Harmonica und Gitarren (manchmal Piano, einfach kongeniale Backing Vocals) bilden eine untrennbare perfekte Einheit, die Vocals „passen“ wunderbar. Meist im 50s-Blues, teils noch früher wurzelnd (ohne unbedingt nach der Zeit zu klingen), rhythmisch ausgezeichnet/sehr variabel gestaltet, Drums ab und zu nur rudimentär (umso wirkungsvoller; 1x ganz ohne). Top gespielt, aber (ebenfalls passend) ökonomisch, keinerlei Pyrotechnics. Schwer, schleppend und deep mit viel, fast spiritueller Atmosphäre, stoisch treibend, tough und trocken, kraftvoll und ganz wunderbar groovend/fast swingend, packend abziehender R´n´B, 3x alter akust. Folk/Trad Blues (sparsam, gefühlvoll bzw. zurückhaltend, 1x Gospel-Elemente), 2 extrem einfühlsame reduzierte Balladen, rootsig-offener oder „soulig-ursprünglicher“ Art. Ganz feiner Stoff! LP 180g.

 

 

 

Poems For Laila – Dark Timber
Dark Timber

nur CD

Irgendwas hat mich in ihrer Musik schon immer berührt. Auch nach der Reunion im Duo (der alte Chef Tomas + Joanna Gemma Auguri). Hier agieren sie fast durchweg balladesk, gesanglich beide beeindruckend (im Wechsel oder Duett, inkl. Harmony-Stimmen punktuell, manchmal betörend: Sie), eh nie vollmundig, manchmal auch ganz sparsam instrumentiert: V.a. E-Gitarre (teils akustische zusätzlich) und Akkordeon (welches ab und zu etwas dronig wirkt, fast wie ein Harmonium), z.T. Orgel/Synthie und rudimentäre Drums, 1x gar Vibrafon. Folk/Folk Pop steht im Vordergrund, ergänzt von einer Art 70s-Songwriter-(Edel-)Pop, sporadisch eine Spur Blues, ein paar Mal „Walzer-Folk“ (oder Chanson-haft). Kurze Passagen (bis ganze Songs) erinnern mich an Cowboy Junkies, Bowie, teilakustische Walkabouts, „Summertime“, frühe Nico, irgendwie auch an Nick Cave-Balladen. Allgegenwärtige Melancholie, mehr oder weniger dunkel, einfach und schmucklos, bestechend traurig, einsame Herzen, etwas Drama, düster und spooky… Und häufig atmosphärisch stark!

 

 

 

Jimi Hendrix – Both Sides Of The Sky
Both Sides of the Sky [Vinyl LP]

LP oder CD

Neue! Veröffentlichung aus 2018, laut Eddie Kramer (der hier mixte/co-produzierte) das vermutlich letzte Album mit unveröffentlichten Studioaufnahmen – 10 sind´s hier, bei 13 Tracks (die anderen 3 gab´s nur auf längst gestrichenen CDs, einer Single, der Lifelines-Box, der Scorsese Presents The Blues). Inklusiv nie oder seltenst gehörter Songs: $20 Fine und Woodstock (von Joni Mitchell, damals brandneu), beide aber von Stephen Stills gesungen und mit dessen Orgel (jeweils lebendiger Rock); Jungle (ein eher ruhiger Instrumental-Jam, später funky); Things I Used To Do mit Johnny Winters feinster Slide (purer Blues, der Lifelines-Track); Send My Love To Linda (fast zärtliche Ballade wird rockig), Georgia Blues (auch purer Blues, ein Highlight, gerade der Gesang vom alten Kollegen Lonnie Youngblood). Die weiteren Höhepunkte sind unbekannte Fassungen von Hear My Train A Comin´ (langes brennendes scharfes Top-Solo in schwerem Blues), Mannish Boy (viel Feuer, rhythmisch toll), Cherokee Mist (7 Min.-Jam mit Gitarre/E-Sitar-Gespräch, viel klasse heulendes Feedback, dumpfe Trommeln, filigrane/leise Parts). Power Of Soul ist ebenfalls stark (ein Wah-Wah-Fest). Plus ungehörte Versionen von Lover Man (schnell!), Stepping Stone (rasend schnell!), Sweet Angel (Instrumental). Alles 1968-1970, vorwiegend mit Billy Cox/Buddy Miles, Sound okay, offiziell. Gut, 2,3 Stücke hätte es nicht gebraucht, insgesamt aber sehr willkommen!

 

 

 

Femi Kuti – One People One World
One People One World

nur CD

Fela Kutis Sohn überrascht mich immer wieder. Schon die gleichmäßig hohe Qualität! Hier ist der Titel z.T. auch als musikalisches Programm zu verstehen. Okay, Afro Beat (und zwar besonders fetter, schon durch die vielköpfige satt tönende motivstarke Bläserphalanx) macht klar den größten Teil aus/steht oft im Zentrum. Wird manchmal aber auch ergänzt oder gar fast ersetzt durch noch älteren Highlife – oder (z.B. rhythmisch) kombiniert mit Elementen aus Salsa, Afro-Kuba, R´n´B und etwas Soul (auch wenn der Sound ein anderer ist), ein wenig Reggae und Pop, sporadisch Calypso-Spuren, Afro Funk. Wie schon zuletzt verzichtet er weitgehend auf Modernismen, setzt auf melodische Stärke (manchmal schon fast catchy!), die Songs überwiegend relativ straff/kompakt gestaltet. Zudem gesanglich immer besser (samt Backing- und Call-Response-Vocals/Chören). Das alles kommt total ansteckend, verbreitet trotz diverser kritischer sozio-politischer Texte positives Feeling. Und groovet wie Hölle, funky, rasant, rollend, fett, beweglich, quirlig polyrhythmisch wirbelnd… Eine wunderbare einfach unwiderstehliche Rhythmusmaschine, melodisch fein grundiert. Dicker Tip!

 

 

 

John Mayall – Three For The Road
Three for the Road (A 2017 Live Recording)

nur CD

Neues Album aus 2018. Er macht ja immer noch regelmäßig Studio-Alben, hier aber 1 Stunde 2017 live (in Dresden und Stuttgart). Seine gereifte Stimme wirkt nach wie vor erstaunlich souverän, gleiches gilt fürs Piano (manchmal Hammond Orgel, 1x gar Vibrafon, oder?) – unspektakulär aber gut (auch in den Soli), und musikdienlich. Im Trio in sehr kompetenter Begleitung (Greg Rzab z.B. war lange Mitstreiter von Buddy Guy, und Mitglied bei den Black Crowes) – was sich u.a. in vielen satten Grooves (nach alter Art) äußert! Der Sound speist sich oft aus den 50ern (inkl. Chicago Blues; klingt jedoch z.T. auch eher wie 60s/70s), zwischen klassischem Blues und (teils solide rockendem teils elastischem) R´n´B, mal eine kleine oder (im berühmten und ausgedehnten tanzenden Congo Square, Trademark-Song von Sonny Landreth) größere Prise New Orleans. Mit Zug wie schleppend, 1x etwas dunkel und ungemein atmosphärisch, sehr apart! 2 eigene Tracks, Covers von u.a. Eddie Taylor, Lightnin Hopkins, Henry Townsend.

 

 

 

Dan Auerbach – Waiting On A Song
Waiting on a Song

LP oder CD

Nein, mit seinen Black Keys hat das hier gar nichts zu tun. Er überrascht

mächtig, greift tief auf die frühen 70er-Pop zurück. Dennoch wirkt das alles

so selbstverständlich, unbeschwert, oft fröhlich, ist dermaßen unverschämt

melodieselig, daß jede Menge Spaß eigentlich zwangsläufig ist (wenn man

seine Erwartungshaltung abschaltet). Dabei erinnert mich vieles an die „One

Hit Wonders“ der Jahre ´69-´71, garniert mit z.B. Spuren von oder deutlicheren

Anleihen bei Country Rock, Chris Spedding, George Harrison, Sweet, Rod

Stewart, Morricone, oder auch: T. Rex meets 70s-Songwriter Pop in catchy,

Pop der Zeit vermählt sich mit Soul, 2/3 Archies mit 1/3 Byrds, Travelling

Wilburys erfinden sich neu, Motown trifft End-60er-Edel-Pop mit einem

Spritzer Psyche… Es gibt Glam-Einfluß, ansteckende Grooves, mal ein

bischen Melancholie oder easy-going Folk, und Gäste wie Duane Eddy,

Mark Knopfler, Jerry Douglas veredeln zusätzlich (neben vielen Nashville-Cracks, John Prine kompositorisch).


 

 

 

Lydia Lunch & Cypress Grove
Under the Covers

LP oder CD

Zum 3. Mal trifft in 2017 die No Wave/Post Punk/was-auch-immer-

Institution Lydia Lunch den von u.a. Nick Cave, Mark Lanegan, Jeffrey

Lee Pierce (s. auch das Pierce Session Project) bekannten Gitarristen.

Fast nur Covers (u.a. von Tom Petty, David Lowerys Cracker, Allman

Brothers, Elvis Costello, Steely Dans Do It Again, Bon Jovi, Doors, der

Klassiker Ode To Billy Joe), die aber grundsätzlich völlig/radikal verändert.

Viel Blues-Einfluß, in der unheilvoll-düsteren beinahe schwebenden

Desert-Fassung, als Led Zep goes spooky Underground, enorm zerrend,

relativ schlicht /reduziert bis wild kakophonisch, Horror-Gothic-Blues in

klasse Atmosphäre… Oder eine Art „Voodoo-Roots-Underground“ in

hoher Dringlichkeit und Intensität mit z.T. gewisser Heaviness (super!),

2 Southern Gothic-Roots-Balladen, auch mal fast harmonisch teilweise

(sowas wie Pop, freilich dunkel verschüttet/manipuliert). Die Vocals gerne

(nicht immer) diabolisch, als verqueres Drama, total kaputt bzw. direkt aus

der Hölle, seltsam flüsternd. Klasse teils abgedrehte (Slide-) Gitarren-Sounds!


 

 

 

Algiers – The Underside Of Power
The Underside of Power

LP oder CD

Das Debut hatte mich total umgehauen, dieser Nachfolger nicht

minder. Mächtiger Stoff, inhaltlich engagiert, z.T. wütend, in Musik

verpackt, wie sie niemand sonst produziert. Noch moderner, zeit-

gemäßer als zuvor, und das im denkbar besten Sinne, ohne

schwarze Wurzeln verschiedener Art zu verleugnen.

Das Ergebnis könnte man, v.a. in der 1. Hälfte, als eine Art

futuristischen (Elektro-) R´n´B (resp. Soul) bezeichnen,

stimmgewaltig, teils enorm aggressiv resp. hart, roh, fast brutal,

teils (auch massiv) dunkel bis irgendwie spooky, bedrohlich

(und zugleich immens intensiv), teils mit rasant/unerbittlich

treibendem „weltlichem“ (Electro-) Gospel verknüpft, teils End-60er

Soul-inspiriert doch soundmäßig extrem (rhythmisch dezenter)

upgedatet (und, wie andere Tracks, grandios mitreißend) –

wobei sich die moderne Note aus Grooves wie der Instrumentierung

speist (die allerdings neben Synths/Electronics auch scharfe/manipu-

lierte Gitarren, oder gar eine ebensolche Geige beinhaltet); aber es

gibt ebenfalls smoothe/zurückgenommene/verhallte (doch explizit

spannungsreiche) Momente, gar eine teilweise relativ „normale“

gefühlvolle (partiell jedoch nachtschwarze) Soul-Ballade.

Das alles ist ungeheuer aufregend, zuweilen schon monumental bzw.

ein richtiges Naturereignis… Später wird´s noch abgefahrener/greller:

Reduzierter bis kakophonischer Modern Groove-R´n´B mutiert zum

„Alien-Gospel“ (uralte Roots in hypermodern), unheimlich-spaciger

Electro-Underground (am ehesten in den experimentellen 80ern zu

verorten) folgt auf hackenden brennenden brisanten schwarzen

Highspeed-Noise-Rock/R´n´B (überwältigend!), verlorener/einsamer

Minimal-Stoff wird zum magischen repetitiven Düster-Soundtrack der

kommenden 20er, aus der (getünchten) Vorhölle entsprungener

schwebend-dräuender Sakralsound, ein großartiger Jazz-Soul-

Underground-Gospel-Mix on Acid (hinreißend!)… Fast jedes Stück

ist anders, die Grooves kommen höchst effektiv (ungemein reizvoll

und abseits gängiger Moden), Dramatik wird groß geschrieben,

die Sounds sind vielfach verfremdet/bearbeitet, sporadisch/punktuell

strahlen Backing Vocals manipuliertes Gospel-Flair aus, und manchmal

erinnert mich der Sänger an Willis Earl Beal (nicht den aktuellen).

Innovationen! Emotionen! Sensationen! Portisheads Adrian Utley war

beteiligt.


 

 

 

Youn Sun Nah – She Moves On
She Moves On

LP oder CD

2017er Neuerscheinung. Eigentlich ist sie ja  als renommierte vielfach preisgekrönte
Spitzen-Jazz-Sängerin (manche sagen, sie sei die zur Zeit weltweit beste Sängerin)
bekannt, aber das hier ist eher ein meist Jazz-beinhaltendes bis -betontes umfassendes
Roots-Album mit Einflüssen aus Soul, Folk, R´n´B, Pop (zeitlos, aber auch mal
old-fashioned Pop-Jazz), wobei sich gerne gleich mehrere Stile vereinen. Abzulesen
ist das schon an den vielen Covers (nicht die berühmten Songs), von u.a. Joni Mitchell,
Paul Simon, Hendrix (Drifter, zurückhaltend bis enorm intensiviert, großartig!), Lou Reed,
Johnny Mercer, 2 Folk-Traditionals (ein langes, A Sailor´s Life, angelehnt an die Fairport
Convention-Version, schwerelos bis herrlich feinfühlig tänzelnder Folk-Jazz, superb!).
Selten gibt´s puren Jazz (eines der wenigen eigenen Stücke, diffizil-freigeistig-fließend
mit Romantik-Touch, klasse!). Sehr hoher Balladenanteil (von schön leichtfüßig über
sachte-gefühlvoll bis ganz zart oder faszinierend dunkel – das andere Traditional,
auch ein Highlight), zwischendurch mal satt groovend/funky bzw. bodenständig tough.
Zusammengehalten von ihrer wunderbar gefühlsstarken enorm variablen Top-Stimme,
die allem ihren eigenen tragenden Stempel aufdrückt, ebenso exzellent und kongenial
einfühlsam (ohne viel solistisch glänzen zu müssen) begleitet von u.a. Jamie Saft (Tasten),
Brad Jones (Ornette, Elvis Costello, John Zorn u.v.a.), zur Hälfte der feinen
(E-/Akkustic-) Gitarre von Koryphäe Marc Ribot (keine Bläser). KLASSE!!!

 

 

 

Hayseed Dixie – Free Your Mind And Your Grass Will Follow
Free Your Mind… And Your Grass Will Follow

LP oder CD

Kompetent gespielte meist schnelle (bis extrem rasante) Covers in Bluegrass-Form mit Gitarre, Mandoline, Banjo, Fiddle (manchmal so called „Rockgrass“ oder Hillbilly-Tendenz) – diesmal ist viel Soul dran, z.B. O´Jays, Marvin Gaye, Sam Cooke (Change is gonna come - halsbrecherisch), Michael Jackson, Temptations (Ball Of Confusion, kaum vorstellbar als Bluegrass, ist auch keiner mehr, sondern kaum zu klassifizieren, eher offen rootsig, sehr stark rhythmisch akzentuiert, und erstaunlich gut!). Zudem Elvis Costello, Gov´t Mule, Bob Marley, Lynyrd Skynyrd u.a., wobei die Stücke zwar oft komplett umgekrempelt werden, gesanglich ihre Emotionalität aber ganz gern behalten (sogar die Original-Stimmlage trifft´s schon mal, s. Costello), zudem werden hier und da Einflüsse aus Soul, Rap, sogar Americana (fast pur!) eingebaut. Und ihre 3 Originale (?) experimentieren mit Pop-Elementen bzw., weit weg von Bluegrass, einer Art Folk Rock, einer klingt gar, absolut freigeistig, nach rootsigem Robert Plant! Insgesamt deutlich besser als gedacht, teils exzellent.

 

 

 

(The) Fuzztones – Gonn Primitive!
Gonn Primitive! [Vinyl LP]

nur Doppel-LP

2017er Release, nur als LP, limitiert auf 600 Stück , 150g-Vinyl im Klappcover (Artwork von Protrudi selbst). Live Mitschnitt von der 2007er Tournee, bei der der Chef der 60s-Garage Punk-Semi-Legende Gonn (von denen der Klassiker Blackout Of Gretely stammt, den die Fuzztones in den 80ern schon coverten) eine große Rolle spielte: Craig Moore, der öfters singt (und wie, ein echter Schreihals und enthusiastischer Performer/Entertainer!). Der Sound ist wie üblich (typischer 1st class-60s-Garage-Punk, voller Saft und Kraft, markante Orgel, massig Fuzz, bisweilen mächtig wild/messerscharf, mal frenetisch, jedoch auch melodischer/catchy). Die Songliste aber ist ungewöhnlich, denn neben ein paar Fuzztones-Klassikern (z.B. She´s Wicked) und 60s-Garage-Standards wie I´m Not Your Stepping Stone, Action Woman (Litter), Be A Caveman (Avengers), Pushin Too Hard (und Hey Joe!) gibt es diverse Stücke von Gonn-Singles und Outtakes (eigene und Covers, von z.B. Standells). Darunter 3, die abweichen: A la ganz frühe Stones in noch roher/“Chicago Punk Blues“, balladesk und etwas ruhiger und fast sowas wie ein extra-rauher Mix aus  Bruce Springsteen und Tom Petty! 17 Tracks in 1 Stunde.

 

 

 

Bonnie Prince Billy – Best Troubador
Best Troubador

LP oder CD

Ein Merle Haggard-Tribute, ausschließlich (16) Covers. Aber nicht werkgetreu – was möglicherweise auch nicht zu seiner Stimme gepasst hätte (so schon!). Das wird bereits bei der ungewöhnlichen Instrumentierung deutlich: Neben Gitarre (überwiegend vorzügliche akustische) ab und zu Geige, sporadisch Pedal Steel oder Banjo, v.a. aber, permanent: Sax und/oder Flöte sowie sehr schöne weibliche Harmony Vocals, die sich z.T. zur Duett-Stimme auswachsen (die irische Singer-Songwriterin Nuala Kennedy, nehme ich an)! Auch die Musik geht über reinen Country hinaus (auch wenn der klar vorherrscht, ob stilecht und traditionell dem Original ähnlich, schon mal – neuartig und locker-beschwingt aufbereitet - bis in die 50er reichend, oder eher im Alt./Songwriter-Country-Fahrwasser), hier eine Einbeziehung von Tex Mex/einem Hauch Jimmy Buffett, dort eher Country Pop in ganz old-fashioned (z.B. gewissen Willie Nelson-Songs verwandt), (mehrfach) mehr Folk als Country, einmal gar sowas wie Country-Soul-Jazz mit einer Prise Grateful Dead! Die vorherrschenden (nicht ausschließlichen) Gangarten: Tastend, wunderbar einfühlsam, extrem delikat, souverän filigran, verweht und ganz leise, zerbrechlich und fast verschwindend, in sich versunken, oder zumindest relativ relaxt, sehr lose, in aller Ruhe erdverbunden. Überwiegend balladesk, klar. Persönliche Lieblingssongs, keine Greatest Hits-Auswahl, inkl. einer Reihe späterer Stücke. Beteiligte u.a., viele begleiteten ihn schon früher: Van Campbell (Black Diamond Heavies), Matt Sweeney (Johnny Cash, Cat Power, Tinariwen), Drew Miller, Cheyenne Mize, Chris Rodahoffer; Emmett Kelly (Cairo Gang-Leader), A.J. Roach. Ein sehr schönes Album!

 

 

 

Otis Taylor – Fantasizing About Being Black
Fantasizing About Being Black

LP oder CD

Der Mann ist einfach ein Phänomen, immer wieder aufs Neue, unvergleichlich (zumal im Blues-Genre). Und obwohl seine Art zu komponieren sich gleicht, kommt immer wieder Anderes, Neues heraus. Dieses Mal in weitgehend ziemlich reduzierter sowie leicht überwiegend akustischer Form, wie gewohnt alles andere als puristischer Blues, die Stil-Kombinationen reichen von R´n´B + Jazz (mächtig ansteckender Groove!), Blues oder R´n´B + Jazz + Folk (ganz dezent tanzend oder etwas atemlos mit Flamenco-Spuren), Country + Folk, Blues + Rock (fast heavy, unerbittlich treibend), R´n´B + Folk (minimalistisch) bis zu stark ummodulierten aber relativ genretreuen R´n´B/Blues-Stücken (gnadenlos aber höchst sparsam abziehend). Gemeinsames Merkmal, fast immer: Ein hohes Tempo. 2 Ausnahmen: Ein für seine Verhältnisse recht „konventioneller“/purer 50s-Chicago Blues-naher schleppend-rockender Track, ein (entgegen dem Text) völlig friedlicher in sich ruhender Folk-Blues-Mix (gleichfalls langsam). Das Personal ist großteils altbekannt, die stoisch-straighten Rhythmen von Larry Thompson und Todd Edmunds, das Kornett von Ron Miles (nur 3x dabei, angejazzt aber auch R´n´B- Einfluß, losgelöst, sehr melodisch oder rhythmisch erdend), ab und zu ergänzen die Geige von Anne Harris und (neu dabei) eine 2. Gitarre (Brandon Niederauer), seine eigene Gitarre kommt akustisch (v.a. rhythmisch oder kommentierend) wie elektrisch (quirlig, cremig, unerbittlich riffend, zurückhaltend bis dezent singend, 1x gar Fuzz) – und 2x gastiert Jerry Douglas! An einer sehr schön filigran verzierenden Koa Wood Lap Guitar (Slide). Großartiger „Trance Blues“ (oder so) mit bekannt repetitiver Neigung, wie immer: Eine dicke Empfehlung!

 

 

 

Yasmine Hamdan – Al Jamilat
Al Jamilat

LP oder CD

2017er Platte der Indie-Pionierin aus dem Libanon, schon 20 Jahre im Geschäft, lebt aber in Paris. Hat u.a. mit Coco Rosie gearbeitet, bei dieser 2. Solo-LP waren u.a. Sonic Youths Steve Shelley, Leo Abrahams (viel Brian Eno, Sam Lee, Paul Simon u.v.a.), Shazad Ismaily (Lou Reed, Laurie Anderson) beteiligt. Ungeheuer delikate Musik, tolle Atmosphären, enorme Eigenständigkeit, Originalität (wirklich! Kein Spruch!). Sie lässt, in wechselnder Kombination und Schwerpunktsetzung, Electronica, zeitgenössischen Art-Pop, Songwriter-Folk-Pop, ein wenig Trip Hop und Indie- Club-Pop, (dezente wie etwas stärkere, auch ganz langsame) westliche Beats +Grooves kongenial ineinanderfließen, in der 2 Hälfte, in außerordentlich reizvoller Weise, immer wieder zudem orientalische/arabische (bis nordwestafrikanische) Einflüsse – in Rhythmik, Melodik und Instrumentierung (= eine Art „Arab- Pop“). Verfremdete Klänge, Loops, Samples treffen auf kleines Streicherensemble, E- und Akustik-Gitarre, Oud etc., Keyboards, ergeben einen eigentlich unspektakulären aber mehrfach wundervollen Sound, rhythmisch betonte Phasen wechseln mit relaxten, herrlich lose und ungebunden im Raum schwebenden, vielschichtige Arrangements mit ganz einfachen, experimentelle oder ein bischen halluzinogene Parts mit hypnotischen Trance- Grooves. Das Ergebnis wirkt zugleich zeitgemäß wie zeitlos, mehrfach unglaublich faszinierend! Einmal dachte ich sogar irgendwie an Robert Plant´s (Led Zeppelin) Nordafrika-Exkursionen (in moderner). Eine dicke Empfehlung!

 

 

 

Alison Krauss – Windy City
Windy City

LP oder CD

Die neue 2017er LP / CD ist tatsächlich ihre erste Solo-LP nur unter ihrem Namen seit 18 Jahren. Von Veteran Buddy Cannon produziert, bezeichnenderweise. Ihr Gesang steht hier über allem, classic, ein Gedicht! Das stilistische Umfeld ist da schon fast völlig egal – es ist angesiedelt in den 50ern und 60ern (ein wenig 70s); subtiler relaxt fließender in sich ruhender Country (1x mit Ähnlichkeiten zu Emmylou in den 70s), betörende Balladen in alter/zeitloser American Songbook meets Country Pop-Tradition (von der Stimme erleuchtet), schmelzende 60er-Classic Country-Balladen a la Loretta Lynn & Co (oder das Ganze up-tempo), feinster Trad-Country im Stil der 60er (gemäßigt knackig), ein behutsames und fast swingendes Roots-Stück voller melodischer Grandezza, auch mal Folk, Country, Pop und Gospel vereint in einer ganz zartfühlenden berührenden Ballade. Dazu passen die Songs, Klassiker/alte aus derselben Zeit (auch Bluegrass-Ursprungs) von meist großer zeitübergreifender Klasse, u.a. von/für/verbunden mit Willie Nelson, Osborne Brothers (mehrfach), Brenda Lee (2x), Ray Charles, John Hartford/Glen Campbell. Sidemen: Vom Edelsten, von Union Station-Leuten bis zu altgedienten Country-(Rock-)Legenden, E-wie Ak.Gitarre, Pedal Steel, Piano, Streicher. Für manchen vielleicht zu nostalgisch, aber wie! Ich find´s klasse, schon wegen dieser wundervollen Stimme!

 

 

 

Atomic Rooster – Live In London 1972
Live In London 27th July 1972

nur CD

2016er Veröffentlichung, Sound überraschend gut und kräftig, in Mono, live 27.7.1972 London Paris Theatre (BBC in concert), Vocals: Der neu hinzugekommene (auffällige!) Chris Farlowe. 6 Stücke zwischen 4 und 7 Min., u.a. Breakthrough, Stand By Me, Devil´s Answer (einer der 2 längsten Tracks mit 2 kurzen Orgel-Soli über Powerhouse-Backing und inkl. Farlowe-typischer Scat-Einlage). Klassischer und kraftvoller Prog-Rock der Zeit, gern R´n´B-unterlegt, manchmal schon recht hart, 2x auch ziemlich wenig Prog-Anteil (bodenständig), A Spoonful of Bromide mit kurzen Flashes von Colosseum und ELP.

 

 

 

Charlie Haden Liberation Music Orchestra – Time/Life
Time / Life

nur CD

Neu aus 2016, 2x live (20 Min. 2011 in Belgien) noch mit Haden, 3x im Studio (34 Min.) ohne ihn, von Carla Bley arrangiert. Wohl lose basierend auf Ideen von ihm für ein neues Album (für das die Live-Stücke in Frage gekommen wären), posthum umgesetzt mit u.a. 8 Bläsern. 4 Tracks (3 von Bley + Blue In Green von Miles Davis) kommen in getragener/balladesker in Klang gegossener Schönheit voller melodischer Anmut und Klasse, mal ziemlich klassisch und gediegen, mal mit Verdichtungen samt gewisser dramatischer Zuspitzungen, mal ein wenig spannungsvoll/erwartungsvoll dräuend auf faszinierende fast hypnotisierende Art (im letzten Drittel Post Bop-artig beschleunigt), oder tief drinnen mit irgendwie folkiger Note (melodisch und musikalisch einfach hinreißend!). Grandioser Höhepunkt aber ist Hadens Song For The Whales (mit seiner Beteiligung). Allein die 3 Minuten zu Anfang und Ende, in denen sein gestrichener Bass Wal-Stimmen imitiert – so berührend, fabelhaft! Auch hier ist die pure (Ensemble-) Schönheit der Musik teilweise atemberaubend, aber in partiell dichterem/freierem Setting, inkl. grandiosem teils recht freiem Sax-Solo (Tony Malaby) über dicht gewobenen toll multiplen/parallelen Rhythmen (und phasenweise der Bläserphalanx), superb arrangiert. Dicke Empfehlung!

 

 

 

BaBa ZuLa – XX
XX [Explicit]

2LP oder 2CD

Karriereüberblick der Band aus Istanbul (die schon fast einen gewissen Kultstatus erreicht hat, bekannt geworden durch ein Feature in Fatih Akins The Sound Of Istanbul-Film), kein normaler Best of-Sampler, da hier unveröffentlichte Remixe, Remakes, Live-Tracks, auch 3 Kollaborationen verwendet wurden. Gäste sind u.a. Alex Hacke (Einstürzende Neubauten), Sly & Robbie. Definitiv: Anders als die anderen! East meets West mit einer großen Portion Psychedelia und viel Originalität. Das Ergebnis ist vielfältig, z.B. rauher kraftvoller Acid-Turk-Rock z.T. in Jam-Atmosphäre und Orient-Groove (10 Min. lang, klasse!), oder Letzteres in zwingend meets Psyche & Space mit Sogwirkung, dezent psychedelisch gefärbter Ethno-Dub, hypnotischer akust. sanft-filigraner Orient/Eastern-Psyche-Folk eigener Art (atmosphärisch stark!), Tribal/Ethno-Groove mit einem Hauch Jazz, ein kurzes funky Psyche Rock-Intermezzo, 2 Reggae-Stücke unter Dub- und Orient-Einfluß mit Klarinette und z.T. einem Hauch Psyche, wunderbare weiche spacy effektreiche Psychedelia mit leicht fremdartiger bzw. türkischer Note (auch hier fehlt die charakteristische türkisch/orientalisch geprägte Groove-Unterlegung nicht), eine Art Orient-Space, schließlich ein 19-minütiger hypnotischer Acid-Tribal-Psyche-(Eastern-)Groove-Jam mit ein paar Dubeffekten. Eine der Kollaborationen fällt aus dem Rahmen, melancholisch-romantischer Modern (Eastern) Dream Pop. All das wird mit E- (+ ein bischen akust.) Gitarre, elektr. und akust. Saz (resp. E-Oud), teils auch Synth/sparsamen aber wirkungsvollen Effekten, Orgel oder Theremin angerichtet, weiblichen wie männlichen Vocals, mehr Percussion als Drums. Das Material stammt von 1997-2016 und enthält auf 74 Minuten reichlich Höhepunkte! Was auch auf die Dub-CD (63 Min.) zutrifft, v.a. diverse ausgesprochen dunkle (bis fast spooky) und abenteuerliche Extrem/Psychedelic Dub-Stücke sind (selbst für das Genre) so ungewöhnlich wie großartig! Lichter Space Dub, Tribal Dub, zwingend groovender oder minimalistischer (Erotik-) Electro Dub kommen hinzu, experimenteller perkussiver, „klassischer“ Dub am ehesten noch in einem der 4 von Mad Professor verantworteten Tracks (je einer von Dirt Music, Dr. Das/Asian Dub Foundation). Der türkische Anteil ist hier jeweils deutlich verringert (oder gar eliminiert), es gibt aber auch ein paar (großteils akust. oder „nackte“) Ethno-Dub-Tracks. Ein auch ohne die Glitterbeat-Brille tolles Set! Angemessen aufgemacht im sehr schönen bunten Mehrfach-Klappdigipak, ebensolches bilderreiches 32-S.-Booklet, Vinyl mit 8-S.-Groß-Booklet und der Dub-CD.

 

 

 

Flaming Lips – Oczy Mlody
Oczy Mlody

LP oder CD

Endlich wieder ein „reguläres“ Werk – wie fast zu erwarten, ein recht überraschendes. Im Vordergrund steht sowas wie außerweltlicher teils hallreicher (die Vocals v.a.) mild (und z.T. irgendwie neuartig wirkend) psychedelischer dezent (oder stark) elektronisch aufgeladener/dunkel schillernder mehrfach in melodischer (und manchmal auch instrumentaler, grandios glitzernder) Schönheit erstrahlender, hmm, „Modern Futuristic Dream Pop“? In vielfältiger Ausführung. Daneben kommt´s mir ein paar Mal vor wie massiv aktualisierte Residents, freilich in der Avantgarde-Electro-POP-Version, reduziert wie volltönend, gern in reichlich düster. Zwischendurch tuckernder zeitgenössischer Electronic Pop mit hypermoderner psychedelischer wie experimenteller Note (gleichzeitig aber auch so toller wie seltsamer Melodie), oder minimalistische outer space-Psychedelia der zukünftigen un-er/gehörten Art. Über all das verstreut kann ich mir hier und da trotz der ganz und gar heutigen Oberfläche (viel Keyboards) durchaus einen Einfluß End-60er Psychedelic-Elektroniker vorstellen, sie selbst redeten von Syd Barrett, außerdem kommen schon mal Assoziationen zu Radiohead auf, gar Trip Hop-Grooves, Kraut-Elemente – und wenig Rock. Phasenweise hat das eine ganz schöne Faszinationskraft! Call it Future Pop. Vinyl hat 1 Track weniger.

 

 

 

Tinariwen – Elwan
Elwan

2LP oder CD

2017er der gloriosen Tuareg-Band, 8. LP, und eine ihrer besten! Keine Neuerfindung ihrer typischen Desert-Musik im Sahara-Groove, die Basis ist immer dieselbe, aber es gibt Unterschiede in Nuancen, und die Mischung der Stimmungen/Atmosphären ist perfekt. Satte und kraftvolle Stücke im schnellen polyrhythmischen Flow (aber auch langsamerer Gangart), die E-Gitarren z.T. wunderbar sonor und rund im Sound. Noch handfestere/kantigere leicht rockig wirkende Sachen (was am Bass und der Rhythmik liegt), teils dezent angestochen, mit beinahe fuzzigen oder (ungewöhnlich für sie!) stakkatohaften Gitarren. Im relaxten Fluß mit poetischer Ader, etwas in sich gekehrt und teilakustisch (generell unterstützt nur selten eine Akustische die obligatorischen E-Gitarren). Mehrfach und ganz wunderbar begeistern fast meditative dunkel-melancholische (balladeske) Songs (schon mal ganz nackt nur mit Gitarre und von Ferne Blueseinfluß) sowie ähnlich gelagerte Trance-artige, suggestiv und inkl. psychedelischer Momente (allein der längste herrlich weiche/organische Track! Großartig! Ist das Mark Lanegan, der hier kurz singt? Er gastiert neben War On Drugs´ Kurt Vile und Matt Sweeny). Es gibt eine ganze Reihe toller Highlights, insgesamt ein für mich unverzichtbares Werk! Aufgenommen im Joshua Tree-Park sowie in Marokko, schließt an das letzte Studioalbum und die Live-LP kürzlich an.

 

 

 

Mick Taylor – Stranger In This Town
Stranger in This Town

nur CD

16er limitierter Reissue der (langen) 2. Solo-LP (1992) des ex-Stones-Gitarristen, live. Etwas Southern-angehauchter bzw. geradliniger zeitloser jeweils klar traditionsbewußter Blues Rock (mal dezent heavy und entfernt entsprechenden Allman Brothers verwandt, mal im Stil archetypischen rockenden Brit Blues alter Zeiten). Stark an den 50ern orientierter Blues (die alten Klassiker Little Red Rooster und das auch von Sticky Fingers bekannte You Gotta Move, beide mit herrlicher Slide). Als weiterer Stones-Rückgriff eine fleischige/saftige satte Fassung von Jumpin´ Jack Flash. Tanzender/groovender R´n´B (ein Hauch Santana!). Und das tolle Medley Red House (Hendrix)/Goin´ Down Slow, klassischer Slow Blues mit wunderbarer gefühlvoller Gitarre. Durchweg längere Stücke mit ebensolchen glänzenden Soli.

 

 

 

Lee Hazlewood – Cowboy In Sweden
Cowboy in Sweden

CD oder LP

2016er Reissue der ´70er LP auf Light In The Attic, gewohnt vorbildlich remastered von den Mastertapes, 24-S.Booklet mit raren schönen Fotos, ausführlichen Linernotes, LP im Deluxe-Klappcover. Diente als Soundtrack für den gleichnamigen Film, für manche Fans sein bestes Album. Beteiligte u.a.: James Burton, Hal Blaine, Nicky Hopkins, Big Jim Sullivan, Shel Talmy (Producer), Craig Doerge, 3 Tracks wurden schon 1968/69 aufgenommen und auf früheren LPs veröffentlicht. Teils ein Mix aus Country- und Pop-Einflüssen, melodisch so simpel wie effektiv (wobei der Country-Anteil sich z.T. auf das Songwriting beschränkt, im Sound nur sehr begrenzt zu hören ist, oder sich in eine Art feingeistigen/sachten Folk Pop verwandelt). Diverse andere Tracks klingen nach old-fashioned/Classic Pop, aus der Zeit gefallen, durchaus schon mal mit Bacharach-Ähnlichkeiten, manchmal unterschwellig irgendwie (soft-)psychedelisch angehaucht – z.B. durch Produktion oder die oft präsenten aber partiell unkonventionell arrangierten Streicher (oder auch Flöte). 3x im Duett mit Nina Lizell, 1x singt Suzi Jane Hokom solo. Mit Vorliebe total relaxt oder balladesk, etwas Hall/Echo, punktuelle Assoziationen: Früher (Solo-) Scott Walker, Leonard Cohen, ein Hauch Barock Pop. Sehr fein!

 

 

 

Conor Oberst – Ruminations
Ruminations

CD oder LP 

Das neue Album gefällt mir besser als die meisten seiner diversen Sachen der letzten Jahre, inkl. Bright Eyes. Und ist gänzlich anders – ein wirkliches Solo-Album. Nur Akustikgitarre oder Piano, plus Harmonica, jeweils rein begleitend (oder kommentierend). Seine Stimme ist manchmal eine Winzigkeit vibrierend/gebrochen (was den Reiz und die Emotionalität noch erhöht), die Texte z.T. ungewöhnlich persönlich (passend zur intimen Ausstrahlung), die Songs wirken „einfach“ (wie die Begleitung), auf die „gute alte Art“, sind Folk-angelehnt, qualitativ fast durchweg richtig gut bis ganz exquisit (Tachycardia! Counting Sheep! Rain Follows The Plow! Next Of Kin! Till St. Dymphna!), tief berührend. Manchmal (nicht nur wegen der Harmonica) dachte ich unwillkürlich gar an (früheren) Dylan. Großteils balladesk, ab und zu melancholisch, mal etwas Drama, nur A Little Uncanny, der einzige politisch beeinflußte Song, klingt überraschend aufgekratzt, samt einem Hauch Blues.

 

 

 

Tim Buckley – Lady Give Me Your Key
Lady, Give Me Your Key: The Unissued 1967 Solo Acoustic Sessions

CD oder LP 

2016er auf Future Days Rec./Light In The Attic, komplett unveröffentlicht, remastered von den Originalbändern (bzw. einem Acetat), reizvolles Booklet mit Tiefen-Interviews mit seinem Texter/Freund Larry Beckett und Producer Jerry Yester. Dies sind 13 Solo-Akustik-Demos von 1967 für seine 2. LP Goodbye And Hello, von denen 6 Songs (üppiger instrumentiert mit z.T. anderem Charakter) auf der LP erschienen, 5 bis heute nie (einer ist auf der superben Folklore Center-LP (live 1967) enthalten, einer wurde später für eine 7“ aufgenommen, die nicht rauskam, beide 2009 erschienen). An die posthume ´67er Live-LP erinnert denn auch einiges, z.B. das kongenial begleitende die Stücke perfekt unterstützende gern rhythmisch starke/betonte Gitarrenspiel (6- und 12-string?), die ganze Art eines künstlerischen Folk inkl. Pop-Einfluß mit Anspruch. Der schon zu dieser Zeit grandiose und variable, ungeheuer ausdrucksstarke Gesang sowieso, enorm gefühlvoll oder extrovertiert, teils bis in höchste Höhen, der Charakteristik der Tracks (von lyrisch-sanft/poetisch bis sehr rhythmisch und kraftvoll) angepaßt. Die Klasse der nicht auf der LP gelandeten Songs ist teilweise genauso hoch (Sixface! Once upon A Time! I Can´t Leave You..!), manche sind relativ kurz, wohl noch nicht ganz ausgearbeitet, der Sound hat Demo-Qualität (okay für die Zeit), sehr direkt/kein Hall, keinerlei Effekte, ein leises nicht störendes Rauschen (4,5 mal ein deutlich stärkeres bzw. gewisse Störgeräusche – vom Acetat?). Dicke Empfehlung!

 

 

 

Monster Magnet – Cobras And Fire (The Mastermind Redux)
Cobras And Fire (The Mastermind Redux)

CD oder LP 

8 Stücke der Mastermind-LP in 2015 neu eingespielt, manchmal viel besser! Oft deutlich bis extrem anders, der Charakter teilweise völlig verändert, v.a. in Richtung Psychedelia, bis in halluzinogene Bereiche, fast im Cinemascope-Format, gleichzeitig klar weniger derb/hart/dreckig als die Originale (ohne auf handfeste Parts/Tracks zu verzichten), phasenweise ruhig, beinahe feinfühlig, leise, Stoner-Elemente oder Vocals schon mal ganz eliminiert, Orgel neu hinzugefügt, gar die Texte verändert. Hinzu kommt ein aus mehreren Stücken gebastelter langer feiner Remix, die pure Space-Psychedelia. Und ein Cover des Temptations-Hits Ball Of Confusion, als straighter treibender Hard Rock mit Heavy Psyche-Anleihen. 64 Min., gelungen!

 

 

 

Bohren Und Der Club Of Gore – Bohren For Beginners
Bohren for Beginners (2cd)

nur Doppel-CD

Eine „Best Of“ von dieser immer noch absolut einzigartigen Band zu kompilieren, ist eigentlich kaum möglich, aber dieser ellenlange Sampler (von allen LPs/1994-2014, teils neu gemixt, inkl. der raren „Single“ Mitleid Lady + einem neuen Stück) ist sehr gelungen, enthält tatsächlich viele ihrer reizvollsten/besten Stücke. Ihr luftiger/schwebender/meditativer/teils extrem minimalistischer/tropfender/ab und zu erhabener bis fast majestätischer, v.a. aber ausnahmslos langsamer (selten) bis ultra-langsamer (meist) Sound (bis hin beinahe zum Stillstand), manchmal melancholisch, oft dunkel, hat bis heute keinen ernst zu nehmenden Nachahmer gefunden. Früher gern als „Ambient Jazz“, „Doom Jazz“ oder „Horror Jazz“ tituliert (und sporadisch wirklich von Ferne z.B. an die ruhigsten Sachen eines Miles Davis um 1960 rum erinnernd, in der Zeitlupen-Lounge-Version), ist hier nachzuhören, daß der Jazzeinfluß zunehmend minimiert wurde (z.T. verschwand) – am Wirkungsvollsten im großartigen Geister/Düster-„Pop“ von Catch My Heart mit Sänger Mike Patton. Musik von ungeheurer Faszinationskraft mit hypnotischen Qualitäten, die Trance-Zustände verursachen kann und zugleich (von Tasten, Vibrafon, v.a. Sax getragene) aparte Melodien bereithält. Für alle, die sie nicht kennen, eine dicke preisgünstige Empfehlung!

 

 

 

Vibravoid – Wake Up Before You Die
Wake Up Before You Die

CD oder LP 

Neues Material, klassische Vibravoid: Wunderschöne halluzinogene songhafte Trip-Psychedelia reinsten Wassers zum Versinken (klasse: Shadows of Reflections), effektüberwucherter (eh ein Markenzeichen hier) schwerer hypnotischer Space Psyche, repetitiver Acid Psyche, Hawkwind in psychedelischer/abgedrehter, Psychedelic Raga Space Rock, ein ziemlich singulärer Mix aus Ultra-Psychedelia, handfestem Garage-Riff Rock der 60er (Nuggets-style) und Space und ein feines quietschbuntes Hippie-Eastern-Psyche-Pop-Cover von Traffics Hole In My Shoe mit Gastsängerin Viola Road (weitere Covers: Stepping Stone/Monkees und Just Let Go/Seeds). Neben den Trademark-Effektgitarren ein breites Tastenrepertoire, Orgel, Keyboards, Synth, Mellotron, Stylophone. Songorientiert (nur 1 Track über 5 Min.). CD mit 4 Live-Bonustracks (Mai 2016 in Emden), alle mit Orgel, großteils geradliniger Psyche Rock, der 25-minütige Live-Klassiker Ballspeaker zur Hälfte purer Space Psyche mit Anleihen bei 60er Pink Floyd-Impro-Trips, kurz ähnlich dem Nektar-Debut.

 

 

 

Yoko Ono – Plastic Ono Band
Plastic Ono Band

CD oder LP

2016er Reissue, remastered, seit Ewigkeiten wieder als Vinyl erhältlich. 1970 parallel zur gleichnamigen John Lennon-LP erschienen, mit Lennon (Guitar), Klaus Voormann, Ringo Starr. Waren ihre ersten 3 LPs mit John noch nahezu unhörbar, ist das hier zwar heftiger bis schwerer (schon durch die häufig aggressive lautmalerische Vocal-Tour De Force) oft sehr ungewöhnlicher aber Rock-basierter Stoff, manchmal ganz schön faszinierend – und nahm wohl Einfluß auf z.B. Diamanda Galas, Sonic Youth, New Yorker No Wave. An Letzteres erinnert v.a. der straighte treibende bis mächtig zerrende messerscharfe Rocker Why mit grellen noisigen/Splitter-Gitarren (z.T. toll angebluest) – für damals unerhört! Und heute noch frisch (und gut!). Sonst: Mehr davon in avantgardistischer. Fast wie experimenteller stoischer Kraut Rock. Minimalistischer Avant-Fake-Blues. Kammer-(Jazz-)Avantgarde (mit Ornette Coleman Quartet im Backing!). Schamanischer dunkler Voodoo-Psyche-Proto-Post Punk. Immer wieder verblüffend: Lennons wilde/grelle/schleifende Gitarre! 4 (CD-) Bonustracks, teils noch länger als die LP-Stücke, u.a. eine extended version von Why und Alternativfassung von Open Your Box (war B-Seite von Power To The People).

 

 

 

Popa Chubby – The Catfish
The Catfish

nur CD

2016er des New Yorkers Blues Rock Mannes. Ein Album von großer Vielfalt, in aller Souveränität und Kompetenz: Reiner fleischiger Modern Blues Rock (u.a. ein Wah-Wah-Fest), etwas härterer/kantiger funky R´n´B in Rock, straighter Rock´n´Roll, emotional packender Slow Blues, ein paar Instrumentals (jazzy, laid back und filigran, eine Umdeutung von Bye Bye Love der Everly Brothers mit R´n´B- und Reggae-Spuren…), schon fast purer Funk wie Anfang der 70er gekreuzt mit singendem Southern Rock derselben Zeit, Proto-Rock´n´Roll upgedated im Blues Rock-Terrain, der Titeltrack hätte auf Sticky Fingers gepaßt, zum Schluß ein Robert Johnson-Cover als klassischer/tief traditioneller akust. Blues mit feiner Slide, und Slow Down Sugar klingt zeitgenössischer als sonst, ein spannendes fließendes originäres Highlight ganz eigener Art!

 

 

 

Blues Pills – Lady In Gold
Lady In Gold [Vinyl LP]

CD oder CD/DVD oder LP (auch Gold-LP)

 Sie sorgen weiter für Furore, definitiv mehr 70s-Classic Rock-angelehnt als Blues Rock – natürlich ohne auf bluesige Unterfütterung zu verzichten, einige Songs kommen direkt im Fahrwasser eines mächtig rockenden R´n´B. Gern bereichert eine soulige Note, v.a. durch die nach wie vor unerhört starke, emotionale, extrovertierte Stimme von Sängerin Elin Larsson (sie ist ja nach eigenen Worten von Aretha Franklin, Etta James & Co beeinflußt), aber auch musikalisch geht´s schon mal in Richtung Muscle Shoals (in einer der wenigen balladesken Phasen). Mal differenzierter Stoff (atmosphärisch und energetisch zugleich), mal gnadenlos abziehend, mal dräuend und förmlich in die Musik einsaugend in sich langsam aber stetig steigernder Dramatik, eine fast durchweg hohe Dichte und Intensität! Hier und da begeistern zudem klasse Gitarrensounds (inkl. dezent psychedelisch wirkender Momente), eine Orgel unterstützt (z.T. markant). Die ruhigen Parts sind gegenüber dem Debut deutlich verringert, Highspeed aber auch, es klingt geschliffener und songdienlicher, Vergleiche mit Free, Led Zeppelin oder Fleetwood Mac fand ich damals schon daneben, jetzt erst recht, u.a. dachte ich kurz an Atlantis in härter/rockiger (oder Janis Joplin).


 

 

 

John Zorn – The Hermetic Organ-St Bart´s/Vol.4
The Hermetic Organ, Vol. 4

nur CD 

2016er. Etwas ganz Außergewöhnliches, sehr Besonderes! 2 ellenlange Stücke solo auf einer gewaltigen Spitzen-Kirchenorgel in New York (dort die größte). Sporadisch werden Kirchenglocken hinzugefügt. Track 1: Monumentale dramatische (rhythmuslose) Crescendi, leises etwas unheimliches wie dröhnendes düsteres Dräuen, ein zartes Säuseln, mächtige Fanfarenstöße, getragene Erhabenheit. Viel Kontrast! Weitgehender (nicht totaler) Verzicht auf Rhythmik, häufig auch auf Melodie, doch welch Sounds! Track 2: Wenige rhythmische doch etwas mehr melodische Elemente, der Klang ist auch hier zentral (und oft kolossal). Aufwühlende Klangtürme, noch mehr Dramatik als im 1. Stück, unheilvolle körperlich packende Aufwallungen, getragene dunkle spannungsvolle Filmmusik-artige Parts, ein grelles Gleißen, ein leises subtiles Klangmalen, langgezogene majestätische Drones, grollendes Meditieren… Musik in Avantgarde-Nähe von phasenweise faszinierender hypnotischer Kraft, für Liebhaber berauschender Kirchenorgeln (hier: V.a. tiefer Töne), die nicht nur Klassik hören wollen, ein Fest! Das kann ich nicht immer hören, aber in der richtigen Stimmung ist es überwältigend, lässt Zeit und Raum vergessen. Dicker Spezial- Tipp!

 

 

 

Van Der Graaf Generator – Do Not Disturb
Do Not Disturb

CD oder LP

13. Studio-LP, nach wie vor im Trio (Hammill/Evans/Banton). Ein über weite Strecken (sehr) gutes, aber nicht überragendes Album (also, gemessen an Genrekollegen heute, exzellent!) – wobei die ersten beiden tollen Songs (Aloft/Alfa Berlina), jeweils auffallend melodisch, und großteils auch Almost The Words herausragen, das leise geradezu andächtig im Raum schwebende Go (ohne Drums) mag ich ebenfalls sehr. Die meisten Stücke bewegen sich im Bereich 7/8 Minuten, + 2 etwas kürzere (darunter eins von 2 schwächeren), ein 2-minütiges Kammer-Avant-Instrumental ist überflüssig. Gitarren besitzen recht oft einen ziemlich hohen Stellenwert (3x fehlen sie, das Info vermeldet seltsamerweise „weitgehenden Verzicht“), die Orgel (ab und zu Keyboards) ist deutlich dominanter als Piano, manchmal ergänzt ein Akkordeon (!), Hammills Stimme ist top wie eh und je (und verzichtet auf exaltierte Phasen). Stilistisch fällt mir der überraschend häufige Rückgriff auf ihre glorreiche Zeit der 70er auf, z.B. (punktuell, kaum ganze Stücke) in Richtung Still Life oder Godbluff, kurz auch World Record und Vital bzw. Nadir´s…, auf Tracks wie W, Pioneers Over C oder gar Man Erg! Das Spektrum reicht von handfest-komplexem bis herrlich vertracktem Prog Rock (mal rhythmisch gut tricky), sanften/fast schwerelosen Passagen, ruhiger wunderschöner (balladesker) Poesie, filigranen feinen Avantgarde-Spritzern, abwechslungs/kontrastreichem Spiel bis zu geradlinigem (von straightem nur sehr dezent progigem Rock bis zu aggressivem „Neo-New Wave-Prog“) und gar einer Gitarren-Prog-Jazz-Sequenz (ein Hauch spätere King Crimson). Booklet mit Texten, Vinyl 180g minus 2 (nicht essentiellen!) Tracks.

 

 

 

Popa Chubby – The Catfish
The Catfish

nur CD 

2016er Werk des New Yorker Musikers. Ein Album von großer Vielfalt, in aller Souveränität und Kompetenz: Reiner fleischiger Modern Blues Rock (u.a. ein Wah-Wah-Fest), etwas härterer/kantiger funky R´n´B in Rock, straighter Rpck´n´Roll, emotional packender Slow Blues, ein paar Instrumentals (jazzy, laid back und filigran, eine Umdeutung von Bye Bye Love der Everly Brothers mit R´n´B- und Reggae-Spuren…), schon fast purer Funk wie Anfang der 70er gekreuzt mit singendem Southern Rock derselben Zeit, Proto-Rock´n´Roll upgedated im Blues Rock-Terrain, der Titeltrack hätte auf Sticky Fingers gepasst, zum Schluß ein Robert Johnson-Cover als klassischer/tief traditioneller Akustik Blues mit feiner Slide, und Slow Down Sugar klingt zeitgenössischer als sonst, ein spannendes fließendes originäres Highlight ganz eigener Art!

 

 

 

Jeff Beck – Loud Hailer
Produkt-Information

CD oder LP

Ein neues Album Von Jeff Beck nach 6 Jahren Studiopause. So einige LPs von ihm finde ich schwach, dieses nicht!!! Erstaunlich viele überraschende Ideen! Und Mut! Zunächst alle Gitarren auf Attacke, teils herrlich wild, unfaßbar roh und schneidend, radikal fräsend und klirrend und splitternd, mehrfach Hendrix-Einfluß, verpackt in schweren Blues Rock bzw. R´n´B meets rockenden Blues – aber mit reichlich Kanten und v.a. knallenden Grooves (auch ganz langsamen), die einen so nicht erwarteten Schuß Moderne hinzufügen – und das paßt! Später wird´s ein paar Mal einfach schön/völlig unprätentiös balladesk, kongenial gefühlvoll und atmosphärisch, auch mal zwischen leiser filigraner und Power-Ballade/nicht ohne Schärfe, bluesig oder (60s-) Soul-Anleihen, die Gitarre teils wunderbar einfühlsam, filigran bis zart. Gegen Schluß zieht er auf zeitlose Art mächtig funky ab. Die Vocals von Rosie Bones, oft rauh, kraftvoll, offensiv, sind gleichberechtigt und tragen zur Güte bei. Eine explizit positive Überraschung!

 

 

 

Albert Castiglia – Big Dog
Produkt-Information

nur CD

War 2014 mit dem „Blues Caravan“ unterwegs  (auch in Kassel im Theaterstübchen). Blues Rock bzw. Blues mit Traditionsbewußtsein, hart rockend gespielt (manchmal old-fashioned groovend), 2x eher rockiger R´n´B (Proto-Rock´n´Roll-Tendenz oder leicht funky), die Stimme rau und kräftig, Gitarren spielfreudig, zuweilen frenetisch, immer wieder erfrischend scharf (das tolle Get Your Ass mit geiler Slide), zerrend/verzerrt doch bodenständig ohne ausgiebige Pyrotechnics. Von muskulös, ziemlich spritzig und schneidend bis schleppend, satt und kraftvoll, mal etwas ruhiger/relaxter. Bei einem klassischen Chicago Blues (Song von einer Junior Wells-LP, mit dem Castiglia lange spielte) unterstützt Johnny Sansones klasse durchdringende Harmonica, ansonsten Mike Zitos 2. Gitarre, der zudem kongenial produzierte, 1 Stück schrieb, wie auch Cyril Neville (co-, Ballade mit sozialer Tiefe). Das alles wirkt jederzeit echt und authentisch!

 

 

 

Lightnin´ Slim – Rooster Blues
Produkt-Information

nur CD

2016er Reissue, das wahrhaft legendäre Debut (damals auf Excello), ein echter Klassiker (seine beste LP). Eine große Figur des Blues, über die nicht oft gesprochen wird, herausragender, wichtigster Vertreter des Louisiana (Swamp) Blues mit einigen charakteristischen Eigenheiten: Ausnahmslos Songs ohne ein Gramm Fett, Drums (Percussion) wie Gitarre eher rudimentär, kein Bass, die (direkte, ungeschminkte, klassische und exzellente) Blues-Stimme beständig kommentiert von Harmonica (Lazy Lester, ab und zu Slim Harpo! Z.T. kurze Soli). Ein Nachhall des Country Blues ist zu hören, doch konsequent elektrifiziert im Stil der 50er, extrovertiert, tough, mal rockend, mal slow (bzw. ziemlich nackt), teils etwas Echo (noch ein Spezifikum). Songtitel wie Bad Luck & Trouble oder Bad Feeling charakterisieren seinen Stil. Remastered, 12 Bonustracks derselben Art und Zeit (späte 50er, um 1960 rum) von Excello. Essentiell!

 

 

 

Betty Davis – The Columbia Years 1968-1969
Produkt-Information

CD oder LP

Ein unveröffentlichtes historisches musikalisch für damals z.T. frappierendes Dokument! Im Mai ´69 weit vor ihren legendären/kultigen Hard/Brutalo-Funk-LPs kurz nach ihrer Heirat mit Miles Davis aufgenommen, von Miles und Teo Macero produziert, auch arrangiert, die Band höchstkarätigst zusammengestellt – Mitch Mitchell/Billy Cox von Hendrix, alte (Herbie Hancock; W.Shorter höre ich nicht) und zukünftige (!) Miles-Musiker (John McLaughlin, der geniale Larry Young, Harvey Brooks), die ihre musikalischen Spuren hinterließen, manches wird gar verblüffend vorweggenommen. 5 Stücke (drei 5-6 minütig) plus ein abgebrochener Take: Soul+ abziehender klasse Groove + Ostinato + klasse Gitarrenfills und geile Orgel (wirkt fast wie New York der späten 70er!); Cream (ein Politician-Cover) trifft McLaughlins superbes Devotion, Erdigkeit laszives Flair, grandiose Guitar/Orgel-Kooperation; elegant-federndes funky Jam-Feeling; CCRs Born On The Bayou und ein (wie alles andere) eigener Song verschärft dreckig-scharf in rockigen R´n´B verpackt (entfernt Hendrix-Einfluß bzw. Tina Turner der Zeit). Als Bonus 3 Stücke einer ´68er Session mit Hugh Masekela und Crusaders-Leuten (eins damals als 7“ erschienen), vollmundig arrangiert, Soul der Zeit, ziemlich feurig bzw. stomping-packend sowie old-fashioned-balladesk. Remastered von Original-Masters, Demos eigentlich doch guter Sound, 36-S.-Booklet (v.a. erhellende Interviews mit ihr, Brooks, Masekela). Ziemlich kurz, aber außerordentlich lohnend (und: Schon damals eine gute Stimme)!

 

 

 

Colosseum – Live (remast. + expanded)
Produkt-Information

nur CD

2016er auf Esoteric, remastered. Der große Klassiker von 1971. Und viel mehr! Für die, die wie ich damals den Kauf der (heute nur noch gebraucht sau-teuer erhältlichen) Morituri Te Salutant-Box verpaßt haben, ein Schatz (für alle, die aufregende zeittypische außerordentlich lebendige Rock-Prog-Blues/R´n´B-Jazz-Mixe mögen und die originale Doppel-LP, hier inkl. Bonustrack I Can´t Live Without You, nicht haben, sowieso)! Denn in dieser Fassung gibt es als 74-Minuten-Bonus die CD 3 der Box, sonst unveröffentlichtes Liveaufnahmen derselben Tour. Schon das eigentliche Album ist für mich ihr bestes, eine DER großen Live-LPs der 70er. Die Hälfte der 6 langen (alle exquisiten!) Songs gab´s nicht auf den Studioplatten, die anderen, nun klar länger, gänzlich anders, schon durch die Stimmgewalt vom kurz zuvor dazugekommenen Chris Farlowe (super, in Höchstform! Samt einiger lautmalerischer/Scat-Einlagen). Allein das fantastische auch melodisch schlicht tolle Lost Angeles lohnt schon den Kauf. Die Bonus-CD (manchmal im Sound nicht so ausgewogen, z.B. Sax zu leise, aber ok) enthält deutlich differierende Versionen von Rope Ladder… (länger, definitiv wilder), Skellington (verlangsamt, Soli verkürzt wie verlängert), Stormy Monday (stark verkürzt und verändert) sowie zwei 21-Minüter: Das Medley I Can´t Live Without You/Time Machine/The Machine Demands… (rasanter Prog-Jazz-Rock und ellenlanges Drum-Solo), v.a. aber DAS Großwerk von ihnen, über 4 Min. länger: Die komplexe kontrastreiche mit melodisch wundervollen Themen gespickte Valentyne Suite, in Teilen wesentlich modifiziert, zunächst stark beschleunigt, z.T. anders (weniger variabel) instrumentiert, weniger arrangiert/mehr Soli, zum Schluß noch ekstatischer (bis zum „Free Rock“). Der großartige 3. Teil (Grass Is Always Greener) dauert nun 10 Min. Für mich ein Muß.

 

 

 

Dinosaur Jr. - Give A Glimpse Of What Yer Not
Produkt-Information

CD oder LP

4. LP nach der Reunion, in gewohnter Güte! Diverse harte fetzende/bratzende treibende Knaller (gar mal fast Pop Punk), selten signifikant ruhiger/ein wenig elegisch, beinahe träumerisch für ihre Verhältnisse (Be A Part – wunderbarer Song), ein paar Mal irgendwo dazwischen (gemäßigt harte Power), im längsten Track regelrecht heavy, doch genauso (hoch) melodisch wie alles hier, Pop-affine/catchy Songs auf ihre ganz spezielle Art, auch die 2 von Lou Barlow geschriebenen/gesungenen Titel, die deutlich transparenter, entspannter (einer geradezu erhebend), nicht so intensiv und fett wirken. Knocked Around kommt zur Hälfte ganz zurückgenommen, schon beinahe süß, poetisch, klassisch schön. Natürlich auch diesmal (mit 1 Ausnahme in jedem Stück!) 1 oder 2 bestechend melodische (Kurz-) Soli der Gitarre, manch super Riff oder zentrales Motiv. Ltd. LP: in lila-transparentem Vinyl, weltweit 9000 Exemplare

 

 

 

Ana Popovic – Trilogy
Produkt-Information

nur 3CD-Set

2016er Veröffentlichung der Blues-Musikerin Ana Popovic- ihr ambitioniertestes Projekt – quasi ein Konzeptwerk, 3 Alben in einer Box : „Morning Funk & Soul… Mid-day Blues & Rock… Midnight Jazz…“ sagt sie selbst. Produziert von 2 Grammy-Gewinnern (Tom Hambridge, Warren Riker) und Branford/Wynton-Bruder Delfeayo Marsalis. Letzterer spielt auch, wie z.B. Legende George Porter Jr. (Meters-Co-Gründer), Bernard Purdie (Aretha Franklin etc.), Ivan Neville, Cody Dickinson (North Mississippi Allstars), als Gäste Joe Bonamassa, Robert Randolph. Den (hier massiven! Z.T. rockig interpretierten) Soul/Funk/R´n´B-Einfluß von CD 1 (Groove! U.a. Anklänge an Sly & Family, kurz auch Ike & Tina Turner, gar funky BS&T meets Chicago, inkl. Wah-Wah und Bläser) kennt man von ihr ja schon, punktuell, den zeitgenössischen Blues Rock von CD 2 sowieso (von krachend und hart bis einfühlsam bzw. balladesk-bluesig, noch mehr Wah-Wah), aber der heftige Jazz-Einschlag auf CD 3 ist mir neu! Und oft verblüffend pur, authentisch! Auch ihre Gitarre und Vocals. Viel Gebläse, swingender Bop bzw. bluesiger 50s-Jazz, Groove-Swing-Hybride, Balladen ganz old-fashioned mit 40s-Einfluß, hohe Qualität, u.a. Tom Waits-, Duke Ellington-Cover. Erstaunliches Werk!

 

 

 

Swans – The Glowing Man
Produkt-Information

2CD / 3LP / 2CD/DVD

Seit ihrer Reunion in beständig bestechender Form, nach den triumphalen The Seer und To Be Kind nun nach eigener Aussage das letzte Swans-Album in dieser Besetzung. Wiederum ein grandioses Groß-Werk (5 der 8 Stücke sehr lang, 3 bringen es auf 20 bis 29 Min., insgesamt sind es 118)! Attribute und Ausrichtung ähneln The Seer. Die langen Tracks entwickeln immer wieder einen ungeheuren Sog, enorme hypnotische Qualitäten, entfachen mehrmals brennende/fiebrige Monumental-Wucht in den Crescendi bzw. davor eine unglaublich stoische Kraft, wahlweise unbeirrbar voranschreitend oder treibend inkl. repetitiver Grandezza, manchmal hämmernd bis fast gewalttätig-halluzinogen am Ende. Dazwischen ruhige psychedelische bis kontemplative oder geradezu sakral anmutende Breaks, unter Spannung stehende fließende oder düster-Post Punk-artige Parts, fortwährend gesteigerter/verdichteter atmosphärisch packender Post Rock, zweimal Assoziationen zu Pink Floyds Careful With That Axe (ruhig wie leichtfüßig, federnd und fast jazzy), durch Effekte Psychedelisiertes samt Minimal Music-Einfluß, diverse lange dräuende Intros (Free Form, leise bis mächtig zerrende Flächen), repetitive akkordisch gnadenlos hochgepeitschte Post Punk-Blöcke – und ein längerer toller Mix aus Can in Jam-Laune, heftig brodelndem Post Punk meets Dark Wave und PIL! 2 der 3 kürzeren Tracks sind dunkle songorientierte Balladen (in Richtung Nick Cave meets Bill Callahan bzw. unheilvoll und teilakust. mit Sängerin, im 2. Teil etwas Dark Wave-mäßig in vollmundig), der 3. ist ein friedliches sehr melodisches leicht hippie-eskes Pop-Mantra, schließlich hypnotisch-psychedelisch-außerweltlich verdichtet – sehr schön! Und immer wieder: Pathos in Härte, granitenen Furor, überwältigende Atmosphäre und atemberaubende Wucht gegossen. Ein erschöpfender Rausch in Musik. Ltd. Edition mit DVD (live 2015).

 

 

 

Radiohead – A Moon Shaped Pool
Produkt-Information

CD / 2LP

16er, Ihr „musikalischstes“ Album seit langem, erfreulich songorientiert meist, viel Melodie, keine verstörenden Sachen, „zeitlose Moderne“, erstaunlich geschlossen (1, 2 Ausnahmen) und zugleich vielschichtig! Keine Frickelbeats, Melancholie, Sehnsüchte, Schönheit und viel Atmosphäre. In sich versunkene leicht unwirkliche bis schwebende bzw. zart getupfte Pop-Balladen (mit und ohne Intensitätsverdichtung), unterschwellig spannungsgeladene Modern-Day-Psyche-Trips mit halluzinogener Tendenz, ein erstklassiger straighter Pop-Song mit Zug und Drama, leicht elegischer wie introvertierter (Songwriter-) Pop, auch mal kleine Prisen spirituell angehauchter laidback fließender Folk Jazz (samt Assoziation zu Mitt-70er Joni Mitchell), und mehrfach schleicht sich ein gewisser Brit-Folk-Einfluß ein (nicht im Sound) von Psyche-Folk bis ins Heute gebeamter Nick Drake, akustisch-elektronisch. Neben den sehr aparten Keyboard-Sounds und strikt musikdienlichen Gitarren fein arrangierte Streicher. Für mich ihre beste LP seit vielen Jahren, die sich zudem kaum abnutzt!

 

 

 

Branford Marsalis Quartet  with Kurt Elling – Upward Spiral
Produkt-Information

nur CD

Ein neues Album meines Lieblings-Saxofonisten. Auch hier (Sopran und Tenor), ohne lange Soli, absolut glänzend! Wie die meist herrlich subtile/sensible Band. Das Besondere: Natürlich Top-Sänger Kurt Elling, der komplett kongenial agiert, oft samten, einfühlend, warm, 1x auch leicht angespitzt, fast quirlig. Vieles kommt leise/balladesk, aber sowas von geschmackssicher, feingeistig! Von der sanften romantischen Jazzballade im Stil der 40er bis zu (mehreren) ungebundenen wundervollen „free wheelin“-Parts (nein, kein Free Jazz), und die beiden längsten Stücke (die meisten sind kürzer, prägnant songhaft) sind unfassbar zart, feinziseliert, grazil, ohne jedes falsche Sentiment, tief berührend, in sich ruhend, bestechend luftig! (1x inkl. grandioser freigeistiger Zuspitzung). Hinzu kommen eher klassischer satt swingender bis eleganter Bop, mal etwas Brasil-Feeling, sachter harmonischer Post Bop, zeitweise auch rasanter beinahe explosiver. Das alles brillant gespielt und ganz außerordentlich melodiös (viele Covers, u.a. von A.C. Jobim, Sting, Chris Whitley, Sonny Rollins, Sinatra)! Dicke Empfehlung.

 

 

 

Lightnin´ Slim – Rooster Blues
Produkt-Information

nur CD

2016er Reissuen des wahrhaft legendäre Debut (damals auf Excello), ein echter Klassiker (seine beste LP). Eine große Figur des Blues, über die nicht oft gesprochen wird, herausragender, wichtigster Vertreter des Louisiana (Swamp) Blues mit einigen charakteristischen Eigenheiten: Ausnahmslos Songs ohne ein Gramm Fett, Drums (Percussion) wie Gitarre eher rudimentär, kein Bass, die (direkte, ungeschminkte, klassische und exzellente) Blues-Stimme beständig kommentiert von Harmonica (Lazy Lester, ab und zu Slim Harpo! Z.T. kurze Soli). Ein Nachhall des Country Blues ist zu hören, doch konsequent elektrifiziert im Stil der 50er, extrovertiert, tough, mal rockend, mal slow (bzw. ziemlich nackt), teils etwas Echo (noch ein Spezifikum). Songtitel wie Bad Luck & Trouble oder Bad Feeling charakterisieren seinen Stil. Remastered, 12 Bonustracks derselben Art und Zeit (späte 50er, um 1960 rum) von Excello. Essentiell!

 

 

 

Paul Simon – Stranger To Stranger
Produkt-Information

CD / CD Deluxe / LP 

Der Mann hat auch 2016 immer noch was zu sagen, geht Risiken ein, sucht Neuland! Diverses lebt und basiert ganz von/auf der Rhythmik: Unterschiedlich gefärbte afrikanische Grooves v.a. (auch mit modernen/Club-Zusätzen), auch etwas Latin-Prägung, teils enorm ansteckend, nie irgendwie archaisch. Klasse! Die Stücke, die es auf über 4 Min. bringen (die Hälfte), kommen dagegen melodiebetont, „songhaft“ – wenngleich auch hier Rhythmen z.T. eine wichtige Rolle spielen (ein faszinierender von sachtem federndem unbestimmtem suggestivem Flow gespeister Song außerhalb gängiger Kategorien, dezent groovender zurückhaltender Roots Rock, oder, sachte und sehr apart, ein wenig an Graceland erinnernd). Die beiden brillanten Highlights aber klingen leise, atmosphärisch bestechend, geradezu verzaubernd (der geniale wunderschöne Titelsong, ein Kunstwerk!!) bzw. grazil, sanft und folkig, anrührend-betörend, voller farbiger Tupfer – ein Kleinod! Das Klangbild wirkt beständig sehr luftig, reduziert, mit äußerst effektiven Nadelstichen von Gitarre, Keyboards, Glockenspiel, Harmonium, Cello, Marimba, vielerlei Exotik und wirkungsvoller zarter Elektronik. Verblüffend und exzellent!

 

 

 

Luka Bloom – Frugalisto
Produkt-Information

CD / LP

Ich mag ihn einfach, seine so angenehme eher sanftere/entspannte wie eindringliche Stimme, seine Songs, seine ganze Art. Charakteristisch sind hier die ständige Verknüpfung von akust. und sehr delikater/filigraner/melodischer/cremig singender/klangmalend verwehter E-Gitarre (wozu sich Geige bzw. Cello, mehrfach auch Flöte, Mandoline gesellen) sowie die Sorte zurückhaltender ziemlich edler Songwriter-betonter Folk (Pop), die seine irischen Wurzeln kaum einmal richtig offensiv betont, sie aber auch nicht verleugnet. Relaxt und locker fließend, zutiefst poetisch, wunderbar leichtfüßig, ganz sachte und wehmütig bzw. sanft-melancholisch, selten zudem erhebend, nur manchmal etwas extrovertierter, gar dezent tanzend. Die atmosphärisch wundervollen No Fear Here und das zarte Wave Up… sind großartig! Und sporadisch erinnert er mich auch an seinen Bruder Christy Moore (z.B. im tollen Titeltrack). Einfach schön!

 

 

 

                                Vibravoid – Psychedelic Blueprints                                                                                             

Produkt-Information

nur CD

2016er, eine (eigentlich kaum mögliche) mit 75 Min. vollgestopfte Best of einer der weltbesten Psyche-Bands. 2 Songs der ersten beiden Alben (2000/2002), der Rest von den „regulären“ Studio-LPs 2008-13. 13 Tracks, v.a. ihre songorientierten kürzeren (trotzdem vor tollen Effekten strotzenden) mit einfachen Melodien gespickten Stücke, sporadisch Annäherungen an Psyche Pop, ein paar Mal Einfluß früher Pink Floyd-Singles. Straighte allerfeinste mächtig Space-durchwirkte Psychedelia, ab und zu ein natürlicher Rock-Groove mit Zug, punktuell eine Prise Eastern oder etwas spooky und becircend atmosphärisch. Dazwischen zwei 13-minütige Trips (ruhig, dunkel und auf faszinierende Art beinahe kontemplativ, im letzten härteren Drittel Spacemen 3-Anleihen; ein Mix aus kurzen experimentellen Parts, handfest sägendem Hawkwind-inspiriertem Space Rock und leicht hippie-eskem halluzinogenem Space-Psyche), ein längerer herrlicher z.T. träumerischer weicher harmonischer Wohlklang in Space. Natürlich stecken bei ihnen viele Elemente der späten 60er drin, aber ihr Stil besitzt deutliche Eigenheiten, ist klar wiedererkennbar (nicht oft in dem Genre!), regelrecht hyper-psychedelisch, voller einfach wundervoller bis berauschender Sounds (und organisch integrierter prächtiger Effekte). Songs wie Playing With Beuys, Politics Of Ecstasy, Empty Sky und das brillante Random Generated Future sind für mich bereits Klassiker, eine großartige Band!

 

 

 

Yo-Yo Ma & The Silk Road Ensemble – Sing Me Home
Produkt-Information

nur CD

.Ein Quasi-Konzeptalbum über Heimat. Eine unfaßbare Reichhaltigkeit, Substanz, Fülle an Klangfarben/Instrumenten verschiedenster Kulturen. Voller herrlicher (Ethno/Folk-) Melodien (und Rythmen), deren ganze Schönheit sich manchmal bei all der überbordenden Vielfalt erst nach und nach (und umso nachhaltiger) erschließt, gespeist aus dem mittleren Osten, Indien/Pakistan, den USA (Appalachen z.B.), Irland, Mazedonien, Mali, Galizien, Japan/China, dem Balkan, selbst der Klassik, dem Blues oder ganz altmodischem Pop (v.a. uralte Songs/Traditionals werden gespielt, aber auch ein paar Kompositionen der mitwirkenden Musiker – Hochkaräter allesamt, aus Folk wie Klassik stammend). Dabei vermischen sie die jeweiligen Traditionen/Stile immer wieder neu, innovativ, z.T. verblüffend und nie so gehört, jedes Stück ist anders. Und doch fügt sich organisch alles zusammen. In fantastischer Spiel- und Arrangeurs-Kunst, ungeheuer vielschichtig in jeder Beziehung, höchst kunstvoll und differenziert oder eher natürlich und etwas schlichter, angeführt vom Meister-Cellisten und Ikone Yo-Yo Ma himself in einem Rausch aus Farben von Saiten-, Blas-, Streich- und Schlag-Instrumenten (kaum Tasten) sowie (in den meisten Tracks) fabelhaftem, hinreißendem Gesang, teils wundervoll mehrstimmig bis hin zu Annäherungen an Bulgarian Voices oder Huun Huur Tu, u.a. sind als Gäste Sarah Jarosz, Abigail Washburn, Rhiannon Giddens, Gregory Porter, Lisa Fischer dabei (als Musiker z.B. Toumani Diabate, Martin Hayes von The Gloaming, Bill Frisell). Dramatisch, kontemplativ, tumultös, mitreißend, treibend, vollkommen friedlich, relaxt fließend, dynamisch, getragen, groovend, rasend, meditativ ist diese Musik, immer wieder auch von verzaubernder Spiritualität, das Ergebnis klingt in dieser Gesamtheit einzigartig. Berauschende 72 fast zu kurze Minuten.

 

 

 

                            Robin Trower – Where You Are Going To                                                                                   

Produkt-Information

nur CD

Neue CD aus 2016, solide und ohne Überraschungen, er bleibt sich treu und sorgt mit seiner sublimen bedächtigen nicht auf schnellen Effekt sondern (selbst in den 2,3 eher ziemlich ausgiebigen Soli) auf Inhalt und Substanz ausgerichteten Gitarre für eine Menge Wohlfühl-Momente! Klar spielt der Blues eine große Rolle (als klassischer schleppender oder federnder, mal funkiger, oder natürlich Hendrix-verwandter Blues Rock/bluesiger Rock), fast immer, aber sporadisch/nur kurzzeitig kann die Musik sogar fast wie eine Art aparter Songwriter-Rock wirken. Der Hendrix-Einfluß wird besonders in einigen Wah-Wah-Passagen deutlich, 1,2 Mal erinnert mich die ganze Machart auch ein wenig an Mick Taylor. Die Songs sind weitgehend konzentriert/kompakt, oft zurückhaltend/laid back, selten balladesk (äußerst feinfühlige Gitarre).

 

 

 

The Rides – Pierced Arrow
Produkt-Information

CD / LP / Deluxe CD

2016er Album  der „Supergroup“ um Stephen Stills, Kenny Wayne Shepherd und Barry Goldberg (+ u.a. Chris Layton aus Stevie Ray Vaughans Band). Nein, spektakulär klingt auch diesmal nichts. Aber die Musik entführt aufs Beste so ungefähr 45 Jahre +/- zurück, und die (angenehm kurzen/ökonomischen) Gitarrensoli von Stills (der auch oft singt) und Shepherd sind erste Sahne! Wunderbar scharf z.B. oder einfühlsam sanft stechend, gar schon mal herrlich filigran zart. Diverse klar 50s-beeinflußte Stücke, ob rockender Blues (bis hin zu einem Hauch Allman Brothers), kompakter klassischer schwerer (entfernt a la bluesigste Mountain) resp. treibender Blues Rock oder Rock´n´Roll-angelehnt (schlicht und unwiderstehlich abziehend bzw. R´n´B-Herkunft mit tollem Drive). Zum Schluß in einem Willie Dixon-Cover (und in 2 der 3 Bonustracks der Deluxe-Version) auch ganz purer 50s-Blues. Daneben 2 bluesige Balladen, tiefenentspannt, 1x bis in Hendrix-Slow Blues-Nähe; und ein toller ruhiger Song irgendwo zwischen CSN(&Y), Peter Green und Buffalo Springfield! Vinyl 180g.

 

 

 

                                   We Are Scientists – Helter Seltzer                                                                                        

Produkt-Information

CD und LP

5. LP der US-Band, immer v.a. in England mächtig erfolgreich – kein Wunder bei dem Sound, gern mit Franz Ferdinand, Maximo Park, Bloc Party verglichen (beeinflußt sicher), Art Brut oder Weezer sind manchmal nicht weit weg. Der Sound mächtig rockig, ungeheuer durchschlagskräftig, gut scharf – die Melodien teils toll catchy, Brit Pop-angelehnt. Indie Rock, Synth Pop-Spuren, ab und zu überschwänglich schon in Power Pop-Nähe, mal ein Hauch Post Rock oder Beatles-Einfluß (im Songwriting), melodiebetont, typisch die harten markanten Gitarren-Riffs/Licks mit Synthie-Krönung, mehrfach sehr viel Drive. Aber auch süffiger Balladen-(Power-) Pop pur.

 

 

 

                                  Grateful Dead – Red Rocks 7/8/78                                                                                      

Produkt-Information

nur als 3CD-Set

2016er Release von den Originalbändern aber alles andere als bloß „noch ein Dead-Konzert“. Von 1978, eines der bei Deadheads 3,4 legendärsten Auftritte überhaupt. Zu Recht!! Da bis vor kurzem die Masterbänder vermißt wurden, erst jetzt regulär veröffentlicht, in ziemlich exzeptionellem Sound! Nach noch etwas unrundem Opener in nicht ganz 3 Stunden ein einfach großartiges ganz ungemein präzises Set, z.T. grooviger als normal, oft ausgesprochen kraftvoll, relativ kompakt und enorm konzentriert, partiell kontrastreicher innerhalb der Tracks als sonst, zwischendurch mal leicht jazzig, Jerrys Gitarre äußerst inspiriert (gerade auch in den nicht so langen Stücken), teils von gestochener Schärfe. Und der Gesang… hab ich den jemals so gut vernommen?! Ob Weir wie Garcia, ob balladesk oder rockig, selbst Donnas Backing Vocals (fast immer dabei, manchmal beinahe perfekt!), häufig erstaunlich kräftig bis extrovertiert, manchmal auch geradezu anrührend… es paßt alles! So viele Highlights: Samson & Delilah (sehr schnell, fast wagemutig), Ship Of Fools (beste Version ever), Estimated Prophet (fantastisch, welch Soli von Jerry!), Dire Wolf, New Minglewood Blues, Other One, Terrapin Station (becircend poetisch, verzaubernder Jerry), Sugar Magnolia (Power-Klimax, lange Fassung), Wharf Rat (fast meditativ)… Als Sahnehäubchen das selten gespielte Zevon-Cover Werewolves Of London (ungewöhnliche sehr schöne bluesige Gitarre). Entweder war der Stoff besonders gut oder es gab „zu wenig“, oder es lag an der Örtlichkeit (quasi in der Natur mit toller Bergkulisse) – insgesamt für mich eins der besten Konzerte, die ich je von ihnen gehört habe (Cornell ´77 bleibt die Nr. 1, gibt´s hoffentlich auch irgendwann regulär). Für Fans ein unbedingtes, absolutes Muß. Sogar für Einsteiger bestens geeignet (auch ohne Dark Star bzw. extrem psychedelische Trips).

 

 

 

                                 Gregory Porter – Take Me To The Alley                                                                                           

Produkt-Information

 CD / 2LP / CD/DVD

Neues Album des Shooting Star der Jazz-Sänger auf BLUE-NOTE Records, blitzartig zum erfolgreichsten überhaupt aufgestiegen – wobei Jazz zwar essentiell bleibt, v.a. in der Intonation seiner exquisiten ungemein warmen ausdrucksvollen Baritonstimme (nach wie vor ein Genuß!), die Musik aber, ganz ähnlich wie beim Vorgänger, eine Menge Soul-, R´n´B-Elemente bereithält, auch ab und zu eine Prise Pop schön altmodischer Art oder mal einen Spritzer Gospel. Alles völlig natürlich/organisch verbunden, mit Früh-70er-Referenzen, old-fashioned Grooves, seelenvoll geschmeidig, bodenständig-kraftvoll, Bill Withers-verwandt, behutsam einfühlsam balladesk (gern!). Durchweg höchst melodisch, er selbst spricht von „Singer-Songwriter-Jazz“ – er legt großen Wert auf gute aussagekräftige Texte (nur 1 Cover ist dabei). 2x fast purer (Classic) Jazz, swingend/in Bop-Nähe. Wie zuvor begleitet ein mit kurzen Sax/Trumpet-Soli ergänztes Piano-Trio, sehr fein, ab und zu Orgel. Deluxe-Version mit diversem Video-Material, z.T. live im Studio. Edel und richtig gut, ehrlich, emotional und inspiriert, keine Spur von Ausverkauf!

 

 

 

Irmin Schmidt & Bruno Spoerri – Toy Planet
Bildergebnis für cd cover irmin schmidt toy planet

nur CD

2016er Reissue des Albums von 1981, für mich die beste Solo-LP des Can-Keyboarders. Der Titeltrack, Rapido… und Springlight Rite bieten tolle fantasievolle elektronische Musik, mehrschichtig, dunkel zum Teil, spannend, ob entfernt Cosmic Music-verwandt, ein Hauch sakral, mit unterschwelligen bzw. in Wellen startenden/abebbenden Rhythmen, als partiell beinahe halluzinogene farbenfrohe Synth-Mini-Symphonie oder düster-bedrohlich anmutend (hätte gut in den „Interstellar“-Film gepaßt) – ganz exquisiter Stoff! Anderswo dominieren jiddische Einflüsse verschiedener Art zwischen getragen und angestochen (und melodiereich!) oder Electronic Grooves (fast hämmernd Disco-artig in Synergy-Nähe oder mit Zug und entfernt Steve Hillage-ähnlich). Mehrfach ganz leise/schwebende Anfänge, Atmosphäre aufbauend, langsam verdichtet/rhythmisiert. Neben Tasten aller Art sticht Spoerris Sax/Lyricon heraus, auch in längeren Soli. Und die vielen Melodien!

 

 

 

Eric Bibb & North Country Far With Danny Thompson – The Happiest Man In The World
Bildergebnis für cd cover eric bibb happiest man in the world

nur CD

Neues 2016er Material, diesmal mit einem unaufdringlichen wie feinem akustischem Saitengeflecht aus Guitar, Mandoline/Mandola und Dobro bzw. Weissenborn/Slide (selten auch Pedal Steel), geerdet von zurückhaltender aber kongenialer Rhythm Section inkl. Bass-Legende Danny Thompson (edel! Manchmal eine Spur jazziges Flair). Der Sound mutet wunderbar lose wie together an, hat Raum zum Atmen, viel Wärme, wirkt völlig natürlich und organisch – genauso wie die hier praktizierte ganz selbstverständlich wirkende Verbindung der Stile: Blues, Country, Folk, oft mit einem gewissen old-timey-Einfluß, ohne in der Umsetzung je pur so zu klingen wie damals – eher komplett zeitlos, mit 1,2 Abstechern zu mehr zeitgenössischem Americana. Die Atmosphäre ist zwanglos, heiter-gelassen, laid back, ab und zu feinsinnig-balladesk und fast swingend, sporadisch irgendwie tanzend. Und das Kinks-Cover You Really Got Me (!) kommt so ganz anders, atmosphärisch stark, besitzt unterschwellige Spannung.

 

 

 

                                                                                                                                                Eric Bibb & JJ Milteau – Lead Belly´s Gold      

Produkt-Information

nur CD

11 Tracks live, 5 im Studio, uralte bekannte Klassiker, Leadbelly-Cover und 3 Originale, relativ puristisch und reduziert (akkustische Gitarre, glänzende ungemein volle und ausdrucksstarke Harmonica, minimalistische Drums). Entsprechend des Materials klingt Bibb sehr traditionsbewußt – auf seine spezifische Art – bis ziemlich old-timey, mischt, wie schon das Vorbild, die Stile: Blues, Folk, ein wenig Gospel oder old-fashioned Pop, sogar Spuren von Zydeco/Cajun/Jazz, agiert teils (in der Mehrzahl) rhythmisch, teils sanft bis poetisch, manchmal sogar etwas rockig (bzw. quasi als Rockabilly-Vorstufe), und fast durchgängig einfach, schmucklos – bis auf seine typische Stimme, die nach wie vor sehr zu berühren vermag. Erstklassig! Big Daddy Wilson steuert ein paar feine Harmony Vocals bei.

 

 

 

Steven Wilson – 4 ½
Produkt-Information

LP oder CD oder CD/BluRay Audio

2016er Werk,zwischenprodukt auf 37 Minuten (4 Outtakes der letzten LP, 1 der davor, 1 Remake eines alten Porcupine-Songs). 2x Einflüsse von rockigen/härteren gitarrenbetonten Yes (1x komplex/scharf, King Crimson-Spots/elegische/sehr schöne ruhige Parts, 1x eher straight und melodiebetont). 2x ganz zurückhaltender melodischer klangmalerischer Schön-Klang mit einer Spur Romantik. 1 rockend-groovender Track mit Anleihen von Fusion und schroffen aktuelleren King Crimson. Und lyrischer gefühlsbetonter Rock zwischen Prog-Fusion, schwebend und leicht spacig. Blu Ray inkl. High Res Stereo 5.1. Mix von „Lazarus“, Vinyl 180g

 


 

 

John Cale – Music For A New Society/M.Fans
Produkt-Information

2LP oder 2CD

Das CD-Set enthält den ´82er Klassiker remastered mit 3 unveröffentl. Outtakes und ein „complete new reworking“, „sampling the original, while creating brand new sounds“ (betitelt „M.Fans“, auch als DLP erhältlich) – also neu eingespielt unter Verwendung alter Samples - es wirkt völlig „neu“, anders! Deutlich elektronischer (ohne auf Piano, Gitarre zu verzichten, Keyboards omnipräsent), zeitgemäß in gut, (Electro) Grooves/programmierte Beats inklusive, meist dunkle Stimmung, und teilweise ganz schön faszinierend. Die Stimme klingt z.T. wie durch einen Vorhang (aber durchdringend bis fast gravitätisch, mit neu hinzugekommenen Backing Vocals). Mal pures packendes (Melo)Drama (auch in Zeitlupe), mal regelrecht erhaben, mal sägend, oft ungeheuer intensiv. (Nicht typische) Assoziationen reichen bis zu Cabaret Voltaire, Peter Hammill, Bowie (Let´s Dance-Phase/funky Groove Pop), kurz gar Sisters Of Mercy, von Post Wave-Dance Pop bis zu Noise/Industrial-Anleihen. 2 Songs des Originals fehlen, einen gibt es in 2 völlig verschiedenen Fassungen, dazu einer der Outtakes, und die abschließende getragene Einsamkeits-Ballade ist einfach wunderschön! Höchst lohnend!


 


 

 

                                                                                                                                                 Dave Gahan & Soulsavers – Angels & Ghosts          

Produkt-Information

LP oder CD

Ich hätte nicht gedacht, dass ich den Depeche Mode-Sänger mal besprechen würde, hab auch nur eher widerwillig reingehört, bin aber gleich hängen geblieben. Mit den Soulsavers (Mark Lanegan, Will Oldham etc.). Warm klingt das, Roots- bewußt, eine Art Edel-Pop mischt sich mit Blues-, Soul-, Gospel-, Americana- Einfluß, auch Nick Cave (der aktuelle) ist 1,2 x nicht so weit weg, und die Stimme paßt exakt dazu. Extrem hoher Balladenanteil, etwas Crooning, Gitarren (teils ganz exzellent!) und Orgel, meist im Verein mit Streichern, geben ganz old-fashioned den Ton an, dazu einiges Gebläse. Und leidende Melancholie. Zum guten Eindruck tragen das Songmaterial und die (für mich überraschende) Emotionalität bei.

 


 

 

                                                                                                                                      Neil Young - Blue Note Cafe        

Produkt-Information

LP oder CD

Neues aus der Archives-Serie, live von der 87/88er-Tour vor und kurz nach der This Note´s For You-LP mit 11-köpiger Band (im Kern die 6 Bläser der LP und Crazy Horse), mit 7 Tracks des Albums, 4 unbekannten Songs (das Label spricht von 7, einige sind auch sehr rar, aber z.B. auf der Archive-Box Vol.1 – 2 uralte Stücke – oder auf Red Rocks sowie A Treasure enthalten, I´m Goin ist eine Single-B-Side der This Note´s-Zeit, 2 gibt´s auf dem Lucky 13-Sampler) und mehr, 21 Stücke, auf 148 Minuten. Musikalisch bei der Besetzung natürlich Neil-untypisch, auch die Gitarren (trotz vieler Soli, übrigens auch der Bläser, allerdings nie ausgedehnt), es geht in This Note´s-Richtung: R´n´B/Blues, z.T. in rockender Form, gar mal vollmundiger Blues Rock (´n´Roll), oder in eher klassischer, z.B. Spät-60er-Anlehnung, fett und satt groovend, bis hin in Booker T-Terrain, bzw. stoisch marschierender Blues. Das ist sicher nicht jedermanns Sache, mir gefällt es sehr gut! Es gibt auch 2 leise, fast zarte Balladen, dezent bluesig. Oft in ziemlicher Schärfe mit fetzigen Bläser-Sätzen !Und die Vocals nicht gerade sehr weit nach vorne gemischt. Nur wenige Ausnahmen: Der legendäre Live-Klassiker der 80er, Ordinary People (erst auf Chrome Dreams 2 veröffentlicht) auf 13 Min., wenig Bluesanteil (aber Bläser), relativ Neil-typisch, klasse! Crime In The City, von Freedom vorweggenommen, harte treibende dreckige Crazy Horse in Richtung Ragged Glory (ohne Bläser und Orgel, die sonst fast immer dabei ist). Sowie, einziger alter Klassiker, eine epische kontrastreiche (von nackt pochend bis spannungsentladend voll bratzend) 19-Min.-Fassung von Tonight´s The Night. Für meine Begriffe ein Muß für Neil-Fans.

 


 

 

                                                                                                                                                Eva Cassidy – Nightbird             

Produkt-Information

4LP+2CD+DVD  oder  2CD+DVD

15er Release. Live am 3.1. 1996, durch die „Live At Blues Alley“-LP (mit 12 Tracks) ziemlich berühmt, nun erstmals auf satten 140 Min. der komplette Auftritt, 32 Stücke (neu gemixt und remastered von den Mastertapes), davon eine Reihe nie von ihr veröffentlicht. Beide Formate limitiert, Vinyl 180g. Wenn es sowas wie das definitive Set von ihr gibt, dann das hier! Nur wenige haben die Fähigkeit, alten Klassikern (hier v.a. aus den 30ern bis 60ern, ganz wenige neuere) derart schlüssig und brillant neues Leben einzuhauchen – nur mittels ihrer so wundervollen in allen Schattierungen prächtig phrasierenden zu jeder Emotion fähigen Stimme. Ungeheuer einfühlsam, leise, zart, strahlend, kraftvoll, stimmgewaltig, unglaublich souverän. Was sie aus durchgenudelten Schlachtrössern wie People Get Ready, Stormy Monday, Autumn Leaves macht (nur 3 Beispiele von ganz vielen), ist beispiellos! Einfach großartig! Vom Quartett mit E-Gitarre (sie selbst spielt eine 2. oder akustische), Piano und Rhythm Section kongenial musikdienlich (ohne auf kurze gern filigrane Soli zu verzichten) begleitet (manchmal ohne Drums). Große häufig berühmte Songs aus Blues/R´n´B, Jazz, Pop, Soul, Folk, stilistisch ab und zu erweitert (multipel rootsig, sporadisch leicht angerockt, mal eine Prise Gospel) bzw. (z.B. in der Stimmung) verändert, zumeist eher genretreu, gern 50s/60s-orientiert (oder 40s), pendelnd von sanft/balladesk bis extrovertiert/quirlig/rasant. Die DVD (55 Min., 12 Tracks) vom selben Konzert, s/w, nur 1 Kamera, Bild aber recht ok (Ton sowieso). Eine dicke Empfehlung!

 

 

 

                                                                                                                                                               Dead Weather – Dodge And Burn                                          

Produkt-Information

LP oder CD

3. LP der Band von Jack White ( WHITE STRIPES ) und Alison Mosshart (die KILLS-Sängerin) mit Dean Fertita (Queen Of The Stone-Age-Gitarrist), Jack Lawrence (Raconteurs). ROCK! In phasenweise richtig aufregend, verblüffend frisch, extrem lebendig (allein die harten beweglichen z.T. wilden Drums, der extraordinaire Gesang, aggressiv wie so vieles hier!). Keine Songwriting-Delikatessen, Haltung, Sound und enorme Schärfe zählen! Öfters eine Verbindung der Ideale und Strukturen der frühen 70er (inkl. Hard Rock) mit „modernen“ oder gar fast innovativ wirkenden Rock-Ideen, beides steht aber auch schon mal für sich – im Extrem: Eine begeisternde Led Zep-Reinkarnation (Immigrant Song läßt grüßen), ein Mix aus schleifendem Noise-Hip Hop und scharfkantigem Underground Rock. Zwischendurch ein feiner Groove, überschnappende Rasanz, einige durchdringende grandiose Gitarrenparts von heute, ein Kontrast zwischen lasziv und großartig rabiat/wütend, eine Prise messerscharfer Blues Rock (bluesige Untertöne gibt es mehrere). Nur die einzige Ballade war nicht nötig. Actionreiche aufreibende Musik.

 

 

 

  Kari Rueslatten – To The North  

Produkt-Information

LP oder CD

2015er Veröffentlichung der norwegischen Singer-Songwriterin, von den Landschaften ihrer Heimat inspiriert. Vor allem ungeheuer atmosphärische doch nur bedingt folkige (elektrische) Balladen, stattdessen Tendenzen zum erwachsenen Edel-Pop, Zeit und Herkunft enthoben. Bestechend neben ihrer gefühlvollen emotionsgeladenen entzückenden Stimme immer wieder gleichfalls eminent atmosphärische edle herrliche die Stücke ausmalende Gitarrensounds (Keyboards sehr dezent, etwas Piano, sporadisch Flöte). Nur selten voller/kräftiger im Klang (und eher halb-balladesk). Melodisch stark (auch hier nur bis zu einem gewissen Grad Folk-basiert)! Leicht dunkel gefärbter Schönklang, live im Studio aufgenommen, ein imaginatives homogenes Album mit einigen echten Highlights (wozu der tolle schwerelose Titeltrack und eine komplett entschleunigte Version des einzigen Covers, Turn Turn Turn, gehören).

 

 

 

                                                                                                                                                                        Solveig Slettahjell - Knut Reiersrud  – Trail Of Souls                                                                                                                     

Produkt-Information

LP oder CD

Extrem edel! Im Ganzen genossen hinterläßt das Album einen tiefen tiefen Eindruck, erzeugt eine sehr spezielle faszinierende Stimmung wie kaum ein anderes, z.B. durch die komplette Entschleunigung vieler Stücke (die Große Langsamkeit kennt man ja schon von ihr), eine geradezu suggestive Ruhe. Auch sonst: Durchweg balladesk. Manchmal nur zart getupft. Sehr sehr eigene Interpretationen von v.a. (z.T. uralten) Gospel- und Blues-Songs (Trads, Covers von z.B. Blind Willie Johnson, James Cleveland), die sich stilistisch nicht unbedingt an die Vorlagen halten, genausowenig wie Stücke von Peter Gabriel, Bill Withers, Leonard Cohen. Gospel (in meist minimaler Dosis), Blues, Songwriter-Balladen-Pop, etwas Folk, Jazz und Soul mischen sich immer wieder anders und äußerst delikat, teils wunderbar atmosphärisch aber eindringlich, zutiefst poetisch, selten handfester. Die Stimme herrlich phrasierend, ab und zu ein jazziges Flair, mal auch schlichter und dennoch ungemein gefühlvoll – genau wie die großartige gern filigrane Gitarre! Piano kommt hinzu, hier und da unterlegt ein ganz leiser verwehter bis sphärischer Synthie. Klare Empfehlung!

 

 

 

                                                                                                                                                                                            Värttinä – Viena                                                                                                                               

Viena

nur CD

2015er CD der so einzigartigen finnischen Gruppe. Die 3 Sängerinnen verzaubern mit ihren mehrstimmigen z.T. kunstvoll geschichteten warmen wundervollen Vokalarrangements wie eh und je, ein purer Genuß, doch die an die Bulgarian Voices erinnernden manchmal fast stählern wirkenden wagemutigen Ausflüge sind seltener geworden (wiewohl nicht eliminiert, v.a. in 2 grandiosen a capella-Stücken). Insgesamt überrascht die CD, denn sie gehen „back to their roots“, wurzeln weit stärker als gewohnt in finnischen Folk-Traditionen (bis hin zu fast klassischem „konventionellem“ Skandi-Folk), verzichten (beinahe) auf Rock- oder Jazz-Elemente, den „World Music“-Aspekt (und jegliche Percussion), agieren z.T. ganz pur – klingen zugleich irgendwie noch melodiereicher (phasenweise bestechend! Wunderschön!). Die Stimmungen sind vielfältig (von extrem langsam und zutiefst poetisch über getragen/melancholisch-feierlich bis sachte fließend, dezent bzw. fröhlich beschwingt oder lebensfroh quirlig, mehrfach in schneller Form rhythmisch massiv akzentuiert (1x beinahe manisch!), oder auch ein sehr angenehmer entspannter innerer Zug. Erstklassig die fein verzahnte Begleitung von verschiedenen Saiten- und Streich-Instrumenten sowie Akkordeon (selten Oberton-Flöte). Wenige Traditionals, meist Originale. Ich hab 2,3 Durchläufe gebraucht, um mich zu gewöhnen, nun bin ich nachhaltig ziemlich begeistert, einige Stücke strahlen eine total faszinierende suggestive Sogwirkung aus!

 

 

 

                                                                                                                                      Leslie West – Soundcheck                    

Produkt-Information

LP oder CD

Leslie West ex-MountainMusiker ist hier bei seinem neuen Werk recht vielfältig, dass wird schon durch die Auswahl der Cover (nur 3 Originale) deutlich: Z.B. Going Down (krachender superfetter Rock´n´Roll), People Get Ready (der Soul entzogen, mir zu gefühlig), You Are My Sunshine (Folk-, Pop-Einfluß, ungewohnt ruhig/sparsam/sanft, wie auch Stand By Me, großteils akustisch, mit Bonnie Bramlett), Spoonful (einzig langes Stück, live, mit Jack Bruce ( Cream)-Vocals, heavy, derb, roh, auch im Sound,  fleischiger Blues Rock updated, straighter harter bluesiger Rock (fast Hard Rock), ein folkiges Akustikstück von Page bis Kottke (nachdenklich bis dicht und intensiv). Die Vocals rauh und immer noch extrem kraftvoll, Gitarre feist, singend, zerrend. Vinyl 180g.

 

 

 

                                                                                                                                         Bruce Springsteen – Agora Ballroom 1978

Produkt-Information

3-CD Box

2014er, schon das 3. semi-offizielle Release der 78er Tour in kurzer Zeit, ebenso berühmt wie das Winterland-Konzert, legendär bei den Hardcore-Fans, es gibt so einige, die sagen: Sein bester Auftritt ever! Trägt zu Recht den Untertitel „The classic Cleveland Broadcast“. In für seine Verhältnisse relativ kleiner Halle, was zur enormen Spielfreude beigetragen haben mag. 23 Songs, 8 davon nicht auf Winterland (7 nicht auf Capitol Theater), eine Reihe stark ausgedehnte Versionen: Prove It All Night, Growin´ Up, Rosalita, Because The Night, Spirit In The Dark, Backstreets (episch, grandios!), Racing In The Street (ein Traum! Im Doppelpack mit, voller Power, Thunder Road) sowie Jungleland (majestätisch!). Auch 4th Of July kommt super. Fast alle bis dahin essentiellen Stücke sind enthalten (ok, 10th Avenue.., Streets Of Fire, vielleicht Candy´s Room hätte ich noch gerne gesehen). Plus Sherry Darling im Vorgriff auf The River und Covers: Gloria (Them), Raise Your Hand, Summertime Blues (Power-Speed-Fassung), Not Fade Away, Twist & Shout. Knapp 3 Std. Musik + 38 Min. Interview. Der Sound ist, der Quelle (Radiokonzert) entsprechend, ok. Auf Left Field Media. Für jeden Fan ein Muß. Einfach ganz groß.

 


 

 

                                                                                                                                                                 

Kante – In Der Zuckerfabrik

Produkt-Information

nur CD

7 Jahre machten sie auf Einladung (kaum bemerkt)Theatermusik für Stücke von Goethe, Brecht, Dostojewski, Handke, Thomas Mann, Sophokles, Burroughs, Voltaire. Nun nahmen sie 2015 die Songs auf. Das Ergebnis ist  verblüffend! Und ausgesprochen reizvoll! Musikalische Wagnisse außerhalb ihres gewohnten Rahmens zuhauf. Oft ungewohnt dunkel, stilistisch von enormer Vielfalt, kommen mir nie für möglich gehaltene Assoziationen in den Sinn: Tinariwen! Wipers (Musik) goes Edel-Pop (Gesang)! Minimalistischer Avantgarde-Pop (entfernt Talk Talk meets Radiohead). Bluesig-multi-rootsig mit einer Prise Drama (und grandiosem Schluß!). Getragen-pochend entfernt a la Tom Waits. Pavement-Guitar-Sound. Experimenteller wie „klassischer“ Robert Wyatt. Lounge Lizards (Jazzeinfluß). Eine einsame faszinierend dräuende Ballade. Neuerer Scott Walker in zugänglicher. Anspruchsvoller Drama-Pop. Zerschossener Waits meets Egg und Brecht/Eisler… Zudem textlich z.T. außergewöhnlich! 15 Tracks, eine knappe ausgezeichnete Stunde!!!

 

 

 

Jeff Lynne´s ELO – Alone In The Universe

Bildergebnis für album cover e.l.o. alone in the universe

LP oder CD

2015er Studio-„Comeback“, im Alleingang von Jeff Lynne (ELECTRIC LIGHT ORCHESTRA) eingespielt. Wie schon die neue Live-DVD finde ich auch das hier klar gelungener als erwartet. Irgendwas „Neues“ probiert er nicht, er recyclet sich gewissermaßen selbst, badet in warmem Pop-Wohlklang alter Zeiten (z.B. der Beatles), klingt ab und zu altmodisch-sentimental, ganz gern getragen und sehnsüchtig, teils auch ein wenig rockiger (gar relativ gitarrenbetont, etwas Druck), erinnert schon mal an Traveling Wilburys, George Harrison, Nilsson, Roy Orbison, kurz gar ruhigen Tom Petty… Keine Streicher-Overkills. Aber es gibt gute Songs, sogar exzellente, zuvorderst "When I Was A Boy" (super melodisch) oder das groovende "One Step At A Time!"  Empfehlung: Die Deluxe-Version, hier sind die (2) Bonustracks es wirklich wert, erstaunlich reduziert für ihn, 50er Jahre inspiriert, sogar eine Spur Rockabilly.

 

 

 

Tom Liwa mit Flowerpornoes – Umsonst & Draussen

Bildergebnis für album cover tom liwa umsonst und draussen

Do-LP oder CD

Tom Liwas Comeback nach Rückzug, es hat sich einiges aufgestaut (20 Tracks in 73 Min.). Die Qualität seiner Songs ist dieselbe, die Stimme hat nichts von ihrem Charme verloren, die Musik basiert meist auf E-Gitarre – mehrfach mit traumhaften kaum identifizierbaren Sounds einer Glissando-Gitarre wunderbar veredelt! Er bewegt sich zwischen sachtem poetischem Songwriter-Pop (hinreißend schön v.a. das leicht elegische "Kuya" (samt zweier Variationen) mit z.T. Verweisen zum ruhigen Neil Young oder dem angerockten Dylan, melancholischen Balladen, 60s-/zeitlosem Gitarren-Pop, reduziertem federndem Indie Pop, Classic Rock-Guitar- dezent psychedelischem „Dream Rock“ und einem 12-minütigem (auf Vinyl gar 20) sanft-balladesk bis gewagt frei (zwischen Crescendi und Kammermusik, kurz fast a la experimentelle leise Grateful Dead) agierendem Monster. Und dann sind da noch 5 sanfte/sachte Folk-Stücke (mal ein Hauch Appalachen) nur mit Ak.Gitarre und Banjo, z.T. sehr fein!

 

 

 

Joni Mitchell with Herbie Hancock – Bread & Roses Festival 1978

Bildergebnis für album cover joni mitchell herbie hancock bread and roses festival

nur CD

Bisher unveröffentlichte Radiomitschnitte 2er sehr besonderer Konzerte im Sept. 1978 nach 2 Jahren Live-Pause. Sound stereo, bis auf (bei einigen Tracks deutliches) Hintergrundrauschen ok. 7 Stücke, bis auf eines von Hejira und ein getragenes wunderschönes The Circle Game (mit Gesangsunterstützung von Odetta, Persuasions, Tom Paxton, Tim Hardin) alle von „Mingus“ (weit vor der LP!), solo akust. bzw. mit Herbie Hancock am Piano (The Dry Cleaner in 2 klar differierenden Fassungen a capella). Gesanglich oft enorm fordernd, anspruchsvoll (wie die Songs selbst) und z.T. brillant, bis in höchste Höhen, musikalisch meist ziemlich jazzig (mit und ohne Swing), teils komplex, ihre Gitarre schon mal fast experimentell, Hancock kongenial, keine simple Begleitung, sondern in Kommunikation mit der Stimme. Oft klingen die Versionen hier ganz anders als später auf der LP, schon im Charakter, teils mehr Bewegung und Kontraste, mindestens A Chair In The Sky und Goodbye Pork Pie Hat finde ich sogar definitiv besser! 38 Min., + 2 Bonustracks von ´87 mit Wayne Shorter und Hancock (kleine Band), u.a. ein schnelles tanzendes Hejira. Eins der semi-offiziellen Alben mit echtem Mehrwert!

 
  

 

 

Sonny Sharrock – Ask The Ages

Produkt-Information

nur CD

Remastered Reissue - ein Klassiker! von 1991. Die letzte und tatsächlich beste LP des innovativen Gitarristen, der u.a. mit Miles Davis (Jack Johnson), Wayne Shorter, Don Cherry und schon 1967 mit Pharoah Sanders spielte – mit dem er hier wiedervereint ist,plus Charnett Moffett und ein großartiger Elvin Jones (der Coltrane-Drummer). Coltrane-Einfluß ist denn hier auch mehrfach, mehr oder weniger stark, zu hören (ca. 1964/65), ganz kurz auch der von Ornette. Fast alle der 6 Stücke bestechen durch herrliche zentrale Themen, beseelte Melodien, in 2,3 Fällen tief bewegend, Pharoah Sanders Sax schwingt sich manchmal zu glühenden explosiven Ausbrüchen/grandiosen Soli auf, die Gitarre deckt alles von feinst melodisch singend bis zu ekstatischen/noisigen Crescendi ab, klingt manchmal gar ein wenig nach freierem Santana, die Musik pendelt, neben einer wunderwunderschönen Ballade, zwischen fließend-swingenden bzw. nervös pulsierenden Mixes aus Avantgarde und avancierter Tradition, Free und Post Bop, letzterem in swingender Eleganz und 2x geradezu ergreifendem/erhabenem spirituellem Jazz. Ich mag nicht viele Gitarren-Jazz-Alben, das hier gehört unbedingt dazu. Ganz dicke Empfehlung!

 

 

 

John Mayall – Find A Way To Care

Bildergebnis für john mayall find a way to care

nur CD

John Mayall 2015 - keine Experimente, die Stimme in Würde gealtert, sein Piano- und Orgel-Spiel hat Raum (und ist ausgezeichnet, auch die Soli, wohl strukturiert, kein Ton zu viel), ein paar Mal ergänzen Harmonica seinen Sound, die Bläser sind eher begleitender Natur. Groovend-rockender Modern Blues/R´n´B (als Basis/im Songwriting 50s-beeinflußt, im Sound auch schon mal eher ähnlich späten 60ern bzw. 70s, mal völlig zeitlos wirkend) sowie (teils fast purer) 50s/Chicago Blues, zwischendurch eine Prise Boogie/New Orleans und Brit- Blues der späten 60er. 5  Stücke sind Originale,7 Songs sind  Coverversionen  von u.a. Percy Mayfield und Lightnin Hopkins (gute Songs!), Muddy Waters + unbekannten Musikern.

 

 

 

Holly Golightly – Slowtown Now!

Bildergebnis für holly golightly slowtown

LP oder CD

Holly Golightly wirft fröhlich und durchschlagskräftig alle möglichen Einflüsse durcheinander, effektiv und attraktiv, führt zusammen, was zusammen gehört (oder eigentlich auch nicht), z.B. dezenten Fuzz-Rock mit 60s Pop und ganz wenig Motown (klasse Song!), Folk mit Swing und R´n´B, alten Jazz mit altem Pop, ein wenig Morricone mit 50s/60s-R´n´B, veredelten Garage Rock mit einem Schuss altmodischen Pop-Appeal (ebenfalls exzellent!), kleine Prisen Chris Isaak und J.J. Cale, sie elektrifiziert Folk und reichert ihn über den Umweg 60s-Pop mit einem Hauch Rockabilly an,  sehr schön auch ansteckender R´n´B in eher entspannten Pre/Proto-Rock´n´Roll-Zustand und das melodische sachte vor sich hin tuckernde Forevermore, 2x erinnert mich ihre zeitlose groovende R´n´B-Verarbeitung an den Alex Chilton der 80er. Die Band mit 2 Gitarren wirkt gänzlich entschlackt, tendenziell ziemlich entschleunigt (ab und zu etwas beschwingt). Klar Retro, aber ohne, dass es unbedingt nach einer bestimmten Zeit klingt. So souverän!

 

 

 

Wilco – Star Wars

Bildergebnis für wilco star wars

LP oder CD

2015er,Wilco`s  bislang kürzestes Album, 11 (mit 1 Ausnahme) recht kompakte, konzentrierte, präzise Stücke. Sie wirken spontaner, rauher als zuletzt, Nels Clines Gitarre leistet glänzende Arbeit (bis hin zu ein paar kurzen ziemlich grellen bis beinahe noisigen Verdichtungen). Das Spektrum reicht von Neo- Glam gepaart mit Gitarren-Pop-Rock, einer Prise Lou Reed (Velvet Underground), radikal reduzierten oder mit David Bowie derselben Zeit gekreuzten Big Star, einer Art Post- Grunge, gewissen Iggy Pop-(Solo-)Ähnlichkeiten mit T. Rex- Einflüssen, zeitlosem recht sonnigem Gitarren-Pop, (Indie) Rock zwischen Melodie und Gitarren-Schärfe bis zur zeitgenössisch eingekleideten leicht psychedelisierten Beatles-Tradition (sehr sehr schön!) und dem schroffen Intro in Nähe früher Pere Ubu oder Captain Beefheart Sounds . Erfreulich, erfrischend song-orientiert!

 

 

 

Krokodil – Sweat And Swim

Bildergebnis für krokodil sweat and swim

nur 2LP

140g-Vinyl-Reissue im Klappcover.Original von 1973, damals in der „Sounds“ hoch gelobt, sind die Schweizer heutzutage ziemlich vergessen. Im Zentrum steht das 18-minütige Linger, das ganz zart beginnet, sich immer mehr hypnotisch verdichtet, die Gitarren werden teilweise von Flöten-Dominanz und sanftem Gesang abgelöst – ob man das jetzt Psyche, Prog-Rock oder Kraut nennt, ist egal. Später wird daraus ein Boogie-Guitar-Jam ähnlich Man (an die auch der leise Beginn erinnert). Ansonsten: Neben dem wunderbaren poetischen Kris Kristofferson- Cover-Song  Baby Dee (purer Songwriter-Country!) und einem langen Roots-Rocker viel Blues/R´n´B-Einfluß, gern in rockender/abziehender Form, mal lakonisch in Lou Reed-Nähe, auch kleinere  Psyche/Prog-Spritzerchen, Wah-Wah. Oft unterstützt eine Harmonica die Gitarren.

 

 

 

Delta Saints – Bones

Bildergebnis für delta saints bones

nur CD

Bluesig- (bzw. rootsig-) rockige Musik aus Nashville , so frisch, originell, eigen (zugleich zeitgenössisch klingend und der Wurzeln bewußt), wie es heute sehr selten geworden ist, manchmal eher guter intelligenter befreiter Indie Rock. Mehrfach in faszinierender dunkler, sinisterer Atmosphäre (fast spooky ), mit z.B. supergeiler Reverb- Gitarre. Man kann  das schon irgendwo Blues Rock nennen – aber abseits aller Klischees, mal in Richtung Jack White (Producer/ Mixer hier: Ed Spear) oder mal wie bluesige schwere  Led Zeppelin / Robert Plant- Stücke (Strange Sensation..). Anderswo  ein Hauch Black Keys respective  Afro-Blues und New Orleans mit old-time-Feeling. Rhythmisch fein zum Teil mit etwas komplexeren Grooves. Stücke wie Sometimes I worry, Butte La Rose, Dust sind einfach klasse!

 

 

 

Miles Davis – At Newport 1955-1975/Bootleg Series Vol. 4

Bildergebnis für miles davis at newport bootleg series

4CD-Box

5 Stunden, großteils unveröffentlichtes Material (außer den Stücken von  1958, die 3 Tracks von ´69, einer von ´55). 1955: Nur 3 Stücke, mit Thelonious Monk und Gerry Mulligan, „konventioneller“ als später, aber reizvoll. 1958: In der „Kind Of Blue“-Besetzung (1 knappes Jahr davor, stilistisch (nicht immer) ähnlich, rasend bis mid-tempo swingend, komplett andere Stücke), ein großartiger Coltrane in Highspeed und  exquisit! 1966 und 1967: Deshalb lohnt sich alleine schon die ganze Box! Im klassischen Quintet mit Shorter, Hancock & Co, oft sehr schnell/gehetzt, manchmal fast so etwas wie allen Konventionen enthobener/befreiter BeBop. Enormes Feuer! Der (teils nervöse) Swing streift gar schon mal freies Puls-Spiel. Balladen voller Autorität, Substanz und Klasse. Klassiker wie Stella By Starlight, Round Midnight und (von Kind Of Blue) All Blues. So What klingen massiv verändert, verschärft, weit „offener“. Wow! 1969: Ein elektrisierendes Pre-Bitches Brew-Power-(Groove-)Paket. 1971: 80 Min. lang, non-stop. Mit Keith Jarrett (great!!), Gary Bartz. Deutlich anders als die vielen ´70er Aufnahmen, gern fantasievoll verspielt/differenziert, der Groove z.T. langsam/kontrolliert (oder komplexer), einige Ruhephasen, aber auch gnadenlos abziehend (oder wunderschön, beinahe spirituell). Cellar Door-Sessions ähnlich. Grandios! 1973: Mit Dave Liebman. Ein oft unglaublich intensives, messerscharfes, (über)kochendes, partiell wildes/brennendes bis kurz ziemlich freies (funky) Groove-Fest mit leiseren/atmosphärischen Einsprengseln. Überwältigend! 1975: Nur 1 kürzeres buntes/perkussives Stück. Insgesamt: Ein wahrer Schatz, ein Muß in meinen Ohren! Mit 34-Seiten- Booklet plus Poster.

 

 

 

Beach House – Depression Cherry    

Bildergebnis für beach house depression cherry

LP oder CD

2015er Album des US-Acts. Wie  zuvor ein den Hörer umhüllender Wohlklang, eine modernere Form von Dream Pop. Wobei die Sängerin (genretypisch hallverstärkt)und deren Melodien im Zentrum stehen. Kraftvoll begleitet mal die Orgel/Keyboards (z.T. kalt und glitzernd), mal die Gitarre (seltener, bzw. nur phasenweise, dafür mit so einigen tollen gleißenden/ slidenden Sounds ) im Vordergrund; oder gleichgewichtet. Ab und zu leicht oder etwas stärker dunkel gefärbt, oft relativ getragen, sporadisch eine kleine Prise Shoegazer-, Psychedelic- Einfluß, einige etwas längere Stücke. Und wie schon früher hatte ich 1,2 Mal die Assoziation „Cocteau Twins in upgedatet“.

 

 

 

Jimi Hendrix – Freedom: Atlanta Pop Festival

Bildergebnis für jimi hendrix freedom atlanta pop festival

2 LP oder 2CD

Offizielles 15er Release von Sony Legacy, also best-möglicher Sound.Live vom Mega-Festival am 4.7.70, die „Cry Of Love“-Band (Billy Cox, Mitch Mitchell). Einen Teil gab´s, ewig nicht mehr erhältlich, auf der raren Stages-Box und dem Atlanta-Video. Teils ganz schön wüst/wild (Spanish Castle Magic, v.a. das Solo, Fire, Purple Haze), teils sehr konzentriert (Red House, Hey Joe, top!), mal viel Zug drin (All Along The Watchtower, das scharfkantige damals neue Straight Ahead) bzw. gar mächtig abziehend (Stone Free, beschleunigt, klasse sehr lineares längeres trocken-straightes Solo; ein Highlight!). Superb das 9-minütige Hear My Train A Comin´, 2 lange immens inspirierte, ungewöhnlich „weiche“ fließende Soli, Lover Man kommt extrem agil, fast brennend, Room Full Of Mirrors irgendwie mit kleinem Country-Touch (!), Star Spangled Banner noch greller, abgefahrener als sonst, kurz explodierend. Plus Message To Love, Foxy Lady, Freedom, ein ausnehmend kraftvolles relativ kompaktes Voodoo Chile. Lang und lohnend!